Autor Thema: Presseschnipsel  (Gelesen 1264574 mal)

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Offline Neubuerger

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4830 am: 28. Januar 2019, 16:31:41 »
Noch eine liegengebliebene Meldung von letzter Woche, Endstation Rechts beschäftigt sich mit "Pro Chemnitz". Dort ist die Beteiligung an den Demos deutlich zurückgegangen, aktuell überlegen die, eine Bürgerwehr aufzustellen. Ich habe den Text unten kopiert, auf der Webseite gibts aber noch ein paar Fotos und eingebundene Tweets.


Zitat
Nach Demo-Flaute: Pro Chemnitz gründet Bürgerwehr?

Nachdem die Demonstrationen von Pro Chemnitz in den vergangenen Monaten kontinuierlich zusammenschrumpften, entschied man sich bei der rechten „Bürgerbewegung“ für einen Strategiewechsel: Vorerst sollen die Aufmärsche ausbleiben, dafür will die rechte Lokalpartei einen Treffpunkt für ihre Anhänger einrichten und regelmäßig als Bürgerwehr durch die Straßen ziehen.

Kaum mehr als einige hundert Sympathisanten lockte der letzte Aufmarsch von Pro Chemnitz am 14. Dezember noch an. Nach den Großdemonstrationen, die Ende August über 8.000 Menschen anzogen und teils in gewalttätigen Ausschreitungen eskalierten, brachen die Teilnehmerzahlen schnell ein. Die regelmäßigen Aufmärsche der „Bürgerbewegung“ beherrschten weiterhin die Chemnitzer Innenstadt - wenn auch eher als Verkehrshindernis und nicht als Massendemonstration. Nicht einmal der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte dies ändern.

Statt dem vergeblichen Versuch, weiterhin Massen zu mobilisieren, schwenken die Köpfe hinter Pro Chemnitz nun auf rechte Graswurzelarbeit um. Die regelmäßigen „Freitagsdemonstrationen“ wollen sie vorerst einstellen.
Ein Szenetreff in der Innenstadt?

Bereits im Herbst kündigte das Protestbündnis an, einen Treffpunkt für Anhänger und Gleichgesinnte einrichten zu wollen. Glaubt man deren Aussagen, nimmt das Projekt langsam Form an: Die Umbaumaßnahmen für das „Bürgerzentrum“ liefen bereits, man plane Ende Februar oder Anfang März zu eröffnen, das gab Pro Chemnitz-Chef Martin Kohlmann gegenüber dem MDR an. Dabei liegt laut dem Bauamt der Stadt Chemnitz noch keine Genehmigung zur Nutzungsänderung für das Bürogebäude in der Brauhausstraße vor. Kohlmann erwarb das Objekt 2012. Nun sollen dort „monatliche Saalveranstaltungen zu ausgewählten Themen“ und Schulungen stattfinden. Aber auch als Ort „zum gemütlichen Meinungsaustausch“ soll die „Begegnungsstätte“ dienen - eine rechte Szene-Bar in der Chemnitzer Innenstadt also?

Die Brauhausstraße 6 soll zum rechten Treffpunkt werden, Foto: Tim Mönch

Bei einer Einwohnerversammlung, die von der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ organisiert wurde, äußerten man sich besorgt über die ungebetenen Nachbarn: Anwohner des Viertels befürchten, dass sich das Objekt zu einem wichtigen Treffpunkt für gewaltbereite Neonazis entwickeln könnte. Bei den Menschen vor Ort wecken die Pläne Erinnerungen an das Schulungszentrum der JN Chemnitz im Heckert-Viertel, einer Plattenbausiedlung am Stadtrand.

Brisant, denn in der Nachbarschaft wohnen viele migrantische Familien, auch ein Kindergarten und eine Schule befinden sich in nächster Nähe. Schon jetzt würden Rechtsextreme den Ort frequentieren und bereits während der Ausschreitungen im letzten Jahr habe das Objekt mehrfach als Sammelpunkt für gewalttätige Übergriffe auf Migranten gedient, so eine Sprecherin von „Aufstehen gegen Rassismus“. Tatsächlich gilt Martin Kohlmann Beobachtern und Behörden als gut vernetzt in der Neonaziszene

Der Informationsabend der antirassistischen Initiative sollte bereits Anfang Januar stattfinden. Nachdem allerdings Pro Chemnitz seine Anhänger zur Teilnahme an der Veranstaltung aufforderte, kündigte der Vermieter der Räumlichkeiten den Aktivisten: Man wolle im Hinblick auf mögliche Zwischenfälle nicht von seinem Hausrecht Gebrauch machen müssen und bevorzuge den Dialog mit „Andersdenkenden“. Die Veranstaltung wurde daraufhin verschoben. Wieder kündigten sich wieder Sympathisanten der rechten „Bürgerbewegung“ an, Störungsversuche blieben aus, allerdings veröffentlichte Pro Chemnitz einen verzerrenden Bericht der Veranstaltung in den sozialen Medien. „Aufstehen gegen Rassismus“ berät derweil über mögliche Protestaktionen. Eine Unterschriftensammlung laufe bereits.
Rechte Vigilanten?

Das geplante „Bürgerzentrum“ der rechten Gruppierung steht zudem im Zusammenhang mit einem anderem Plan: Dort sollen dem Einvernehmen nach nämlich auch Schulungen für die Bildung einer sogenannten „Bürgerstreife“ stattfinden. Schließlich bestünde die „Notwendigkeit […] selbst etwas für die Sicherheit“ zu tun, wie Pro Chemnitz Anfang des Jahres in den sozialen Medien verkündete.

Überraschen kann das aber kaum: Um Kohlmanns Reden als Aufruf zur Selbstjustiz zu verstehen, braucht es wenig Fantasie. Die rassistischen Ausschreitungen und Jagdszenen, die sich am 27. August abspielten, bezeichnete er als „Selbstverteidigung“. Am Jahrestag der Novemberpogrome plädierte er für ein liberales Waffenrecht, denn „ein Regime, das Menschen die Waffen zur Selbstverteidigung verbietet“, so Kohlmann, „das will sie später auch vernichten“. Der Staat als verbrecherisches Regime, Gewalt als Widerstandsrecht, „Patrioten“ als die „neuen Juden“.

Bereits Mitte September formierte sich am Rand eines Aufmarsches des rechtsextremen Protestbündnisses etwa eine Handvoll Neonazis zu einer „Bürgerwehr“. Sie bedrohten und attackierten Besucher eines Parks. Ein Migrant wurde mit einer Flasche am Kopf verletzt. Später sollte sich herausstellen, dass auch Christian K., der Rädelsführer der mutmaßlich rechtsterroristischen Zelle „Revolution Chemnitz“, mit involviert war.

Nur ein Vorgeschmack auf die kommenden „Bürgerstreifen“? Beobachter und Gruppen wie „Aufstehen“ gegen Rassismus“ befürchten gezielte Angriffe gegen Migranten. Was aber tatsächlich aus den Plänen wird und wann die ersten „Streifengänge“ stattfinden werden, muss sich erst noch zeigen.
Alles für den Lokalwahlkampf?

Hinter dem neuerlichen Aktionismus des rechtsextremen Bündnisses dürften vor allem die kommenden Wahltermine stehen. Im Mai werden in Sachsen die kommunalen Vertretungen gewählt. Erst vor Kurzem verlor Pro Chemnitz seinen Fraktionsstatus im Chemnitzer Stadtrat. Der Austritt des Abgeordneten Joachim Ziems sorgte dafür, dass die Wahlliste unter das Minimum von drei Sitzen fiel. Die Fraktionsfinanzierung fällt für die Gruppe damit vorerst weg. Das rechte Wahlbündnis wird nun alles daran setzen, den Aufmerksamkeitsschub durch die fremdenfeindliche Proteste in Wählerstimmen umzusetzen.

Vor allem mit der AfD konkurriert Kohlmanns Wahlbündnis dabei vehement: Pro Chemnitz steht auf der Unvereinbarkeitsliste der Rechtspopulisten, mehrere Kooperationsangebote lehnte die Partei ab. Mehr Offenheit herrscht da bei André Poggenburgs Parteineugründung: Martin Kohlmann und sein Mitstreiter Robert Andres loteten zuletzt eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD-Abspaltung AdP bei deren Gründungsveranstaltung in Cotta aus. Wie realistisch aber eine erfolgreiche Teilnahme an den Landtagswahlen für das Rechtsaußen-Gespann sein könnte, ist mehr als fraglich.
Sebastian Leber über Rüdi: Hoffmanns Beweisführung ist, freundlich ausgedrückt, unorthodox. Es geht in seinen Filmen drunter und drüber wie bei einem Diavortrag, bei dem der Vortragende kurz vor Beginn ausgerutscht ist und alle Dias wild durcheinander auf den Boden flogen.
 

Offline Reichsschlafschaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4831 am: 28. Januar 2019, 16:34:36 »
Alte, weisse Männer fühlen sich bedroht und gehen 16jährige an. Was für armselige Würstchen.

Er hat noch einmal Aufmerksamkeit bekommen:

Zitat
Doch einige Reaktionen darauf, insbesondere auf Twitter, sind eigentlich unfassbar: Dutzende erwachsene Männer halten es für angebracht, Thunberg und ihre Eltern persönlich anzugreifen und öffentlich zu diskreditieren.

Allen voran ein Rechtsanwalt, Blogger und Ex-Moderator nutzt seine Reichweite, um die 16-Jährige an den Onlinepranger zu stellen. Sowas käme dabei heraus, wenn Eltern Kindern keine Gute-Nacht-Geschichten vorläsen, schreibt er in einem Tweet, in einem anderen nennt er Thunberg altklug und verhaltensgestört und fantasiert davon, wie die Grünen sie für ihre Sache instrumentalisieren würden.

Diese Tweets wurden jeweils von mehreren Tausend Menschen gelikt und retweetet. Und so steht da tausendfache Diskriminierung gegen eine Jugendliche im Netz, frei zugänglich für alle.
https://ze.tt/mit-ihrer-hetze-gegen-greta-thunberg-entlarven-sich-ihre-gegner-nur-selbst/
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4832 am: 28. Januar 2019, 17:14:21 »

Wem gehört die Angst? Zur Verhöhnung von Greta Thunberg

27. Januar 2019| Von Michael Blume

Zitat
Greta Thunberg macht gerade das rechtspopulistische Geschäft kaputt, indem sie über das Einfordern von “Panik” nicht nur Konkurrenz darstellt, sondern auch das Nachdenken über Populismus fördert. Persönliche Herabwürdigungen rechtfertigt das nicht. Langsam könnte sich auch das digitale Klima wieder zu mehr Respekt hin wandeln…

Nachtrag 28.01.2019: Nach heftigen Debatten mit und zwischen den Salonkolumnisten habe ich den obigen Blogpost so präzisiert, dass deutlich wird, dass ich nicht pauschal, sondern konkret den Post “System Greta” kritisiere. Von “Dr. Deutsch”, der so gerne austeilte, gab es bislang leider nur weitere Beschimpfungen. Mal schauen, ob das so bleibt.

Quelle/Bericht:

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wem-gehoert-die-angst-zur-verhoehnung-von-greta-thunberg/

Medienethik – Die nächsten Termine:

Am Dienstag, 29.01.2019, spreche ich zur Einleitung eines Blockseminars in Medienethik ab 17:30 Uhr am KIT Karlsruhe über “Die Medien als Feinbild. Neue Medien und antimediale Verschwörungsmythen”.

Und am Nachmittag des 14.02.2019 begrüße ich Sascha Lobo in den Räumen der Schwäbischen Zeitung in Ravensburg zu “Medien und Antisemitismus” – auch dazu herzliche Einladung (mit telefonischer Voranmeldung).
 
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4833 am: 28. Januar 2019, 17:41:07 »
Das Geschäft mit der Angst ...
Angst ist kein gutes Gefühl, aber ggf. ein nützliches. Angst hilft immer dann, wenn sie uns vor einer drohenden Gefahr warnt und wir daher für Abhilfe sorgen können. Es gibt aber Ängste, die nicht vor einer realen Gefahr warnen - genau da liegt das Problem.

Nun operieren die Rechtspopulisten ja erfolgreich mit der Angstmache. Allerdings gibt es drohende Gefahren, vor denen sie offensichtlich keine Angst verspüren. Der Klimawandel ist genau eine dieser drohenden Gefahren, die mit allen Mitteln geleugnet werden muss. Man könnte sonst zu Veränderungen des eigenen Verhaltens gezwungen sein, die den Herren Rechtspopulisten einfach nicht in den Kram passen. Überhaupt verlangen sie ja Anpassungen von Verhaltensweisen immer nur von Anderen, sie selbst wollen, dass sie immer genau so weiter machen können wie bisher. Da kommt auch noch ihre Angst vor Veränderungen hinzu.
Kein Wunder, dass ihnen die Angst vor den Folgen der Klimaveränderung da so gar nicht behagt.
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Offline Reichsschlafschaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4834 am: 28. Januar 2019, 18:44:14 »
Im Dlf gibt es nachher um 19.30 h eine Sendung über unsere Kundschaft.
Einige Personen und Ortschaft sind uns wohlbekannt.  ;)


Zitat
Bei den Reichsbürgern
BRD, nein danke!

Von Rosemarie Bölts


Reichsbürger demonstrieren am 3. Oktober 2014 vor dem Reichstag . (imago/Christian Ditsch)
    „Sturm auf den Reichstag“: Sogenannte Reichsbürger erkennen die Legitimität der Bundesrepublik nicht an. (imago/Christian Ditsch)

Esoterisch, paranoid, manchmal rechtsradikal: 19.000 Reichsbürger gibt es in der Bundesrepublik. Sie drucken ihre eigenen Ausweise, berufen sich auf das Deutsche Reich von 1937 und weigern sich, Steuern zu zahlen. Und sie mögen keine Journalisten.

„Reichsbürger“. Sie gelten als „Phänomen“ oder „Bewegung“. Als „Querköpfe“ und „verwirrte Einzelgänger“. Hier der kleine Mann im Faschingskostüm, der sich selbst in seinem Wohnzimmer mit Zepter und Krone zum Herrscher „König Wolfgang I.“ ausruft. Dort der Reichsbürger, der mit grünen KFZ-Schildern durch die Gegend fährt, worauf in Großbuchstaben nur MENSCH steht.

Die Reichsbürger, die an Chemtrails glauben und Vorträge gegen Impfungen halten. Die keine Steuern zahlen und die Souveränität Deutschlands infrage stellen. Die als „Selbstverwalter“ ihr eigenes Territorium abstecken, das sie mit der Waffe verteidigen. Die extrem rechts verbandelt sind. Die Grenzen sind fließend, und meist greift eins ins andere.
Spoiler
Gegen die  Bundesrepublik Deutschland GmbH

Was sie grundsätzlich alle eint, ist die Ablehnung von Staat und Verfassung, von Recht und Gesetz. Reichsbürger beziehen sich auf vergangene „Reichsgebiete“ in den Grenzen von 1871, 1914 oder, am beliebtesten, von 1937. Die Bundesrepublik Deutschland? Gibt es nicht. Die ist „ein Konstrukt der Alliierten“, ist bis heute „Besatzungszone“. Wahlweise eine „GmbH“ – mit der amtierenden „Geschäftsführerin“ Angela Merkel.

„Die Reichsbürger-Bewegung ist keine neue Bewegung“, sagt Andreas Speit. „Wir haben schon nach 1945 Rechtsextremisten, die diese Reichsidee weiter forciert haben, dass das Deutsche Reich weiter bestehen würde, und dass man das auch erstreiten sollte. Und wir haben seit Mitte der 80er-Jahre Reichsbürger ohne rechtsextremen Kontext, die aber diese Idee des Reiches wieder neu entdeckt haben.“

Andreas Speit auf der Veranstaltung "Über Rechte schreiben – Zwischen Aufklärung und Sensation" (Deutschlandradio)Der Journalist Andreas Speit befasst sich viel mit den Themen Rechtsradikalismus und Reichsbürger. (Deutschlandradio)

Andreas Speit ist Herausgeber und Mitautor des 2017 erschienenen Sammelbands „Reichsbürger – die unterschätzte Gefahr“. Bis zum Oktober 2016 haben weder Politik noch Polizei oder Justiz diese so genannten „Spinner“ ernst genommen. Selbst die Meldung des Gerichtsvollzieherverbands, der aufgrund seiner aggressiven Klientel bereits 2016 von bundesweit 40 000 „Reichsbürgern“ ausging, regte niemanden auf. Bis ein „Reichsbürger“ im nordbayerischen Georgensgmünd bei einer Hausdurchsuchung einen jungen Polizeibeamten erschoss. Da war Schluss mit putzig.

Auch Polizisten finden sich bei den Reichsbürgern
Seit dem Mord im Oktober 2016 in Georgengsmünd zählt man also. Und entdeckt nicht nur die kleinen, abgehängten, biografisch geknickten Einzelschicksale wie den Polizistenmörder unter der Reichsbürgerfahne. Sondern ganz bürgerlich integrierte Ingenieure, Verwaltungsbeamte, Hoch-schullehrer, Bundeswehrsoldaten, Polizisten. Zum Beispiel den Ersten Polizeihauptkommissar Harald Schreyer, Seminarleiter im Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring im Chiemgau. Im Februar 2016 hielt er einen Vortrag vor der „Heimatgemeinde Chiemgau“, einer inzwischen auch vom Bayerischen Verfassungsschutz anerkannten „Reichsbürger“-Gruppe.

Xaver Eichstädter vom Online-Portal „Chiemgau 24“ ist wohl der einzige Journalist, der ganz offiziell an einem der zweiwöchigen „Stammtisch“-Treffen der „Heimatgemeinde“ teilnehmen durfte, um darüber zu berichten. Vielleicht war es auch ein verschwörungstypischer Denkfehler des „Pressesprechers“ der „Heimatgemeinde Chiemgau“, dass sie und „Chiemgau 24“ ganz nah beieinander sein müssten.

Im Februar 2016 also fuhr der junge Lokalredakteur zum „Brandlwirt“ ins 450-Seelen-Dorf Hemhof im schönsten Oberbayern – und staunte nicht schlecht. Im Festsaal hing noch die Faschingsdeko, um ihn herum saßen etwa siebzig normale, eher bieder-leger gekleidete, eher ältere Männer und Frauen, als der Versammlungsleiter stolz Polizeihauptkommissar Harald Schreyer von der Polizeiakademie in Ainring als Redner vorstellte:

„Die Überschrift über Schreyers Vortrag war die, wie sich die Reichsbürger von der „Heimatgemeinde“ der Polizei gegenüber verhalten sollten, wenn's zu Kontrollen kommt wegen der grünen Nummernschilder zum Beispiel. Und in dem Zusammenhang, weil da auch Rückfragen aus dem Publikum gekommen sind, ja, wir haben da Probleme mit der Polizei, wie kommt es, dass du bei uns bist und uns aufklärst und so weiter, da hat sich der Herr Schreyer auch als Bindeglied zwischen der ‚Heimatgemeinde‘ und der Polizei bezeichnet.“   

„Bewusst.tv“ – eine Quatschbude für Reichsbürger

Es war klar, so Xaver Eichstädter, dass da ein Gesinnungsgenosse vor ihnen steht, dem seine „Meinung“ mehr wert war als sein Diensteid:

„Er stand da mit breiter Brust vor den Leuten, ja, es sei ihm egal, er würde das schon durchstehen, und er hätte schon im Kreuz, dass er seine Meinung vertritt und trotzdem bei der Polizei bleiben kann.“                                                                       

Karrierepolizist Schreyer hatte nämlich schon einmal Ärger mit seinem Dienstherrn. Der eloquente und viel beschäftigte Trainer – neben seinem Beamtenjob hat er auch erfolgreich in der deutsch-schweizerischen Consulting-Agentur „on-the-way-events“ gearbeitet – trat schon 2015 beim einschlägig rechts-esoterischen Youtube-Kanal „Bewusst.tv“ des ebenso einschlägig bekannten Moderators Jo Conrad auf.

Zweimal in der Woche ist „Bewusst.tv“ im Internet als, kurz gefasst, Quatschbude zur Verbreitung des Reichsbürger-Gedankenguts auf Sendung. Schreyers zweistündiges Interview in „Bewusst.tv“ über seine weit ausholenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Staat und Polizeihoheit aber hatte keine Konsequenzen. Erst nach Xaver Eichstädters Bericht wurde der 58-jährige Erste Polizeihauptkommissar – bei vollen Bezügen – als Seminarleiter in Ainring freigestellt. Das Disziplinarverfahren dauert, Harald Schreyer hat Widerspruch eingelegt.

Jeder vierte Reichsbürger lebt in Bayern

Xaver Eichstädter zitiert aus seinem Notizblock, was der hochrangige Polizeibeamte vor der „Heimatgemeinde Chiemgau“ im Februar 2016 zum Besten gab:

„Immer mehr Flüchtlinge kommen, die Gesellschaft wird immer instabiler, immer mehr Leute sind unzufrieden mit der politischen Situation in Deutschland, ja, was kann man denn machen, ist der Herr Schreyer gefragt worden. Und da gab's ne interessante Antwort: Wenn sich immer mehr solcher Netzwerke gründen, dann zerbröselt das System irgendwann. Und mit ‚solche Netzwerke‘ war klar, dass er Gruppen wie die ‚Heimatgemeinde Chiemgau‘ meint.“

Porträtaufnahme des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann vom März 2018. (imago / Aleexander Pohl)Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU)geht davon aus, man habe die Reichsbürger im Griff. (imago / Aleexander Pohl)                           

Von den 2018 bundesweit rund 19.000 registrierten Reichsbürgern lebt jeder vierte ausgerechnet im „Sicherheitsland Nr. 1“, wie es in der staatlichen Eigenwerbung heißt, nämlich in Bayern. „Weil wir intensiver als andere Bundesländer kontrollieren, entdecken wir auch mehr“, preist der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seine „harte Linie“: einheitliche Überwachung, konsequenter Waffenentzug. Dabei rechnet er im September noch mit anderen Zahlen:

„Nein, wir unterschätzen die nicht, sondern wir gehen ja konsequent vor. Und im Moment über
3000 Personen, die wir in Bayern dem zuordnen, sind schon eine erhebliche Zahl. Auf der anderen Seite 3000 von 13 Millionen Menschen, die in Bayern leben, ja nun auch eine kleine, verschwindend kleine Minderheit. Und deshalb bin ich sicher, dass unser Rechtsstaat mit denen fertig wird.“   
Ein Kapitel für sich im Verfassungsschutzbericht

Alles im Griff, behauptet Joachim Herrmann. Das Dilemma sei, dass sie nicht organisiert seien, mit Mitgliedschaft, Vorstand und so. Man registriere eben die „unterschiedlichsten Ausprägungen von Reichsbürgern“. So steht es im Bayerischen Verfassungsschutzbericht von 2017, wo sie zum ersten Mal erwähnt werden. Aber warum eigentlich in einem dürren Extrakapitel zwischen 40 Seiten „Rechtsextremismus“ und 60 Seiten „Linksextremismus“ und nicht einfach unter dem Gesamtkapitel „Rechtsextremismus“? Der zuständige bayerische Innenminister:

„Weil sie eben eine ganz eigene Art haben. Wir müssen in allen Bereichen differenzieren. Wir differenzieren auch auf der linken Seite, da kann man auch nicht jede antifaschistische Gruppierung mit jeder marxistisch-leninistischen Gruppierung in einen Topf werfen.“                               

Während die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, vehement fordert, nicht nur mit Repression, sondern auch mit Aufklärung der ideologisch vernetzten, Demokratie zersetzenden „Reichsbürger“-Gefahr zu begegnen, bleibt die Frage, wie man überhaupt an die „Reichsbürger“ rankommt. Wie auch die Recherche zu dieser Sendung gezeigt hat, scheuen sie die Öffentlichkeit, die nicht von ihnen selbst produziert wird.

Erster Kontaktversuch: Landsham bei München
Erster Versuch. Die Ortschaft Landsham, Gemeinde Pliening, zwanzig Kilometer östlich von München, Richtung Niederbayern. Knapp 2200 Einwohner, viele Pendler, viele Zugezogene.

Auf der Hauptstraße donnert der Durchgangsverkehr. Das bescheidene Haus Nummer 15 liegt etwas abgeschottet hinter mächtigen Bäumen und Sträuchern in einer Öko-Oase mit kleinem Gewächshaus im Garten und Sonnenkollektoren auf dem Dach. Hier also residiert das „Innenministerium“ des „Bundesstaats Bayern“. Genauer, die 49-jährige Monika Sedlmeir firmiert unter dieser Adresse laut Internet als „Innenministerin“, ihr 51-jähriger Lebensgefährte Georg Zellermayr als „Minister für Besonderes“. Er ist erst vor einigen Jahren in das Haus von Mutter Sedlmeir gezogen, das jetzt laut Internet zugleich die „Zentrale Verwaltung“ im selbst erklärten „Bundesstaat Bayern“ ist. So steht es auch auf dem Briefkasten. Inklusive Fantasiewappen des Fantasiestaats.

(picture alliance / Matthias Balk/dpa)Fantasiewappen und Fantasieverwaltung: ein Reichsbürgerhaus in Pliening (Bayern). (picture alliance / Matthias Balk/dpa)

„Bundesstaat Bayern“, „Bundesstaat Baden“, „Bundesstaat Württemberg“, „Bundesstaat Sachsen“, sie gehören irgendwie alle zum „Staatenbund Deutsches Reich“. Vier Razzien im letzten Jahr wegen banden- und gewerbsmäßig begangener Urkundenfälschung in 40 Wohn- und Geschäftsräumen in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Ermittlungen ergaben zudem eindeutige Anhaltspunkte für den Aufbau einer eigenen Finanzverwaltung und eines Gewerbeamtes innerhalb der, wie es heißt, „gut vernetzten“ Reichsbürger-Bewegung. Der Handel mit den Fantasieausweisen aus der Landshamer Wohnzimmer-, pardon, „Bundesdruckerei“, floriert bestens. Ein sogenannter „Staatsangehörigenausweis“ kostet zum Beispiel 42.50 Euro, die „Stempelsteuer“ für den „Reisepaß“ 79 Euro, umgerechnet laut Tabellenliste, im Internet: 7.90 Reichsmark. Es läuft bei den „Reichsbürgern“ eben alles über das Internet.
„Ich will nicht mit Ihnen sprechen“

Durch das quietschende Holztor geht es hinten die Holztreppe hoch, am Wäschekorb vorbei. Die Tür steht etwas auf, dahinter das abgedunkelte Wohnzimmer. Klingeln. Die „Innenministerin“ kommt an die Tür, freundlich, neugierig, einem Gespräch gar nicht so abgeneigt, als auch schon ihr Lebensgefährte wenig freundlich die Reporterin anherrscht, dass sie nicht mit Journalisten reden. Und sofort sein Grundstück zu verlassen sei. War wohl nicht der richtige Zeitpunkt, so kurz nach der letzten Razzia. Ein paar Wochen später ein weiterer Versuch:

„Hallo!“
„Sie waren schon mal da.“
„Ich war schon mal da.“
„Ich will nicht mit Ihnen sprechen, immer noch nicht. Das ist alles veröffentlicht. Sie können nachgucken. Also, es gibt keine Statements dazu. Ganz einfach. Danke. Wiederhören.“
„Aber Sie müssen doch auch interessiert sein, dass man informiert wird.“
„Ja, ja.“
Gehen Sie besser nicht allein dorthin, rät der Bürgermeister

Bürgermeister Roland Frick kann „sich den Ruhm sparen“, ein „Innenministerium“ in seiner Gemeinde zu haben. Er ist erleichtert, dass es nur zwei Leute sind und bei den Razzien Drucker und Computer, aber keine Waffen gefunden wurden. Dennoch rät er der Reporterin, nicht unbedingt allein zum Haus des „Innenministeriums“ zu gehen.

Sowieso erzählt Roland Frick viel lieber von der überwältigenden Hilfsbereitschaft seiner Landgemeinde für die vielen Flüchtlinge im Sommer 2015. 65 pro Woche, die zu ihnen über die österreichische Grenze kamen. Der gestandene, seit sechzehn Jahren amtierende Bürgermeister, der noch das C und S und U seiner Partei lebt, ist ratlos. Man kennt sich doch, die Monika ist hier geboren und aufgewachsen, im Dorf verwurzelt. Ihr Lebensgefährte an sich unauffällig. Und dann das:

„Ich meine mich zu erinnern, das war im Sommer 2014, waren eine Frau und ein Mann da und haben gemeint, ich sollte ihren Ausweis nehmen, beziehungsweise, sie übergaben mir ein Schriftstück, dass sie den Freistaat Bayern nicht anerkennen. Ich kannte ja die beiden von der Gemeinde und dachte erst, das ist ein Joke. Das war's aber nicht, die waren sehr penetrant. Ich hab mir wirklich lange Zeit genommen, aber, ich will es mal so sagen, die beiden waren so beratungsresistent. Sie müssen das annehmen, war die Aussage. Sie sind Bürgermeister, Sie müssen, nein, ich muss nicht, und ich nehm auch nichts an. Und dann sind sie gegangen. Und dann haben sie aber unten im Hausflur jemanden erwischt und haben des abgegeben. Ja, seit der Zeit haben wir den Personalausweis und den Reisepass da, den keiner mehr will.“ 
Zweiter Kontaktversuch: Unterthingau im Allgäu

Reichsbürger, zweiter Versuch.

Unterthingau, Landkreis Ostallgäu. Tatsächlich liegt Unterthingau von München aus im Westen, gute 120 Kilometer entfernt. Schönstes Voralpenland. Auch hier steht die Kirche mitten im Dorf. Gut 1700 Einwohner, eine durch junge Familien und Zugezogene, inklusive 40 Flüchtlinge prosperierende, mit vielen Vereinen ausgefüllte Dorfgemeinde.

Gegenüber am „Kirchenweg“ liegt der „Funkahof“, ein riesiges Bauerngehöft, 248 Quadratmeter Wohnfläche, 4000 Quadratmeter Grund. Hinter dem Haus im idyllischen Garten mit Gewächshaus und frei laufenden Hühnern ist eine „Sphärenharmonieanlage“ aufgebaut. Chemtrails – im Reichsbürgerjargon die die Atmosphäre vergiftenden Kondensstreifen der Flugzeuge – sollen durch diese sechs Meter hohen Stahlrohre aufgelöst werden, so dass die Luft „in einem Umkreis von 500, mindestens aber 200 Kilometern“ wieder „rein“ wird. Sie soll – Zitat – „harmonisierend, Frieden auslösend auf Menschen und Tiere wirken“.

Vor dem Haus steht ein Glasschaukasten, in dem auf der einen Seite für einen Biobauern geworben wird und auf der anderen Seite eine sibyllinisch formulierte „Hausordnung“ geheftet ist, unterschrieben mit „Der Reichsbürger“. Am Briefkasten klebt nochmal ein großer Zettel, worauf „angebliche Amtspersonen von Finanzamt, Landratsamt, Amtsgericht, Polizei, Gerichtsvollzieher, Zoll etc. vollständiges Haus- und Grundstücksverbot haben“.

Schaukasten mit dem Text: "Die Hausordnung auf diesem Anwesen. auf diesem anwesen leben die geistigen, sittlichen, körperlich inkarnierten Wesen der Schöpfung. Hier gelten die Gesetze der Bibel, dies entspricht der höchsten Rechtsebene auf diesem Planeten Erde." (Deutschlandradio / Rosemarie Bölts)Sibyllinischer Text: Hausordnung bei Harry Lipke auf dem „Funkahof“. (Deutschlandradio / Rosemarie Bölts)

Klingeln an der Tür von Harry Lipke, im Internet auf der Homepage unter „Vigeo Domus“, „Atrium Optio“ und „ViaVicesco“ mit Seminar- und Kursprogramm als „Geistheiler und Lebensberater für Menschsein“ zuständig. Eigentümer des Anwesens mit den unverhohlenen Reichsbürger-Hinweisen:

„In dem Schaukasten hängt eine Hausordnung. Was lachen Sie?“
„Also, über den Aushang möchte ich mich nicht äußern.“
„Aber der ist doch von Ihnen? Der gilt doch hier?“
„Der gilt hier, ja. Woher kommen Sie denn?“
„Aus München.“
„In welcher Funktion?“
„Ich bin Journalistin und mache eine Sendung.“
„Dann möchte ich das hier jetzt beenden.“
„Warum?“
„Ja, ich hab meine Gründe, kann sie Ihnen nicht nennen, will ich auch nicht. Aber ich hab mit Journalisten aus München schlechte Erfahrungen gemacht, und die brauche ich nicht nochmal. Ich möchte es dabei belassen. Wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ich möchte es jetzt beenden, ja, okay?“
„Aber welche schlechten Erfahrungen haben Sie denn gemacht?“
„Kein Kommentar. Wünsch Ihnen ‚nen schönen Tag…“
„Fragen Sie Frau Merkel!“

Während die Reporterin sich trotzdem die etwas verwahrloste „Sphärenharmonieanlage“ anschauen darf, hat „der Mensch Harry“ – so nennen sich Reichsbürger untereinander – schnell die „Hausord-nung“ aus dem Schaukasten entfernt. Also nochmal Klingeln, nachfragen.

„Also, mit dem Reichsbürger haben Sie jetzt nichts zu tun?“
„Was sind denn Reichsbürger?“
„Das steht drunter. Ich dachte, Sie könnten mir das sagen.“
„Weiß ich nicht.“
„Wissen Sie nicht?“
„Ich weiß es nicht, was Reichsbürger sind, drum frag ich Sie, wenn Sie danach fragen.“
„Weil es unter der Hausordnung steht.“
„Ja, und? Fragen Sie die Frau Merkel!“
„Wie bitte?“
„Fragen Sie die Frau Merkel!“
„Die Bundeskanzlerin?“
„Ja, natürlich.“
„Ja, aber Sie…“
„Moment, Moment, ich möchte mich nicht weiter äußern. Lassen Sie mich bitte in Ruhe!“
„Da steht ‚Der Reichsbürger‘, und ich frag Sie, was damit gemeint ist.“
„Ich wünsch Ihnen einen schönen Tag!“

Keine Chance für den Sphären-Flüsterer

„Der Mensch Harry“ kam mit seiner Frau Erika, zuständig für „Bewusste Lebensnahrung“, hauptberuflich in der Krankenpflege, vor fünf Jahren aus dem württembergischen Geislingen nach Unterthingau, was seinen Reichsbürger-typischen Namen auf der Webseite erklärt: „Harry von Geislingen“. Seine Veranstaltungen haben starken Zulauf. Gerade an den Wochenenden standen da immer so um die dreißig Autos mit Kennzeichen hauptsächlich aus Baden-Württemberg, Hannover, Niederbayern, Österreich und der Schweiz. Große Autos, berichten zwei Rentner aus der Nachbarschaft:

„Er erzählt, er habe eigene Kräfte. Er geht da spazieren, Kraft tanken, Sport in den Bergen, irgendwie versucht er… mit Magik irgendwie… Also, wir zwei brauchen keine Magik, wir sind selber stark.“                                                                                                                                                         

Bodenständig und handfest sind nicht nur die Nachbarn. Keine Chance im Dorf für den Sphären-Flüsterer: „Der war sehr viel bei mir, jede Woche einmal, zweimal, ob ich mal rumkomme tät, wenn sie so Gemeinschaften haben, das sei hochinteressant und – ach, ich schau mal. Die Leute gefallen mir nicht so.“

Obwohl sich der Harry wirklich bemüht, im Tischtennisverein TSV Unterthingau spielt, Tage der „Offenen Tür“ veranstaltet, und überhaupt eine gute Nachbarschaft pflegt, in der man sich gegenseitig aushilft und mehr als nur „Grüß Gott“ sagt:

„Der wollte es klein anfangen, mal den, mal den. Und wenn du ein paar Bürger hascht, und die Bürger sind für den, dann kannst du auch mehr überzeugen. Dann kommst du auch anders an, du, das ist super. Das machen wir auch. So funktioniert das ja auch bei denen, gell.“                           

Für „Quatsch“ hält der Nachbar auch, dass der Harry den Leuten einreden wollte, keine Steuern mehr zu zahlen: „Er war immer bestrebt, dass du auch seine Gesinnung annimmst. Da war auch eine Mieterin drin, zu der hat er gesagt, entweder du wirscht Reichsbürgerin, oder du musst ausziehn!“

Die Untermieterin ist ausgezogen.
Inzwischen zwangsversteigert: der Funkahof

Vor der Nachbarschaft hat sich der 69-jährige Harry Lipke nie als „Reichsbürger“ vorgestellt. Aber im Internet taucht er, wenn man sich durch die einschlägigen Seiten mit den immer wiederkehrenden Denkschablonen klickt, als Mitglied beim „Staatenbund Deutschland“ auf. Die alte Leier:

„Es hängt von unserem Bewusstsein ab, was geschieht und wie es funktioniert“, es geht um „Informationen in den Energien“, um sich „mit sprachlich-kulturell identischen Menschen vom Staat zu befreien“ und eigene „Staatsbünde“ auf den auf „Homogenität aufbauenden Sitten und Gebräuchen“ zu gründen.

Zum Beispiel den „Bundesstaat Bayern“ in Landsham, der auch zum „Staatenbund Deutschland“ zählt. Inzwischen ist diese Webseite wie auch die Homepage von Harry Lipke gelöscht. Die Sphärenanlage hat nicht funktioniert. Der Rechtsstaat in diesem Fall dann doch. Ende Oktober wurde der „Funkahof“ zwangsversteigert.

Dritter Kontaktversuch: Bolsterlang

Reichsbürger. Noch ein Versuch. Von Unterthingau aus sechzig Kilometer weiter in den sprichwörtlich hintersten Winkel des Oberallgäus, nach Bolsterlang. Fünf Gasthöfe, ein Dorfladen, eine Feuerwehr, eine Bushaltestelle. Bolsterlang hat zwar nur 1150 Einwohner, aber 215.000 Übernachtungen pro Jahr. Berühmtes Skigebiet, beliebtes Wanderziel. Viele, sehr viele Fremde also, die schon seit sehr vielen Jahren Urlaub in Bolsterlang machen. Und dann: 2015. Bolsterlang soll fünfzehn Flüchtlinge aus Nigeria aufnehmen, Familien mit Kindern. Wie Unterthingau, wie Landsham, wie jede Kommune. Nur Bolsterlangs Bürgermeisterin bekommt Angst. Vor den Flüchtlingen. Um ihr Häuschen. Biobauer Ulrich Leiner aus dem Nachbardorf kennt nicht wenige, die solchen Angstmacher-Vorträgen im Oberallgäu glaubten:

„Die Welle ist irgendwie aus der Schweiz rübergeschwappt. Und ganz interessant sind die Vorträge. Da wurde ihnen doch gesagt, bei uns hier im Allgäu, dass mein Eigentum in Gefahr ist. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland wird nicht anerkannt, und unser Hab und Gut gehört uns im Prinzip rechtmäßig nicht. Dass jeder, der sein Häusle hat mit seinem Gartenzaun, sagt, um Gottes Willen! Ich muss jetzt was tun, ich hol mir diesen berühmten Gelben Schein zur Sicherung meines Eigentums.“         
Die Bürgermeisterin wurde suspendiert                 

Bolsterlangs Bürgermeisterin Monika Zeller besuchte schon 2015 im benachbarten Bezigau den „All-Stern“-Kongress des gleichnamigen, rechtsesoterischen Verlags. Im Frühjahr 2016 stellte sie den Gemeindesaal in Bolsterlang für den bekannten Reichsbürger Markus Hailer zur Verfügung und nahm an dessen Vortrag teil. Dann hat sie den „Gelben Schein“ für sich und ihre beiden erwachsenen Söhne im Internet runtergeladen und mit Angaben wie „Staatsangehörigkeit: Königreich Bayern“ und „Wohnort: Deutschland als Ganzes“ in den „Grenzen von 1913“ ausgefüllt. Dazu beantragte sie den kleinen Waffenschein.

Das war vielen Bolsterlangern zuviel. Lautstark demonstrierten sie durch die Dorfstraße mit Schildern, auf denen sie forderten: „Intelligenz im Rathaus“ und „Deutsches Reich – das hatten wir doch schon mal…?“ und „Der Klotz eiert rum und stellt sich dumm“. Medien aus der ganzen Republik und dem Ausland reisten an und berichteten. Unter diesem Druck handelte auch Landrat Anton Klotz und meldete den Fall der Landesanwaltschaft im fernen München:

„Wir müssen natürlich wissen, dass da ein riesiger, öffentlicher Hype entstanden ist. Das war ja direkt eine Initiative der Bevölkerung, von Menschen aus ihrer Heimatgemeinde, die massiv Klage erhoben, es gab da ja Demonstrationsveranstaltungen, und das hat uns zwangsläufig dazu veranlasst, dass wir handeln und entsprechend das ganze Verfahren dann auch nicht mehr selber bearbeiten. In diesem Fall geht's ja um eine Mandatsträgerin, um eine Bürgermeisterin.“
Imageschaden für den Ferienort                                                         

Das schmucke Häuschen von Monika Zeller steht mitten im Dorf am Ende einer Sackgasse mit idyllischem Garten und einer traumhaften Sicht auf das Alpenpanorama. Klingeln nützt nichts. Niemand öffnet. Ans Telefon geht auch niemand. Ihr Anwalt, der als Mitglied der Freien Wähler im Kreistag sitzt und stellvertretender Landrat ist, läuft schimpfend vor der Reporterin weg. Monika Zeller ist auf Tauchstation gegangen.

Seit dem 19. Juni 2018 ist die Bürgermeisterin suspendiert. Zehn Jahre war sie im Amt, zwei fehlen ihr noch bis zum Rentenanspruch. Sie hat Widerspruch im Disziplinarverfahren eingelegt. Landrat Anton Klotz, CSU, sagt: „Im Nachhinein, aus menschlicher Sicht tut es mir wirklich leid, dass es so gelaufen ist. Weil die Frau Zeller als Reichsbürgerin bezeichnen, das wär völlig absurd.“                                                     

Der Medienrummel war das eigentlich Schlimme. Ein Imageschaden. Da passt es gar nicht, dass ein halbes Jahr später – „schon wieder!“ – eine Journalistin mit Mikrofon auftaucht. Allgemeines Aufstöhnen: Muss das sein? Es muss. Schließlich ist die suspendierte Bürgermeisterin immer noch Mitglied im Kreistag des Landkreises Oberallgäu. Wie in der Gemeinde Bolsterlang auch hier auf der Liste der Freien Wähler. Seit der Suspendierung hat sie sich krankschreiben lassen.
„Sie ist definitiv keine Reichsbürgerin“

Es sei „nicht normal“, wie man mit Monika Zeller umgeht, zürnt Hugo Wirthensohn, Kreisvorsitzender der Partei und Vize-Chef der Bezirksvereinigung Freie Wähler:

„Wir wissen, sie ist definitiv keine Reichsbürgerin. Und deswegen haben wir auch gesagt, es gibt überhaupt keinen Grund, sich von ihr zu distanzieren. Überhaupt nicht.“                               

Nur der Biobauer Ulrich Leiner, für die Grünen in der letzten Amtsperiode im Landtag und als amtierender Kreisrat Amtskollege von Monika Zeller, vermisst die politischen Konsequenzen:

„Was sie gemacht hat, ist juristisch bewertet. Und diese juristische Bewertung hat zu einer Folge geführt, nämlich, dass sie ihr Bürgermeistermandat verloren hat. Die Bürger haben sie aber auch in den Kreistag gewählt, nicht wissend, was sie da mit den Reichsbürgern da am Hut hat oder wie der Zusammenhang zwischen ihnen besteht auch im Kreistag. Wenn sie wirklich Mumm hätte, dann wäre es von ihr nobel, und es wäre auch vernünftig zu sagen, okay, dann verlasse ich auch den Kreistag.“                                                                                                                                                                         

Am 25. Januar 2019 erschien Monika Zeller überraschend wieder in ihrem Bürgermeisterbüro in Bolsterlang. Einen Tag zuvor hatte das Bayerische Verwaltungsgericht München ihrem Eilantrag stattgegeben, die am 19. Juni 2018 erfolgte Suspendierung „vorläufig“, das heißt bis zum Hauptsacheverfahren, auszusetzen.

Ein Schild mit der Aufschrift "öffentliche Sitzung", aufgenommen am 30.04.2014 in München (Bayern) im Amtsgericht. Foto: Tobias Hase/dpa (picture alliance / dpa / Tobias Hase)Auch bei der Verhandlung gegen Gabriele Paul, die ein CSU-Plakat zerfetzt haben soll, ist Reporterin Rosemarie Bölts dabei. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
                                                                                                                                                             
Amtsgericht München, 28. November 2018. Strafsache 840 CS 115 Js 146999/18. Angeklagt ist Gabriele Paul, 62 Jahre, Angestellte im Öffentlichen Dienst, wegen Sachbeschädigung. Streifenpolizisten haben sie dabei erwischt, wie sie ein Wahlplakat der CSU mit dem Messer zerfetzt hat. Den Polizisten soll sie erklärt haben, sie sei Reichsbürgerin und müsse deshalb ihre Fragen nicht beantworten.

Auf den Zuhörerbänken sitzt der eindeutig zugehörige „Fanclub“, vier eher derb aussehende Männer und ein elegant gekleidetes Paar um die 50. Nach dem Prozess werden sie alle zusammen mit der Angeklagten noch lange auf dem Gerichtsflur das Verfahren besprechen, bis die Reporterin mit dem Mikrofon auftaucht und sie äußerst aggressiv werden.

Vier junge Wachbeamte sollen im Sitzungssaal aufpassen. Einer bemerkt, dass der gut gekleidete Mann die Gerichtsverhandlung mit seinem Smartphone aufnimmt. Interessiert die Richterin nicht wirklich. Ein anderer Wachmeister hält zusammen mit dem „Fanclub“ lieber die Reporterin, mit ihrem abgeschalteten Aufnahmegerät klar und deutlich identifizierbar, fest im Blick.

Die junge Staatsanwältin, die ältere Richterin und die junge Anwältin sind sich schnell einig. Das zerfetzte Wahlplakat ist eine Bagatelle, im Übrigen so gut wie eigentlich nicht bewiesen, und der „Reichsbürger“-Vorwurf wird gleich ganz unter den Tisch fallen gelassen.
Freispruch – der „Fanclub“ ist zufrieden

Einer, der eifrig in der Zuhörerbank ein „Protokoll“ geschrieben hat, danach auf dem Gerichtsflur:

„Na, die Anwältin hat nen guten Job gemacht, und die Richterin erst recht, oder?“
„Warum haben Sie mitgeschrieben?“
„Kontrolle…“
„Kontrolle der Rechtsorgane?“
„Genau, der Verwaltung, der BRD-Verwaltung. Warum nicht. Wird doch mal Zeit, oder? Hat ‚nen guten Job gemacht, die Richterin. Weiß nicht, ob Sie das mitgekriegt haben, hab mich bei ihr noch bedankt!“                                                               

Und die nach Einstellung des Verfahrens so gut wie freigesprochene Reichsbürgerin? Schon wieder ein Déjà-vu:

„Darf ich Sie noch…?“
„Hauen Sie ab! Ich will nicht, dass Sie mich da aufnehmen!“
„Und warum nicht? Ich darf Ihnen doch eine Frage stellen.“
„Nein, dürfen Sie nicht!“
„Das ist ‚ne freie Meinungsäußerung, und ich will auch nicht.“
„Und warum wollen Sie nicht?“
„Weil…, das ist meine Privatsache, und das muss reichen.“
„Sie wissen doch gar nicht, was ich Sie fragen will.“
„Nein, ich sage nichts, ich will nichts sagen. Ich fühle mich belästigt von Ihnen! Können wir da was machen? Ich will nichts sagen!“

So sind sie, die Reichsbürger. Und was können wir da machen?
[close]
https://www.deutschlandfunkkultur.de/bei-den-reichsbuergern-brd-nein-danke.976.de.html?dram:article_id=439494
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Offline TatjanaIrminkova

Re: Presseschnipsel
« Antwort #4835 am: 28. Januar 2019, 19:53:28 »
Hallo ihr Lieben

Mit diesem Presseschnipsel:
https://ze.tt/mit-ihrer-hetze-gegen-greta-thunberg-entlarven-sich-ihre-gegner-nur-selbst/
der zwar auf den ersten Blick nicht ganz soviel mit dem Klientel zu hat, sondern eher mit Weltpolitik im allgemeinen und (deutschsprachigen) shitstürmen im Besonderen, wende ich mich mit einer Frage oder mehreren an das SSL Schwarmwissen ... so als Hort der reinen Vernunft ;):

a) wie beurteilt ihr diesen Hype um die junge Aktivistin? (ich seh es als Mutter einer gleichaltrigen tatsächlich zwiegespalten)
b) wie weit ist sie eurer Ansicht nach meinungsauthark? (soweit man das mit 16 sein kann)
c) was ist drann (und damit wären wir beim SSL Klientel) an der Behauptung einiger eher rechtskonservativer Softaluhüte, dass die junge Dame nur die Gallionsfigur einer sehr radikalen Umweltschutzorganisation sei?
(ich finde dazu keine - in meinen Augen zuverlässigen - Quellen, dafür, aber even auch keine entkräftenden)

Grund:
Meine 16 jährige muss dazu in der Schule referieren
 

Offline Arno

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4836 am: 28. Januar 2019, 21:16:57 »
War glaub ich noch nicht hier? Ein Grüner hat vor ein paar Tagen mehr als hundert Medizinern (weil sie seine Meinung nicht teilen) "Reichsbürger-Niveau" unterstellt und der Focus hat es heute aufgegriffen: https://www.focus.de/auto/news/abgas-skandal/stickoxid-debatte-wer-grenzwerte-infrage-stellt-ist-reichsbuerger-gruener-rastet-auf-twitter-aus_id_10240610.html

@TatjanaIrminkova

Zitat
a) wie beurteilt ihr diesen Hype um die junge Aktivistin? (ich seh es als Mutter einer gleichaltrigen tatsächlich zwiegespalten)
Großartig! Die jungen Leute haben das Recht, die älteren Generationen in die Schranken zu weisen, wenn diese auf die Kosten der Kinder und Kindeskinder den Planeten zerstören. Junge "Vorkämpfer" sind mir da auf jeden Fall sympathischer als alte Säcke.

Zitat
b) wie weit ist sie eurer Ansicht nach meinungsauthark? (soweit man das mit 16 sein kann)
Ich habe von ihr noch nie etwas dummes gehört oder gelesen. Und da ich meine, dass man mit 16 ruhig auch wählen können soll... Finde gut wenn junge Leute sich politisch engagieren. Ob die Eltern hier nicht doch irgendwie Einfluss nehmen, wissen wir letztlich nicht, aber das wir es nicht wissen, kann kein Grund sein, demokratisches Engagement einer 16 jährigen nur aufgrund dieser theoretischen Möglichkeit (die ja auch bei Ü18 gegeben ist) anzuprangern.

Zitat
c) was ist drann (und damit wären wir beim SSL Klientel) an der Behauptung einiger eher rechtskonservativer Softaluhüte, dass die junge Dame nur die Gallionsfigur einer sehr radikalen Umweltschutzorganisation sei?
(ich finde dazu keine - in meinen Augen zuverlässigen - Quellen, dafür, aber even auch keine entkräftenden)
Irrelevant ob sie mit irgendeiner Organisation sympathisiert oder irgendwo Mitglied ist. Beides ihr gutes Recht. Wir hatten damals auch unsere (teils minderjährigen) Helden, die viel radikalere Aktionsformen gewählt haben und damit Nachahmer auf den Plan riefen ( https://www.bi-luechow-dannenberg.de/2018/12/05/der-betonblock-von-2001/ ). Gretas Widerstand (der nicht einmal Sabotage und Sachbeschädigungen mit einschließt) zu diskreditieren, führt zu Solidarisierung und Radikalisierung anderer junger Menschen - sollen die braunen Aluhüte also ruhig heulen, kann der Zukunft des Planeten nur gut tun.

Just my 2 Cents...
« Letzte Änderung: 28. Januar 2019, 22:19:53 von Arno »
„Die Forderung einer großen Mehrheit der Bürger dieser Vereinigten Staaten vorwegnehmend, ernenne ich, Joshua Norton, [...] mich selbst zum Kaiser dieser Vereinigten Staaten." 17.09.1859
 
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Offline Reichsschlafschaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4837 am: 29. Januar 2019, 09:20:15 »
Der Artikel verbirgt sich hinter einer Bezahlschranke, aber an dem, was zu lesen ist, sieht man schon, welch herausragendes Exemplar ad unterwegs war:

Zitat
Marktredwitz
Nach Hitler-Gruß in den Knast
Ein 36-Jähriger aus dem Landkreis Wunsiedel verwirkt seine Bewährungsstrafe. Er pinkelt in die Polizeiwache, beleidigt Beamte und die Kanzlerin.
https://www.frankenpost.de/region/fichtelgebirge/fichtelgebirge/art654373,6544386
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Offline Rabenaas

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4838 am: 29. Januar 2019, 09:34:44 »
Zitat
Er pinkelt in die Polizeiwache...

Na der Spaß mußte ihm ja auch was wert sein!  :pottytrain5:
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 

Offline Reichsschlafschaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4839 am: 29. Januar 2019, 10:26:07 »
Was man halt so macht, weil man es schon immer so gemacht hat und weil andere es auch machen.
Das kann doch nicht strafbar sein!    :o


Zitat
Mann soll Hitlergruß gezeigt haben - ein zweiter hatte ein Messer dabei
Sein Verhalten bei einer Demonstration am 27. August 2018, organisiert von der in Teilen rechtsextremen Bewegung Pro Chemnitz, könnte für einen 23-Jährigen ein Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er an der Brückenstraße zweimal den Arm zum Hitlergruß erhoben und einmal "Heil Hitler" gerufen haben soll. Deswegen musste sich der Mann mit abgebrochener Maurerlehre am Montag vor Gericht verantworten. "Es könnte so gewesen sein", sagte er zu den Vorwürfen. Schließlich habe er das früher schon gemacht. Außerdem habe auch der Mann neben ihm bei der Demo "dauernd 'Heil Hitler'" gerufen. "Da könnte mir das auch rausgerutscht sein", sagte er. Erinnern könne er sich allerdings nicht, da er sehr betrunken gewesen sei. Darum entschied der Richter, die Verhandlung auszusetzen und einen neuen Termin zu finden, zu dem Polizisten als Zeugen gehört werden sollen. Der Angeklagte war bereits im April 2018 wegen einer anderen Straftat zu einer Bewährungsstrafe und Arbeitsstunden verurteilt worden. Der Vorfall auf der Demo ereignete sich innerhalb der Bewährungsfrist, ebenso wie ein zweites Delikt, das in Kürze verhandelt werden soll. Der Richter gab dem Angeklagten zu verstehen, dass sich diese Tatsache negativ auf das Urteil auswirken könne. Der Angeklagte sagte, er sei auf einem guten Weg und habe sein Alkoholproblem fast im Griff. Als Vater zweier Kinder wolle er Vorbild sein und eine Entgiftung antreten. "Dass Sie den Alkohol im Griff haben, sagten Sie bereits im April 2018", gab der Richter zu bedenken.

In einer zweiten Verhandlung musste sich ein 56-Jähriger verantworten, der am 7. September 2018 auf dem Weg zur Demo von Pro Chemnitz an der Brückenstraße von Polizisten kontrolliert worden war. Er trug ein Feuerzeug bei sich, das auch über eine fünf Zentimeter lange Klappmesser-Klinge verfügt. Damit verstieß er gegen das sächsische Versammlungsgesetz, das Waffen bei Demonstrationen verbietet. Das Verfahren wurde eingestellt, im Gegenzug verzichtete der Leipziger auf die Rückgabe des Messers und stimmte der Zahlung von 100 Euro an die Staatskasse zu. Jedoch machte der Mann mehrmals deutlich, er sei das Opfer von Polizeigewalt. Dass er nun 100 Euro zahlen müsse, sei Diebstahl, denn das Messer-Feuerzeug trage er seit zehn Jahren immer bei sich. Er habe nie die Absicht gehabt, damit jemanden zu verletzen.
https://www.freiepresse.de/chemnitz/anhaenger-von-pro-chemnitz-vor-gericht-artikel10431817
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Offline Reichsschlafschaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4840 am: 29. Januar 2019, 12:32:35 »
Rüdis Kameratte und Freizeitbrandstifter war schonmal kurz Thema hier.
Man mußte ihn wegen  zu langer Verfahrensdauer aus der Haft entlassen.
Jetzt will er auch noch Haftentschädigung!
Was man wohl nicht verhindern kann, falls sie ihm zusteht.


Zitat
Nach Brandstifter Maik Schneider (31, Ex-NPD-Politiker) winkt zahlreichen weiteren Straftätern die Haftentlassung – weil die Justiz überlastet ist. Neonazi Schneider fordert jetzt sogar Haft-Entschädigung!

Kommen in Brandenburg jetzt noch 73 Straftäter frei, weil die Justiz nicht hinterher kommt? Justizminister Stefan Ludwig (51, Linke) ist in Erklärungsnot. Beim Linke-Parteitag kam Ludwig am Samstag noch mit einem blauen Auge davon – mit dem letzten sicheren Listenplatz für die Landtagswahl. Doch im Potsdamer Landtag wird der Minister heute vom Rechtsausschuss gegrillt.

Mehrfach droht Verjährung
Ludwig muss gestehen, dass 73 (!) weitere Straftäter wegen Justiz-Überlastung vorzeitig entlassen werden könnten. In sechs Verfahren droht sogar die Verjährung, weil die Gerichte zu langsam waren. Doch der Minister sorgte nicht für mehr Personal – obwohl ihm allein das Potsdamer Landgericht seit 2016 zehn Überlastungs-Anzeigen schrieb.
https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/entlassener-neonazi-brandstifter-fordert-haftentschaedigung


Das ist wohl kein "typisch ostdeutscher" Fall, sondern wohl auch im Westen mangels Personal weit verbreitet, wie eine Entscheidung des BVerfG zeigt, die sogar dem zuständigen OLG noch eins mitgibt:

Zitat
Mehr Tempo in Haftsachen
29.1.2019   

Wie es ausschaut, verliert das Bundesverfassungsgericht zunehmend die Geduld mit der schleppenden Bearbeitung von Haftsachen – wie sie an vielen Gerichten leider Alltag ist. In einem aktuellen Beschluss betont das Gericht nochmals in aller Deutlichkeit, dass in Haftsachen mindestens einmal in der Woche zu verhandeln ist. Wobei die Betonung auf mindestens liegt.

In einem Mordfall sitzt der Angeklagte seit Mai 2016 in Untersuchungshaft. Das Verfahren musste einmal komplett neu aufgerollt werden, weil der Vorsitzende Richter nach 23 von 25 geplanten Verhandlungstagen erkrankte. Die unvorhersehbare, schwere Erkrankung eines Richters kann nach dem Gericht zwar ein Grund sein, dass sich die Verhandlung verzögert. Allerdngs schaffte es auch die neu zusammengesetzte Strafkammer dann in der Folge nur, an 0,65 Tagen in der Woche zu verhandeln. Wobei hier schon etliche Verhandlungstage eingerechnet sind, an denen nicht substanziell verhandelt wurde, wie die Richter in ihrem Beschluss anmerken.

An der Untergrenze von einem Verhandlungstag pro Woche dürfte nach dieser Entscheidung kaum noch zu rütteln sein. Erneut betont das Verfassungsgericht auch, dass es nicht ausreicht, wenn möglicherweise überlasteten Strafkammern zusätzliches Personal zugewiesen wird (hier eine Richterstelle mit dem stolzen Faktor von 0,2). Vielmehr müssten die Entlastungsbemühungen eine klare Struktur aufweisen – und auch im konkreten Fall Erfolg zeigen. Insgesamt macht das Gericht deutlich, dass fehlende Ressourcen der Justiz kein Haftverlängerungsrecht mit sich bringen.

Deutliche Kritik übt das Verfassungsgericht auch am Pfälzischen Oberlandesgericht in Zweibrücken, welches die Verhandlungsfürung durch die Strafkammer weitgehend kritiklos absegnete. Hier vermisst das Gericht in weiten Teilen eine „tragfähige Begründung“. Das kann man getrost als Warnung an die Gerichte verstehen, welche auch in Haftsachen eher losgelöst vom Einzelfall arbeiten und lieber auf bewährte Textbausteine zurückgreifen (Aktenzeichen 2 BvR 2429/18).
https://www.lawblog.de/index.php/archives/2019/01/29/mehr-tempo-in-haftsachen/
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4841 am: 29. Januar 2019, 12:37:30 »
Haftenschädigung gäbe es nur, wenn er zu einer geringeren Haftstrafe als die Dauer der Untersuchungshaft verurteilt werden würde. Das ist aber nicht zu erwarten, außer die trödeln noch weiter rum.

 

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4842 am: 29. Januar 2019, 14:39:19 »
Die Huffington Post wird es nicht mehr lange geben.
Kurz vor Schluß hat eine Redakteurin niedergeschrieben, was sie erlebt hat, als sie Tobias Ginsburg nach Görlitz begleitet hat

Zitat
NACHRICHTEN
29/01/2019 10:14 CET
Was ich als Wessi bei meinem ersten Besuch im Osten gelernt habe
Im Osten nichts Neues.

    Von Agatha Kremplewski

Es ist ein sonniger Herbstnachmittag. Vorsichtig navigiert Tobias Ginsburg unser Auto durch die wunderschöne Innenstadt von Görlitz – eine große Baustelle blockiert die Durchfahrt, auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt bleiben wir kurz stehen und orientieren uns noch einmal neu. Ein Spaziergänger mit seinem Hund starrt neugierig durchs Autofenster zu uns hinein.

Wir fahren weiter, finden einen Parkplatz, steigen aus. Direkt vor uns, von der Sonne angestrahlt wie ein Heiligtum, ein Stromkasten, auf dem dick aufgesprüht ist: “F*ck N*z*s” – also “Fuck Nazis”.

Willkommen in Görlitz – der Stadt mit einem der aktivsten rechtsradikalen Netzwerke in Deutschland. Mein erster Ausflug in den Osten.

Als Wessi zum ersten Mal im Osten

Vor einigen Wochen saßen Tobias Ginsburg und ich gemeinsam in einem Café in München. Im März dieses Jahres hat er sein Buch “Die Reise ins Reich” publiziert, für das er sich mehrere Monate lang als der alternative Journalist Tobias Patera ausgegeben und unter Reichsbürger und rechte Gruppierungen gemischt hat.

Nun erzählte er von seiner geplanten Vortragsreise durch Sachsen – unter anderem nach Pirna, Plauen und eben Görlitz – und fragte, ob ich ihn nicht begleiten wolle.

“Na klar”, antworte ich.
Spoiler
Den Osten Deutschlands kenne ich, gebürtige Düsseldorferin und seit Jahren in München wohnhaft, ehrlich gesagt, noch gar nicht. Ich war nur zwei Mal auf einem Rock-Festival bei Erfurt, und das fand auf einem Feld mitten im Nirgendwo statt. Das hätte auch im Saarland, den Niederlanden oder der Walachei sein können.

Mehr zum Thema: Wie Rechtsextreme vielen Ostdeutschen ein neues Wir-Gefühl verschafft haben

Damals in Düsseldorf, zu meiner Teenie-Zeit, kannten wir den Osten höchstens aus Filmen wie “Sonnenallee” oder “Good Bye Lenin!”. Wir wussten, dass es so etwas wie eine “Ostalgie” gibt.

Wir wussten allerdings auch: Drüben ist es irgendwie ärmlicher als bei uns. Das wussten wir aus Witzen über “Dunkeldeutschland”, über den sächselnden Ossi, der mit dem Trabbi über die Grenze brettert, von Sprüchen wie: “Wir hatten doch nüscht.” Oder aus Liedern wie “Brandenburg” von Rainald Grebe:

    “Es gibt Länder, in denen richtig was los ist – und es gibt Brandenburg.”

Im Osten sind die Nazis, dachten wir

Naja, und im Osten sitzen halt die Nazis. Das ist ja klar. Also, uns war das zumindest klar. Dass viel näherliegende Städte wie zum Beispiel Dortmund über eine sehr aktive Neonaziszene verfügen, hatten wir irgendwie nicht so auf dem Schirm, oder vielleicht haben wir uns den Osten nur einfach noch viel schlimmer vorgestellt: Städte voller dicker, glatzköpfiger Männer in Bomberjacken und Springerstiefeln, die im tiefsten Sächsisch Hassparolen gegen Ausländer brüllen.

Das ist natürlich alles Bullshit.

Aber so ein bisschen hängen geblieben sind diese Bilder schon – zumal auch heutzutage der Osten nicht allzu häufig mit positiven Schlagzeilen auffällt.

Mal laufen Rechtsradikale zum “Kanakenklatschen” durch Chemnitz, mal schlagen gleich 30 Personen auf zwei Flüchtlinge ein, mal werden Flugblätter mit ausländerfeindlichen Parolen verteilt. Im Osten wurde Pegida geboren, und nirgendwo sonst in Deutschland erreicht die AfD eine so hohe Anzahl von Stimmen wie in den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern.

Dementsprechend hatte ich natürlich eine gewisse, nun, sagen wir, Erwartungshaltung, als ich mich mit Tobias in Dresden getroffen habe, von wo aus wir gemeinsam nach Görlitz fuhren. Der Grund unserer Reise hat meine Aufmerksamkeit für die Klischees zusätzlich geschärft:

Schließlich würde Tobias in einem Görlitzer Restaurant abends aus seinem Buch lesen und über Reichsbürger sprechen – eine Gruppierung, deren Anhänger zu großen Teilen rechtsradikalen Ideologien nahestehen.

Deswegen ist es wohl kein Wunder, dass ich schon beim Eintreffen in Görlitz nach Spuren für oder gegen Rechtsradikale suche und mir, neben den wunderschönen Jugendstil-Gebäuden und nahezu menschenleeren Straßen, als erstes der Stromkasten mit dem Spruch gegen Nazis auffällt.

Ein Spaziergang durch Görlitz zeigt wandelnde Klischees
Bevor Tobias und ich zum Veranstaltungsort seiner Lesung gehen, machen wir einen Spaziergang durch die Stadt. Wir wundern uns, dass es hier nicht mehr Touristen gibt: Görlitz ist geradezu malerisch und wirkt wie der perfekte Ort für einen kurzen Städtetrip.

Wenn man durch die Straßen läuft, trifft man allerdings nicht allzu viele Menschen. Von den wenigen Passanten, die an einem vorbeihuschen, sprechen einige Polnisch miteinander. Wahrscheinlich sind sie für einen kurzen Besuch oder eher noch zum Arbeiten über die begehbare Brücke, die die beiden Länder miteinander verbindet, herüber spaziert.

Görlitz verfügt über eine der größten Altstädte Europas mit über 3500 Baudenkmälern. Die meisten denkmalgeschützen Bauten sind aufwendig restauriert und stammen aus der Gotik, der Renaissance und dem Barrock.

Die Idylle trügt allerdings: Neben schöner Architektur verfügt die Stadt im Verhältnis zur Einwohnerschaft über eines der aktivsten rechtsradikalen Netzwerke Sachsens.

Und schon nach zehn Minuten begegnet uns der erste offensichtlich Rechte: Glatze, Bomberjacke mit Parole auf dem Rücken, Springerstiefel. Das wandelnde Klischee eines Neonazis.

Aber nach nur zwei Mal um die Ecke biegen sehen wir eine kleine Gruppe Jugendlicher mit Dreadlocks und Schlabber-Pullis in einem Sprinter mit weit offen stehenden Türen sitzen. Der Wagen ist voll beladen mit Matratze, Bettzeug und Kleidungsstücken. Noch mehr Stereotype also, diesmal vom entgegengesetzten politischen Lager.

“Hier sehen die Rechten noch rechts aus und die Linken noch links”, stellt Tobias fest.

Ein Abend mit Reichsbürgern
Etwa zwei Stunden später beginnt Tobias’ Vortrag, bei dem er über Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker und braune Esoteriker spricht und aus seinem Buch vorliest. Im Publikum sitzen Bürger, die offensichtlich besorgt sind ob der aktuellen Entwicklungen: der steigenden Anzahl der Reichsbürger. Der Entwicklung rechter Gewalt.

Dass dieser Vortrag ausgerechnet hier, in Görlitz, in Sachsen stattfindet, muss jetzt erst mal nichts heißen, das ist mir klar. Neonazis, Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker – Anhänger extrem rechter oder extrem linker Ideologien gibt es in ganz Deutschland.

Trotzdem fühlt sich dieses Thema für mich bedrohlicher an im Osten. Gleichzeitig stelle ich fest: Ich schaue wieder durch meine Wessi-Brille und suche geradezu nach bedrohlichen Spuren von politischem Radikalismus.

Nach der Lesung erwarten uns draußen vier Menschen – anscheinend haben sie fast zwei Stunden auf Tobias vor dem Restaurant gewartet. Anscheinend sind sie, zumindest teilweise, als Reichsbürger bekannt. Das erfahre ich im Gespräch mit den anderen Besuchern des Vortrags.

Misstrauisch beäuge ich die Gruppe. So verbringe ich also meinen ersten Abend im Osten – mit einer Gruppe rechtsgesinnter Verschwörungstheoretiker.

Eine gepflegte Dame mit kurzen, grauen Haaren lächelt milde, aber stolz – als würde sie auf uns schlafenden Schafe, die die Wahrheit noch nicht erkannt haben, herabsehen. Als wäre sie sich sicher, dass wir an die große Wahrheit, die sie schon kennt, nicht herankommen könnten. Dabei filmt sie uns die ganze Zeit mit einer kleinen Kamera. Ein Herr mittleren Alters schaut grimmig und scharrt mit den Füßen wie ein nervöses Pferd.

Ich unterhalte mich gerade mit einer Gerichtsvollzieherin, die regelmäßig von Reichsbürgern bis vor die Tür verfolgt wird – da merke ich, wie ein zweiter Mann mit schütterem Haar und Windjacke mir förmlich in den Nacken atmet. Ich drehe mich um, er sagt freundlich, aber irgendwie abgehoben: “Guten Abend.”

Die Gerichtsvollzieherin zischelt leise: “Sehen Sie, das meinte ich”. Kurz darauf verabschiedet sie sich und geht schnellen Schrittes nach Hause.

Ich bin ein wenig nervös – sind diese Menschen so friedlich, wie sie tun? Ich denke an sämtliche Geschichten, die ich über Reichsbürger gehört habe, denke an Waffenbesitz und Polizistenmorde, überlege, was ich tun würde, wenn sie uns verfolgen würden.

Schließlich tritt Tobias Ginsburg aus dem Restaurant, gleich gehen seine Anti-Fans auf ihn zu, belagern ihn, stellen ihm Fragen: Warum er solche Lügen in seinem Buch verbreite? Der grimmig dreinschauende Mann bezweifelt sogar, dass Tobias Jude sei: “Welcher Gemeinde gehörst du überhaupt an? Ich bin nämlich selbst Jude!” – “Mazel tov”, antwortet Tobias. “Und wo soll das sein?”, fragt der Mann erstaunt.

Es ist absurd. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Der Mann ruft uns noch ein paar wütende Worte zu, die freundliche Dame lächelt süffisant, langsam bewegt sich das kleine Grüppchen zu ihrem Sprinter, wo sie laut Musik hören und – ich weiß es nicht genau, was feiern. Ihren Sieg? Ihre scheinbare Überlegenheit? Einfach nur sich selbst?

Die Veranstalter begleiten uns noch zu unserem Auto, wir fahren zurück nach Dresden.

Ich weiß, dass die Szene nicht bezeichnend ist für den Osten. Aber sie brennt sich in mein Gedächtnis ein.

Hier im Osten ist eigentlich alles so wie immer – nur anders
In den nächsten Tagen spazieren wir viel durch größere und kleinere sächsische Städte, bewundern die Neustadt in Dresden. Ich begleite Tobias zu einer weiteren Lesung in einer Volkshochschule in Plauen, wir gehen nachmittags Kaffee trinken und abends Gin Tonic.

Eigentlich ist alles so wie immer, bloß, dass ich in einem Café Bambes anstatt Kartoffelpuffer bestelle und wir in der Sportbar abends rauchen dürfen.

Am Ende des Ausflugs stehe ich allein am Bahnhof in Zwickau und warte auf meinen Zug nach München. Ich glaube, ich war noch nie an so einem tristen Bahnhof. Selbst die Brezel, die ich mir am Kiosk kaufe, schmeckt nach Traurigkeit und ein wenig Salz, als hätte die Verkäuferin gerade erst draufgeweint.

Draußen gießt es wie aus Eimern, als würde der Osten mich “Besserwessi” mit ausgestrecktem Mittelfinger verabschieden.

Was habe ich gelernt?
Eigentlich nicht viel. Und genau das ist meine größte Erkenntnis dieser Reise.

► Ich bin nach Ostdeutschland gefahren mit einer Haltung, als würde ich in ein anderes Land fahren. Als würden dort Gefahren lauern, die ich im Westen nicht erleben könnte. Und natürlich habe ich ebendiese Gefahren auch lauern sehen. Aber längst nicht in dem Maße, wie man sich mit seinem sonst gen Westen gerichteten Blick vorstellt.

► Ich habe gelernt, dass ich Klischees finden werde, wenn ich nach ihnen suche. Dass die Straßen tatsächlich schlechter beleuchtet sind und ich den Begriff Dunkeldeutschland endlich verstehe. Dass Bambes mir genauso wenig schmecken wie Reibekuchen. Dass Sächsisch kein so unsympathischer Dialekt ist, wie alle immer meinen.

Aber genauso hätte mein Besuch auch im tiefsten Schwabenländle oder Ostfriesland oder Niederbayern verlaufen können.

Mehr zum Thema: Dunkeldeutschland: Ein Monat rechter Hass in Deutschland

Trotzdem ist die Kluft zwischen Ost und West noch besonders spürbar. Warum?

Vielleicht, weil wir sie immer noch spüren wollen. Weil auch eine Kluft Stabilität gibt. Wie schön ist es doch, sich als Wessi darauf verlassen zu können: Da drüben ist alles ♥♥♥. Wie schön ist es doch, sich als Ossi darauf verlassen zu können: Da drüben sind alle Snobs.

Und so machen wir uns alle zu wandelnden Klischees.

Mein erster Besuch im Osten hat mir also meinen westlich geprägten Blick so richtig deutlich gemacht: Ich habe im Osten nach dem Osten gesucht, wie ich ihn aus den Medien kenne und wie ich ihn mir immer vorgestellt habe – und ihn teils auch gefunden.

Teils bin ich allerdings auf ein völlig normales Deutschland gestoßen – was vielleicht gar nicht so überraschend ist.


    Agatha Kremplewski
    Redakteurin Gesellschaft

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https://www.huffingtonpost.de/entry/was-ich-als-wessi-bei-meinem-ersten-besuch-im-osten-gelernt-habe_de_5c5018d2e4b0f43e410a908b?tqk
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Offline SchlafSchaf

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4843 am: 29. Januar 2019, 15:05:30 »
Das muss ein ReUpload sein bei der HP, den Text kenne ich zumindest.

Die ältere Frau die da genannt wird, ist übrigens die HetzHexe!
Sie hat dazu letztes Jahr auch ein Video veröffentlicht

Edith hat es gefunden: https://forumzwo.sonnenstaatland.com/index.php?topic=27.msg201679#msg201679
An Rüdiger Hoffmann: Der Faschist sagt immer, da ist der Faschist  (in Anlehnung an die Signatur des geschätzten MitAgenten Schnabelgroß)

Wir kamen
Wir sahen
Wir traten ihm in den Arsch
 
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Müll Mann

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #4844 am: 29. Januar 2019, 15:18:30 »
Edith hat es gefunden
Der Link von damals verweist auf den Artikel von heute. Anscheinend haben die da mit dem Content Management ein Problem. Da gibt es sogar Artikel von vor der Bayernwahl mit dem Datum von Heute.