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Wunderliches geschieht hier auch. Gewundert haben sich Anwohner am frühen Morgen des 8. Juli, als mehrere Polizeifahrzeuge zum historischen Schloss in den 50-Seelen-Ort fahren. „Die haben da was gesucht,“ erinnert sich ein Nachbar. Was er nicht weiß: Zur gleichen Zeit filzen Polizisten die Wohnung eines ehemaligen NPD-Funktionärs im Saalekreis sowie Büros und Privathäuser in Bayern und Österreich. All das koordiniert die Generalstaatsanwaltschaft München. Sie begründet die Aktionen mit Waffenlieferungen von Kroatien nach Deutschland sowie Waffenhandel in der Reichsbürger- und Rechtsextremistenszene
Der Verdacht richte sich gegen zwölf Deutsche. An jenem Tag werden die Ermittler, darunter auch Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen, zwei halbautomatische Kurzwaffen sicherstellen, eine Pumpgun, 200 Schuss Munition, eine Handgranatenattrappe, rechtsradikale Schriften, Reichsbürgerunterlagen, Marihuana sowie PCs, Laptops und Mobiltelefone. Ob man allerdings auch beim Polizeieinsatz in Promnitz fündig wurde, mag die Generalstaatsanwaltschaft nicht beantworten.
Ein Blick auf Schloss Promnitz an der Elbe von der Riesaer Seite aus. 1730 schaute sich August der Starke von dort aus das Abschlussfeuerwerk zur größten Truppenschau an, die Europa bis dahin gesehen hatte.
Waffen spielen in der Historie von Schloss Promnitz eine tragende Rolle. Im Juni 1730
präsentierte Sachsens Kurfürst August der Starke dort die größte Truppenschau,
die Europa bis dahin gesehen hatte: 30.000 Soldaten marschierten in der Nähe des
Schlosses auf.
Zu dem Spektakel kamen rund 4.000 illustre Gäste, darunter Preußens König Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich, später „der Große“ genannt. Als Zeithainer Lustlager ging das Geschehen in die Geschichte ein. 2030 wäre das 300-jährige Jubiläum. „Zeithain könnte sich vermarkten, wie seit
290 Jahren nicht mehr“, urteilt der Tourismusverband Elbland-Dresden.
Könnte.
Von Sachsens Glanz und Preußens Gloria sind allerdings kaum mehr Spuren zu
entdecken: Großflächig platzt der Putz am Dreiecksgiebel des Haupthauses ab, der
Turm ist seit geraumer Zeit seine Haube los, Nebengebäude sind einsturzgefährdet.
Und jetzt noch dieser Polizeieinsatz.
Seltsamer Gruß vom Kastellan
„Der hatte nichts mit Schloss Promnitz zu tun“, betont Schlossherr Wolf-Nicol von
Wolffersdorff. Der 52-Jährige ist der sechsfache Urenkel von Sachsens Generalmajor Friedrich Albrecht von Wolffersdorff, der seinerzeit das Schloss eigens für das Zeithainer Lager im Barockstil hatte umbauen lassen. Die Ermittler hätten sich lediglich „explizit“ nach Herrn Hauser erkundigt
Winken zum Abschied oder ein Hitlergruß? Die Generalstaatsanwaltschaft München interessiert sich bei ihren Ermittlungen unter anderem für Bodo Hauser, der bislang als Kastellan auf Schloss Promnitz in Erscheinung trat.
Bodo Hauser ist in Promnitz bekannt. In einem früheren SZ-Gespräch stellte er sich als Kastellan
vor, als eine Art Schlossverwalter. Er habe Holzbildhauerei studiert und stamme aus dem Erzgebirge. In den Facebook-Profilen des inzwischen 57-Jährigen findet sich ein Foto, dass ihn Arm in Arm mit der ehemaligen Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling zeigt. Die Grippe-Impfung hält er für „hochtoxisch, organschädigend und krebserregend“, die BRD sei ein Schwindel.
Er lädt Mitglieder der „Penzliner Runde“ nach Promnitz ein. Der Verfassungsschutz von Mecklenburg-Vorpommern zählt diese Gruppe zur Reichsbürgerszene. Dem Verfassungsschutz von Sachsen liegen zu
Promnitz „aktuell Hinweise vor, die gegenwärtig jedoch noch geprüft werden“. Auf einem Foto steht Hauser im Innenhof des Schlosses und hebt den rechten Arm zum Gruß
Von Wolffersdorff, der in einem offiziellen Video gemeinsam mit dem Kastellan um Spenden bittet, teilt nun mit, Hauser arbeite weder für seine Familie noch für Schloss Promnitz; er sei „jedoch aufgrund seiner Geschichtskenntnisse ehrenamtlich Ansprechperson für interessierte Besucher“. Und überhaupt, sagt von Wolffersdorff: Ihm sei nicht bekannt, dass auf dem Schloss Personen verkehrten, die der Reichsbürgerszene zuzurechnen wären.
Für den 52 Jahre alten Unternehmensberater ist der Stammsitz seiner Familie so wichtig geworden, dass er seinem früheren Leben im südhessischen Bensheim samt Frau und Kindern den Rücken kehrte. Ihm gehe es allein um die Rettung des Schlosses, sagt er. Die Kommunen Riesa und Zeithain begrüßten das Engagement. Zeithains parteiloser Bürgermeister Ralf Hänsel bestätigt das. Als Gemeinde arbeite man mit der Familie von Wolffersdorff jedoch „in keinem Punkt“ zusammen.
Frau Dambmann und die Panzerfaust
Rückblick. Es ist Herbst 2016, als Wolf-Nicols Vater, der damals schon 77-jährige Erich Ernst Moritz Wolf von Wolffersdorff, aus dem niedersächsischen Bad Pyrmont nach Meißen reist, um dort die gemeinnützige Schloss Promnitz Verwaltungs-GmbH ins Leben zu rufen. Ihre Gesellschafter sind zu gleichen Teilen: er selbst; seine 77 Jahre alte Ehefrau Marianne, die sich im Vorstand des Heimatbunds Bad Pyrmont engagiert und Bücher schreibt wie „Promnitz, ein Wintermärchen“; der älteste Sohn Wolf-Nicol; dessen jüngerer Bruder Roderick, ein Anlageberater in Hamburg, sowie die Tochter Isabelle, die in Göttingen ein Geschäft für Naturkosmetik führt.
In einem Schreiben an die Landesdirektion Sachsen, in dem es um den Ausbau des Hochwasserschutzes geht, teilt Wolf-Nicol von Wolffersdorff mit, die Familie wolle das Objekt als Museum nutzen. Es entstünden ein barocker Garten und ein Schlosscafé.
Als diese Pläne entstehen, taucht Marion Dambmann in von Wolffersdorffs Leben auf. Sie sei der Liebe wegen von Mainz nach Promnitz gezogen, sagt der Schlossherr. Auf Facebook schreibt die 57-Jährige über ihre neue Heimat: „War gerade im Riesa-Park bummeln, nur Deutsche, so wie früher!!!“
Marion Dambmann präsentiert im Juli 2017 auf Facebook mit Stolz eine Panzerfaust. An der Seite der von Wolf-Nicol von Wolffersdorff hilft sie nun beim Erhalt von Schloss Promnitz.
Dambmann gehörte dem Bundesvorstand der 2016 aufgelösten Partei „Die Freiheit“ an. Deren Vorsitzender war Michael Stürzenberger, der bei Pegida in Dresden auftrat und der für Bayerns Sicherheitsbehörden „weiterhin die zentrale Person der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene“ ist. Dambmann selbst demonstrierte mit Pegida in Frankfurt am Main. In einem Youtube-Video sagt sie, sie stamme aus der DDR und sei damals jede Woche bei der Stasi vorbestellt worden.
Nun laufe Deutschland wieder in Gefahr, „ein Unrechtsstaat zu werden“. Im Januar 2018 macht Dambmann im Internet publik, in Promnitz eine „Gemeinschaft mit deutscher Kultur wie auch traditionellem Handwerk und einer Landwirtschaft“ aufbauen zu wollen. Sie hasse Merkel und bekomme „unsäglichen Brechreiz“, wenn sie Frauen und Mädchen mit Kopftuch sehe.
Auf einem Foto hält sie eine Panzerfaust, darunter steht: „Hab‘ was zur Verteidigung!!“. Sie zeigt sich Arm in Arm mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Wie schon Bodo Hauser, ist auch Dambmann mit Festerling vernetzt. „Marion, du bist ein wichtiger Mensch für mich“, urteilt die frühere Pegida-Kandidatin fürs Dresdner Oberbürgermeisteramt.
Glaubt man von Wolffersdorff, hat sie sich inzwischen „von allen Parteigeschehnissen gelöst“. Sie habe auf dem Schloss „ihre Aufgaben gefunden und geht vollständig in diesen auf“. Als sie mithilft, auf dem Schlossgelände einen Kuchenverkauf zu organisieren, steht auf der Getränkeliste auch „Reichsquellwasser“.
Wolf-Nicol
von Wolffersdorff selbst hat auf seinem seit 2017 kaum mehr benutzten Facebook-Profil unter anderem die Gruppe „Fall Preußische Treuhand gegen Polen“ und den Sektensender Klagemauer-TV gelikt. Als im Februar 2019 ein Graffiti-Sprayer am Schloss erwischt wurde, schreibt er darüber in einer Mail an seine Unterstützer von „Verwirrten, die die Zerstörung unseres Landes und die Vernichtung des Deutschtums fordern“.
Sein Aufruf sei: „Wehrt euch und schützt unsere deutsche Heimat.“ Sein jüngerer Bruder Roderick, der die Internetseite von Schloss Promnitz verwaltet, umgibt sich auf dem russischen Facebook-Pendant
vk.com mit Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern.
Von Hass und Neid getrieben?
Schon einmal, Ende vorigen Jahres, gab es Wirbel um die Familie von Wolffersdorfs. Die hatte zwar den Kultur- und Schlossverein Promnitz mitgegründet; nachdem der in Dresden beheimatete Vorstand jedoch den Schlossbewohnern „eindeutig rechtsradikale Bestrebungen“ sowie Untreue beim Vereinsvermögen unterstellte, überwarf man sich. Wolf-Nicols Mutter, die auf dem Schloss gelegentlich aus ihren Büchern liest, teilte damals mit: Wer ihre Familie und ihr Umfeld als „rechtsradikal bezeichnet, muss von Hass und Neid getrieben sein“. Der Sohn betont, diese Aussagen seien nach wie vor gültig.
Neider könnte es durchaus geben. Zwar verrät von Wolffersdorff nicht, wie viel eigenes Kapital die Familie bislang in das Schloss gesteckt hat, aber sie wirbt zumindest erfolgreich um Spenden und Fördermittel. Schon Ende 2016 flossen 50.000 Euro aus dem sächsischen Haushalt. Weitere Zahlen nennt das zuständige Landesamt für Denkmalschutz nicht, es bestätigt aber, dass weitere Fördermittel bewilligt und „fachgerecht eingesetzt“ worden seien. Zudem kommen etwas mehr als 70.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.