Als hätte man es sich nicht ohnehin schon gedacht:
Studien fördern bahnbrechende Erkenntnisse zutage: AfD-Wähler sind sexuell frustrierte Rassisten und Ausländerfeinde
Jetzt muss ich leider mal Kollegenschelte betreiben. Auch wenn das Ergebnis dieser Studie (es ist aber nicht eine sondern es sind vier) unsere Vorurteile gegen die AfD bestärkt, so sollte doch der kritische Konsum von Medien nicht zu kurz kommen. Zunächst ein mal Telepolis. Diese Zeitschrift des ansonsten guten Heise-Verlags ist ja bekannt dafür, den Aluhutträgern nicht ganz abgeneigt zu sein. Der Autor Tomasz Konicz selbst hat Philosophie und Geschichte studiert, ist also im Umgang mit Statistiken nicht unbedingt ein Profi.
Der Artikel selbst berichtet nicht über eine Studie sondern fasst die Ergebnisse mehrerer Studien zusammen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Fragestellung und Grundgesamtheit der einzelnen Studien nicht unbedingt zusammenpassen müssen. Auf die Grundgesamtheit der Studie A müssen die Ergebnisse der Studie B nicht unbedingt passen, weil deren Auswahlkriterien für Studienteilnehmer möglicherweise ganz andere waren.
Die erste Studie vom DIW befasst sich mit der Einstellung von AfD-Wählern zu einzelnen Aussagen. Dass AfD-Wähler dabei rassistischen Aussagen zustimmen dürfte Tautologie sein. Den Erstellern der Studie traue ich zu, dass diese in der Lage sind zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden, der Telepolis-Autor dagegn scheint diese Unterscheidung nicht zu machen. Die Erkenntnis, dass AfD-Anhänger Rassisten sind, dürfte niemand ernsthaft bestreiten wollen. Die Frage ist, warum sind sie es. Eine bisher gehandelte Erklärung war das mit dem Abgehängtsein bzw sich so fühlen.
Die Widerlegung dieser Erklärung erfolgt in der zweiten Studie, welche festgestellt hat, dass eher die mittleren bis höheren Einkommen die AfD wählen. Auch das ist nicht neu. Hier wird als Erklärung die Angst um den Verlust des bisherigen sozialen Status angeführt. Dazu äußert sich der Telepolis-Autor allerdings nicht. Laut Telepolis bauen die beiden Studien aufeinander auf, genauerer Auskünfte, ob es sich um die gleichen befragten Personen handelt, erhalten wir jedoch nicht.
Bis hierher haben wir, dass AfD-Wähler besserverdienend sind und rassistischen Aussagen zustimmen. Der Historiker verweist dann auf die zutreffende Rolle des Kleinbürgertums am Aufstieg der NSDAP, vernachlässigt dabei aber die zur damligen Zeit vorherrschende Skepsis gegenüber der Demokratie.
Bei der dritten Studie wird es jetzt grotesk. Hier geht es um eine Untersuchung, wie sexuelle Frustration sich auf die politische Einstellung auswirkt. Wir erfahren, dass die Studie an 700 Nutzern eines Datingportals durchgeführt wurde. Mit den in den ersten beiden Studien befragten Personen besteht also kein Zusammenhang. Dass Nutzer eines Dating-Portals nicht mit ihrem Liebesleben zufrieden sind, dürfte auf der Hand liegen. Weiter sozioökonomische Faktoren wurden aber nicht berichtet, so dass anhand der drei Studien nicht möglich ist zu beurteilen, ob AfD-Wähler "besserverdiende Rassisten
und sexuell frustriert" oder "besserverdienende Rassisten
oder sexuell frustriert" sind.
Der Telepolis-Autor verweist auf einen
Artikel im Münchener Merkur, der auch über die Studie berichtet. Ein Vergleich zeigt, dass in dem Telepolis-Artikel die gleichen Zahlen berichtet werden wie beim Merkur, anscheinend hat dem Autor die eigentliche Studie gar nicht vorgelegen. Der Telepolis-Autor schlussfolgert dann, dass sich bei AfD-Wählern sexuelle Frustration als Hass äußert. Diese Schlussfolgerung ist nicht abwegig, haben wir doch hier selbst einige Fallakten, die den Zusammenhang belegen (Dienelt, Dingo, zahlreiche Pudel).
Zumindest der Artikel im Merkur betrachtet aber die Ursache-Wirkungs-Beziehung. Hier wird darauf verwiesen, dass sexuelle Frustration nicht unbedingt zum AfD-Wählen führen muss. Es sei vielmehr eine Prädisposition, für die eigene Erfolglosigkeit externe Faktoren oder andere Menschen verantwortlich zu machen. So verweist der Merkur darauf, dass nach Erkenntnissen der Studie die Anhängerschaft zu Fremdenfeinden gepaart sei mit Nörgelei, Zynismus und Erfolglosigkeit auf der Dating-Plattform. Dies legt die Vernmutung nahe, dass die Fremdenfeindlichkeit nicht durch die sexuelle Frustration entstanden ist, sondern vielmehr Fremdenfeindlichkeit und Erfolglosigkeit in der Partnerschaft eine gemeinsame Ursache haben könnten.
Der Autor der Telepolis-Studie verweist aber stattdessen darauf, dass Wilhelm Reich schon in den 30ern festgestellt habe, dass unterdrückte Sexualität Ausdruck von Faschismus sei. Das mag sein, aber die Dating-Plattform-Studie legt nahe, dass es nicht um willentlich nicht ausgelebte Sexualität geht, sondern die Sexualität mangels Gelegenheit dazu nicht ausgelebt werden konnte. Das sind zwei verscheidene Konstellationen. Mal abgesehen davon, das Wilhelm Reich uns ja eher als dubiose Person bekannt ist. Mario bezieht sich desöfteren auf ihn, ein weiterer Beleg für den Zusammenhang zwischen Rassismus und sexueller Frustration.
Der Telepolis-Autor versteigt sich dann in Ausführungen über den Zusammenhang zwischen Spätkapitalismus und Triebunterdrückung. Er verweist dabei auf die soziologische Komponente der verschärften Konkurrenz. Leider übersieht der Autor dabei, dass es sich letztendlich um zwei Seiten der gleichen Medallie handelt. Wie bereits erwähnt, geht es gar nicht um Triebunterdrückung (die kann man dem hedonistischen Spätkapitalismus nun wirklich nicht vorwerfen) sondern um die mangelnde Gelegenheit zur Triebauslebung. Letztendlich ist "Gelegenheit zur Triebauslebung" auch nur eine knappe Ressource, um die es Konkurrenz gibt. Es liegt in der Natur der Sache, dass erfolgreiche Menschen nicht nur bei der Allokation von Geld mehr Erfolg haben, sondern auch bei der Allokation von Sexualpartnern. Ob es dagegen auch außerhalb der Prostitution einen direkten Zusammenhang zwischen Geld und Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr gibt, möchte ich hier nicht vertiefen.
Kommen wir nun zur letzten Sutudie, dem Zusammenhang zwischen AfD-Wählerschaft und Intelligenz. Auch hier wieder nur der Verweis auf eine Metaquelle
Meldung in einem dubiosen Portal für Pressemitteilungen. Angeblich wurde die Auswertung an 100.000 Datensätzen durchgeführt. Der zugrunde liegende IQ-Test wurde angeblich an über 6 Mio Menschen durchgeführt. Das sind zunächst einmal beeindruckende Zahlen. Allerdings gibt es auch berechtigte Kritik an der Aussagekraft von Online-IQ-Test, auf die hier aber gar nicht weiter eingegangen werden braucht. Es reicht schon, sich mit dem Anbieter dieses IQ-Tests zu beschäftigen. Dabei handelt es sich um einen dubiosen Betreiber von allen möglichen Plattformen und Apps, die Fabulabs GmbH. Wer eine Vielzahl von Portalen mit einem Unternehmen von 6 Personen betreibt wird da sicher keine Fachleute für Intelligenztests beschäftigt haben. Es handelt sich vielmehr um Marketing-Profis. Neben dem Intelligenztest locken sie zum Beispiel auch mit Hilfe bei der Suche nach Kitaplätzen. Immer soll man sich dann eine App installieren, um diesen Srvice nutzen zu können (
Mimikama berichtete).
Jedenfalls auf die Ergebnisse dieser Bude bezieht sich die Erkenntnis, dass AfD-Wähler dümmer seien als Grünen-Wähler und diese wiederum dümmer als SPD-Wähler usw. Die intelligentesten Wähler hat demnach die Linkspartei. Allerdings liegen die Ergebnisse ziemlich nah beieinander. Angaben zur statistischen Siginfikanz oder zum Vertrauensintervall fehlen komplett. Von daher ist nicht klar, ob ein Unterschied von 93 zu 99 (Vergleich AfD/Grüne-Wähler) überhaupt statistische Signifikanz hat.
Fazit:
Der Artikel erfüllt in keiner Weise die Anforderungen an wissenschaftliche Standards. Das muss er auch nicht, Telepolis ist keine sozialwissenschaftliche Fachzeitschrift. Jedoch sollte man mit den darin getroffenen Aussagen vorsichtig sein, inbesondere was Ursache und was Wirkung angeht. Sind AfD-Wähler Rassiten weil ihnen die arabischen Jungmänner die Frauen wegnehmen und sie deswegen sexuell frustriert sind? Oder sind die sexuell frustriert, weil sie als Rassisten weniger attraktive Geschlechtspartner sind? Die in dem Artikel präsentierten Studienergebnisse lassen diese Unterscheidung nicht zu.
Wir können nur feststellen, dass AfD-Anhängerschaft, sexuelle Frustration, Rassismus und gehobenes Einkommen miteinander korrelieren. Möglicherweise auch noch verminderte Intelligenz, aber hier ist die Datenlage nicht ausreichend.