Die Geschichte mit dem Bruder ist nicht gerade sehr glaubhaft - warum hat er sich denn nicht damals schon gemeldet und die Sache selbst ausgebadet?
Andererseits - widerlegen läßt sich das auch nicht.
Nein, natürlich nicht.
Es geht ja eigentlich auch nur um seine Glaubwürdigkeit,
Der Fehler war das mit dem „Verpfeifen“. Er hätte das nicht sagen sollen, sondern gleich seinen Bruder nennen. Ehrlich und geradeheraus
wie er sich auch sonst immer präsentiert. Jetzt ist es vorbei.
Man kann Politik nicht mit dem Strafrecht machen, der Wähler bestraft Dinge, die strafrechtlich noch einmal zur Anklage kämen.
Das „Nicht-Verpfeifen“ eines Kumpels oder Bruders kommt am Stammtisch ganz gut an.
Es führt zwar bei den Stammwählern zu einem dickeren Kreuz auf dem Stimmzettel („jetzt erst recht!“), aber ob das die Nichtwähler in Richtung Aiwanger zieht, ist höchst zweifelhaft.
Und Söder muß Aiwanger entlassen, sobald er selbst gefährdet ist, da kennt der nix. Darf er gar nicht, wenn er nicht beschädigt werden will.
Das Problem wird sein die Lücke, die Aiwanger hinterläßt, in die könnte die afd stoßen und die Wähler der FW mitreißen. Das wären dann 11% + 10% nach dem Ergebnis von 2018.
Kein erfreuliches Panorama.
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Der Historiker Rainer Hering von der Universität Hamburg sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Inhaltlich, glaube ich, wussten die, was sie taten.“ Das Dritte Reich habe Mitte der Achtzigerjahre in allen Schulen auf den Lehrplänen gestanden. Zudem habe es eine Reihe an Bildungsmöglichkeiten und Informationsangeboten gegeben, darunter zahlreiche Bücher. Und nicht zuletzt zeige ja auch der Inhalt des Pamphlets eine „gewisse Kenntnis“ und eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema.
Das Ereignis fällt laut Rainer Hering mitten in die Zeit einer breiten Debatte um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Verfasst haben soll Aiwanger das Flugblatt 1986. Ein Jahr zuvor hatte Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai 1945 einen „Tag der Befreiung“ genannt, was als Meilenstein in der öffentlichen Aufarbeitung der NS-Zeit in Deutschland gilt. Ein Jahr später begann der sogenannte „Historikerstreit“ – ein Schlagabtausch in großen Zeitungen des Landes über die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung.
Und wer das alles nicht mitbekommen haben sollte, der war schon Jahre zuvor durch das Fernsehen aufgeklärt worden. Die Serie „Holocaust“, die im Jahre 1978 erschienen war, hatte laut Hering eine Strahlkraft über mehrere Jahre. Nun zu argumentieren, man habe es nicht besser gewusst und die Flugblätter seien zufällig in der Schultasche gelandet, bezeichnet der Historiker als „schwierig“.
Konflikte in Schulen gab es durchaus
Aber könnte es sein, dass das Pamphlet der Aiwanger-Brüder einfach nur als Provokation diente? Die aktuellsten Erklärungsversuche zumindest gehen in diese Richtung: Auf dem Gymnasium der beiden Schüler sei es zwischen dem Lehrerkollegium und der Schulleitung immer wieder zu Auseinandersetzungen wegen eines unterschiedlichen Weltbildes gekommen, schrieb die „Passauer Neuen Presse“ am Wochenende. Die meisten Lehrer seien „extrem links“ gewesen, bis hin zu Aussagen, es brauche keine Wiedervereinigung und die Bauernbuben vom Land hätten auf dem Gymnasium eh nichts verloren. Das Flugblatt habe Helmut Aiwanger dann aus Wut über die Schulleitung verfasst.
Der Historiker Frank Bösch erklärt dem RND, dass derartige Konflikte in den Achtzigerjahren an Schulen durchaus vorkamen. „Viele Lehrerkollegien waren im generationellen Wechsel sicherlich gespalten“, sagt er. „Die älteren Kollegen an den Schulen waren damals ja in den 1920/30er-Jahren geboren und damit noch im NS sozialisiert. Mit der Expansion des Bildungswesens kamen in den 1980er-Jahren viele Lehrer an die Schulen aus der Nachkriegsgeneration, die sich deutlich kritischer zum NS positionierten.“
„Man muss sich ja nicht, wenn einem etwas nicht passt, gleich rechtsextremistisch oder antisemitisch äußern.“
Rainer Hering,
Historiker
Die Achtzigerjahre seien generell eine Zeit der „polarisierenden Auseinandersetzung über den Umgang mit der Vergangenheit“ gewesen, und an den Rändern habe sie durchaus auch radikale Auswüchse gehabt. Auch Flugblätter wie die von Aiwanger seien zu der Zeit nicht ganz ungewöhnlich gewesen. Zu seiner eigenen Schulzeit, sagt Bösch, habe ein Mitschüler etwa die Broschüre „Die Ausschwitzlüge“ mitgebracht.
Keine Entschuldigung für rechtsextreme Schriften
Das allerdings macht den Aiwanger-Fall keineswegs harmloser. Im Kontext wirke die Geschichte nun laut Bösch wie eine „pubertäre Schülerprovokation gegen linke Lehrer“. Tatsächlich aber habe es in den Achtzigerjahren bereits zahlreiche Morde und Anschläge von meist jungen Rechtsextremen gegeben, die derartige Gedanken ebenso spöttisch-humorvoll vertreten hätten.
Hinter solchen Flugblattaktionen stecke also mehr als nur nur ein Protest gegen links, nämlich „durchaus nationalistische, antisemitische und rassistische Überzeugungen“.
Auch Böschs Kollege Rainer Hering hält das Protestargument für wenig überzeugend. Wer unzufrieden mit seiner Situation war, der habe in den Achtzigerjahren eine Menge Möglichkeiten gehabt, sich auszudrücken und abzugrenzen. „Man muss sich ja nicht, wenn einem etwas nicht passt, gleich rechtsextremistisch oder antisemitisch äußern.“ Auch hier gelte: Die Brüder hätten vermutlich gut gewusst, was sie taten.
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https://www.rnd.de/politik/historiker-ueber-flugblatt-die-aiwanger-brueder-wussten-was-sie-taten-C5CHXJF3TZCVBN4Q27MEMQAJYM.html