Männer-Gesundheit
Männer sind anders depressiv als Frauen – drei überraschende Symptome
Aktualisiert am 25.01.2019 | 11:30
von FOCUS-Online-Autorin Monika Preuk
Depression, Aggression, Suizid
GettyImages/iStockphoto/Marjan_Apostolovic
Depressive Männer sind besonders gefährdet, Suizid zu begehen.
Melancholie, Antriebsschwäche, Trauer: Diese typischen Anzeichen einer Depression gelten vor allem für Frauen. Bei Männern drückt sich die psychische Krise oft anders aus, ist aber mindestens so gefährlich, denn die Suizidraten bei Männern sind besonders hoch.
Depressionen gelten immer noch häufig als „Frauenkrankheit“. Dabei betreffen sie genauso viele Männer wie Frauen. Doch die seelische Krise macht sich bei ihnen ganz anders bemerkbar. Der Grund: Männer sind Meister der Verdrängung. Wenn sie Probleme haben, versuchen sie selten, die Ursache dieses Konflikts zu analysieren, sondern verdrängen ihn.
Denn es passt nicht in ihr eigenes Rollenverständnis, dass sie sich damit auseinandersetzen und erkennen, womöglich eine Depression zu haben – höchstens Stress oder, wenn es gar nicht mehr anders geht, ein Burnout. Diese Begriffe sind im Zusammenhang mit Männern gesellschaftlich mehr akzeptiert als Depression.
Depressive Männer lassen leiden, Frauen mit Depressionen leiden selbst
Das ursächliche Problem wird also weitergeschoben. Diese Verdrängung richtet sich meist gegen den Chef, die Frau, die Arbeit oder die Kinder. Während die depressive Frau direkt selbst leidet und sich zurückzieht, lässt der Mann, meist ungewollt, seine Umgebung leiden und agiert nach außen, beschreibt der Therapeut Jens-Michael Wüstel in seinem Ratgeber „Männliche Depressionen“ den großen Unterschied zwischen der Depression bei Mann und Frau.
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Verdrängen beschert dem Mann immer weitere Probleme
Allerdings komme es durch diese Übertragung beim Mann zu neuen Konflikten, die eine Spirale nach unten in Gang setze. Die depressive Verstimmung kann sich vertiefen. Und wenn bei Frauen diese Phase mit Hoffnungslosigkeit, Antriebsschwäche, innerer Leere einhergeht, und damit leichter zu diagnostizieren ist, unterscheiden sich beim Mann die möglichen Anzeichen extrem.
Die Symptome werden deshalb von seiner Umgebung, manchmal auch von Ärzten, nicht mit einer Depression in Verbindung gebracht und professionelle Hilfe unterbleibt.
Das wichtigste Symptom der Männer-Depression: Aggression, auch gegen sich selbst
Die innere Anspannung durch die Depression spüren Männer genauso wie Frauen. Doch sie versuchen, diese Anspannung durch viel Aktivität, die bis zur Aggression reichen kann, zu überspielen und damit die Kontrolle über sich zu behalten.
Die Anzeichen der männlichen Depression:
Handeln um jeden Preis: Sätze wie „Ich muss nur noch ein paar Monate durchhalten und weitermachen“ sind dafür typisch. Depressive Männer haben ständig was zu tun, stehen immer unter Strom, sind arbeitssüchtig. Selbst an freien Tagen bleibt das Gefühl, eigentlich etwas tun zu müssen. Für Pausen, um die seelische Belastung aufzuarbeiten, sich mit den Konflikten auseinanderzusetzen, bleibt dadurch keine Zeit.
Wut und Aggression: Konflikte führen zu Ohnmacht und Hilflosigkeit, die Männer wiederum mit aggressivem Verhalten kompensieren. Die Depression kann aus einem sonst ausgeglichenen einen zornigen, unbeherrschten Mann machen, der im beruflichen und privaten Umfeld ständig aneckt und damit weitere Probleme auslöst.
Selbstzerstörerisches Verhalten: Spitzt sich die seelische Krise zu, richten Männer die Aggression gegen sich selbst, gehen in die selbstzerstörerische Offensive. Das autoaggressive Verhalten zeigt sich durch extreme Risikobereitschaft, mehr Alkohol, exzessives Rauchen.
Symptome ernst nehmen, denn die Suizidgefahr ist hoch
Männer, die merken, dass sie sich in ihrem Verhalten und Gefühlen negativ verändert haben und die aufgeführten Anzeichen an sich erkennen, sollten diese Warnsignale nicht übergehen. Das gilt auch für Freunde und Familie, die oft als erste spüren, wenn der Mann nicht mehr in psychischer Balance ist.
Denn depressive Männer sind besonders gefährdet, Suizid zu begehen. Rund 10.000 Menschen pro Jahr sterben in Deutschland durch Suizid, zwei Drittel davon sind Männer. Die meisten von ihnen hatten vorher bereits deutliche Anzeichen einer Depression, wie Arbeitssucht und Aggressivität. Warum gerade für Männer, statistisch gesehen, schwere oder langjährige Depressionen so besonders lebensgefährlich sind:
Die Krise verbinden Männer mit dem Gefühl des Scheiterns, ihr Selbstbild wird dadurch beschädigt. Verstärkt wird das durch Einsamkeit, unter der viele Männer leiden. Ihre Situation erscheint ihnen aussichtslos und als letzter Ausweg bietet sich der Suizid an.
Während der Suizid bei Frauen oft ein Hilferuf ist und sie gerettet werden möchten, soll der Suizid bei Männern oft die Außenwirkung haben: Ihr habt mich schlecht behandelt, seht nun, was ich von euch und überhaupt vom Leben halte… nämlich nichts. Ich gehe freiwillig. Oft ist ihre Entscheidung endgültig, die Möglichkeit einer Rettung beziehen sie nicht mit ein.
Neue, männerorientierte Möglichkeiten, die Krise zu bewältigen
Zwar fassen Männer den Entschluss, sich professionelle Hilfe zu suchen, besonders schwer. Eher kommen sie mit einem „Coach“ zurecht, der Psychotherapeut ist. Doch weil gerade bei Männern die Depression so lebensgefährlich sein kann, ist rechtzeitige Krisenintervention lebenswichtig.
Personalisierte Therapie
Allgemein geht der Trend bei den Therapien gegen Depression zu mehr Individualisierung. Speziell für die Behandlung von Männern bedeutet das: Sie wollen nicht gelenkt werden, sondern selbst auf die Lösung kommen, der Therapeut unterstützt nur. Verschiedene Methoden stehen dabei zur Auswahl, etwa die narrative Therapie, nach dem Motto „Erzähl mal“, was oft bereits zu einem besseren Selbstverständnis und Konfliktmanagement führt.
Hilfe aus der Trauma-Therapie
Eine weitere Methode, die Therapeut Jens-Michael Wüstel für Männer empfiehlt, ist EMDR. Die Abkürzung steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung). Dabei leitet der Therapeut durch Fingerbewegungen den Blick des Patienten.
Besonders wichtig dabei: Der Mann formuliert das, was ihn besonders belastet, als negativen Glaubenssatz, sowie den positiven Gegenpart, wie es für ihn also besser wäre. Die geführten Augenbewegungen und die Sätze sollen im Gehirn sozusagen alte, belastende Software löschen und den Platz für neue bereiten. Diese Methode aus der Neurowissenschaft wurde in den 80er-Jahren ursprünglich als Traumatherapie entwickelt, zeigt sich in der Praxis jedoch auch erfolgreich bei Depressionen.
HILFE FÜR DEPRESSIVE UND ANGEHÖRIGE VON ERKRANKTEN
Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression:
www.deutsche-depressionshilfe.de Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
Fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch für Angehörige und Betroffene:
www.diskussionsforum-depression.de Beratung und Austausch für Angehörige (unter anderem ein "SeelenFon"): Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker
www.bapk.de Selbsthilfegruppe Angst - Panik - Depression für Betroffene und Angehörige:
www.shg-apd.de Weitere Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige findet man auf der Homepage der Deutschen Depressionsliga (
www.depressionsliga.de) unter „Selbsthilfe“. Auch eine kostenlose Patientenbroschüre für Patienten und Angehörige bietet der Verein online.