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POLITIK
11.01.2020 06:10 Uhr
Tag 1 im Dschungelcamp: Günther Krauses Blitz-Aus
Günther Krause verhandelte mit Schäuble, war vertraut mit Merkel und Minister unter Kohl. Dann der Abstieg. Und auch im Dschungelcamp klappte es nicht.
Mal sehen, wann Günther Krause aus dem Dschungel auszieht. © TVNOW/Arya Shirazi
Von Peter Heimann 7 Min. Lesedauer
Überraschung im Dschungelcamp: Schon in der ersten Folge der neuen Staffel «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» hat der frühere Bundesverkehrsminister Günther Krause aus medizinischen Gründen die RTL-Show verlassen. «Er kommt nicht wieder zurück», erklärte Moderatorin Sonja Zietlow (51) zum Ende der Show am frühen Samstagmorgen den verdutzten Teilnehmern.
Der 66-Jährige sorgte damit für eine Premiere und einen Rekord: Er ist der erste Politiker, der bei der Unterhaltungsshow mitgemacht hat und der Kandidat, der am schnellsten wieder ausgezogen ist. In der zweiten Staffel hatte Ex-Pornostar Dolly Buster das Camp nach gerade mal 48 Stunden verlassen.
Die genauen Hintergründe des Auszugs will RTL in der Samstagsshow erläutern. Laut Senderangaben musste Krause im Krankenhaus behandelt werden. Es gehe ihm aber gut, versicherte Zietlow. «Die Leistung von Günther hätte nicht mal unser aktueller Verkehrsminister getoppt», lästerte ein Nutzer auf Twitter.
Schon während der Auftaktfolge hatte Moderator Daniel Hartwich erklärt, Krause könne auf ärztliche Anraten hin an keiner Dschungelprüfung teilnehmen: Er habe «Kreislauf, Rücken, Magen».
Der CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern, der bis zu seinem Rücktritt 1993 in mehrere Skandale verwickelt war, sorgte bei den Zuschauern zuvor mit seinen eher rudimentären Englischkenntnissen für Lacher («I can't no good speak of English»). Während der ersten Nacht beschwerte sich Krause über eine kleine Schlange im Camp: «Wenn es dunkel ist, sind wir strategisch im Nachteil.»
Dabei galt und gilt der CDU-Mann eigentlich als hart im Nehmen. Und sah sich lange auch selbst so.
„Man übersteht alles, glauben Sie mir.“ Günther Krause sprach schon vor 20 Jahren aus Erfahrung. Damals hatte der Mann, der sich in Wendezeiten gern als erster Ossi im Westen angekommen sah, hatte gerade mal wieder Ärger mit der Justiz. Doch auf seinem scheinbar unaufhaltsamen Abstieg vom bedeutenden Bundespolitiker ins Dschungelcamp war die Geldstrafe von 10.800 Mark, die ihm seinerzeit wegen vorenthaltener Sozialbeiträge aufgebrummt wurde, nur eine Randepisode.
Krause reagierte auf den Strafbefehl wie bei allen seinen Fehltritten als Unschuld vom Lande. Wenn schon nicht andere, dann waren wenigstens die Gesetze oder die Staatsanwaltschaft schuld an seiner Misere. So war es immer, so ist er nun mal, der Günther: Eine leicht entzündbare Mischung aus Intelligenz, Ignoranz und gnadenloser Selbstüberschätzung.
Jetzt wollte der Mann, der 1989/90 plötzlich wie Phönix aus der Asche auf der Bühne der ganz großen Politik als ein durchsetzungsfähiger ostdeutscher Hoffnungsträger auftauchte, seiner ohnehin schillernden Biografie ein neues originelles Kapitel hinzufügen: Als erster Ex-Bundesminister zieht er ins RTL-Pritschenlager, um ab Freitag im australischen Busch um den zweifelhaften Titel als Dschungelkönig zu ringen.
Anders als seine elf Mitbewerber nannte der inzwischen 66-jährige Krause einen völlig absurden Grund für seine Teilnahme an der Show: „Ich will etwas gegen die Klima-Hysterie tun. Ich versuche, mit jungen Leuten in die Diskussion zu kommen, ob es nicht Innovationen und neue Technologien gibt, mit denen wir unsere Welt wieder in Ordnung bringen können.“ Wahrscheinlicher ist eine naheliegende Motivation, über die aber niemand so gern spricht: das Honorar – relativ viel Geld.
Voriges Jahr, als Krause schon einmal ins Flugzeug gen fünftem Kontinent steigen sollte oder wollte, am Ende aber aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß, nicht ins Trash-TV konnte, nannte der umtriebige Mann auch schon ulkige Vorsätze. Über die deutsche Einheit wollte er im Dschungel reden und der Welt die Gründe für den ostdeutschen Unmut 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution erklären.
Am 31. August 1990 unterzeichnete Günther Krause (r.) als DDR-Staatssekretär mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin den Vertrag über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.
Am 31. August 1990 unterzeichnete Günther Krause (r.) als DDR-Staatssekretär mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin den Vertrag über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. © dpa
Immerhin: Bei dem Thema ist er Fachmann. 1990 verhandelte Günther Krause, damals 36 Jahre alt, mit Wolfgang Schäuble den Einheitsvertrag. Zuvor, vor dem Veränderungsherbst 1989, war der Diplomingenieur noch nicht als Revolutionär aufgefallen. Seit 1975 war er Mitglied der Ost-CDU, 1987 bis 1989 Kreisvorsitzender in Bad Doberan. Dann wurde er als Adlatus des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière Staatssekretär, unterzeichnete am 31. August 1990 für die DDR den von ihm maßgeblich mit ausgehandelten Einigungsvertrag.
Rasch wurde deutlich, dass der Politiker volkstümlich nicht so gut konnte. In einer Fernsehdiskussion mit Christa Luft, der ehemaligen PDS-Wirtschaftsministerin in der Modrow-Regierung, wies er deren Bedenken gegen die Währungsunion mit der Bemerkung zurück: „Ich freue mich schon darauf, nach dem 1. Juli mit meinen Kindern jeden Abend eine Büchse Ananas essen zu können. Die wird dann nämlich ganz billig sein.“ Fortan wurde er von vielen im Noch-DDR-Volk mehr spöttisch als dankbar „Ananas-Krause“ genannt.
Damals lernte er eine junge Frau kennen, die ihre ersten Kontakte mit der aktiven Politik noch in Leinenkleidern und Ost-Jesus-Latschen suchte: Angela Merkel. Die damalige Vize-Sprecherin der letzten DDR-Regierung war oft mit Krause unterwegs, kümmerte sich auch ums Wohlbefinden des viel beschäftigten Machers. Journalisten mussten schon mal auf den Beginn einer Pressekonferenz warten, weil Merkel Sause-Krause eine Suppe organisierte und servierte. Ihr fast mütterlicher Hinweis an die wartenden Medienleute: „Der Herr Krause muss jetzt erst mal was essen.“
Doch seitdem haben beider Karrieren einen – vorsichtig formuliert – unterschiedlichen Weg genommen. Immerhin hat Krause, damals CDU-Landeschef in Meck-Pomm, der aufstrebenden Jungpolitikerin Merkel ihren Bundestagswahlkreis verschafft und somit die formale Grundlage ihres Aufstiegs wesentlich mit gelegt. Noch immer nennt Krause die Kanzlerin eine „gute Bekannte“ und behauptet, sie dulde seinen Ausflug in den Dschungel. Die heutige Vize-Regierungssprecherin hat allerdings darüber keine Informationen.
Krause in seinem Privathaus in Börgerende im September 2015.
Krause in seinem Privathaus in Börgerende im September 2015. © Ronald Bonß
Nach dem DDR-Beitritt und der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 wurde Krause Bundesverkehrsminister, bewegte nach Einschätzung vieler Beobachter mehr als alle seine Vorgänger zusammen: Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, Bahnreform, Planungsbeschleunigung im Osten trotz großer Widerstände. Die Ostsee-Autobahn A 20 etwa wurde auch dank ihm in der Rekordzeit von 15 Jahren geplant und gebaut. „Von solch kurzen Zeiträumen träumt man heute“, so Krause später.
Doch der Ostdeutsche mit den dort nicht typischen bunten Krawatten fiel auch in Bonn durch sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein auf. „Das ist wie in der Staatlichen Planungskommission der DDR“, kommentierte er die Auftragsvergabe im Ministerium. Nachfragen von Journalisten bügelte er ab: Er müsse reformieren und habe keine Zeit. Im Kabinett Helmut Kohl und darüber hinaus galt Krause wegen seines Hochmuts rasch als „Besser-Ossi“.
Ziemlich schnell tauchte sein Name auch im Zusammenhang mit vermeintlichen Affären auf. Zum Verhängnis aber wurde Krause die „Putzfrauen-Affäre“, bei der er sich die Haushaltshilfe daheim vom Arbeitsamt bezahlen ließ. Zudem stellte er seinen privaten Umzug von Berlin nach Börgerende an der Ostsee der Staatskasse in Rechnung. Am 6. Mai 1993 bekam er von Kohl die Entlassungspapiere. Für ihn selbst waren natürlich nicht die Affäre, sondern seine Absicht der Autobahn-Privatisierung der Grund, aus Bonn gefeuert worden zu sein: Zu viel Bewegung verzeihe der Westen nicht. Später versuchte er ein politisches Comeback als Rostocker Oberbürgermeister, noch später als Bundestagsabgeordneter – beide Male vergeblich.
Rückschläge und Desaster
Rückschläge gab es auch immer wieder nach dem Einstieg des gescheiterten Politikers in die Wirtschaft. Was auch immer der Unternehmer Krause anfasste, endete im Desaster. Erst wollte er im Osten mit dem „Volkshaus“ finanziell schwachen Personengruppen zum Eigenheim verhelfen. Mit dieser Idee sowie seinen Beratungsfirmen in der Energiebranche hatte er kein Glück. Auch die Ehe mit seiner ersten Frau Heidrun scheiterte. 2001 musste er die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgeben, im Volksmund Offenbarungseid genannt. 2013 folgte die Privatinsolvenz. Wegen Insolvenzverschleppung bei einem seiner Unternehmen wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Sein Schwung als Unternehmer blieb ungebremst. Spezialität: physikalische Wunder. Mit der sogenannten Neutrino-Technologie will Krause die Energieprobleme der Welt lösen. Wissenschaftler halten die Methode für Humbug, was Krause selbstverständlich nicht beeindruckt: „Alles Leute von gestern. Alle Visionen wurden anfangs verlacht.“
Vor seinem Einstieg in die Neutrino-Welt wollte Krause aus Stroh Erdöl, „das schwarze Gold“, gewinnen. So etwas gelang bisher nur Rumpelstilzchen. Krause: „Was in zehn Millionen Jahren in der Erde geschah, machen wir in zehn Sekunden.“ Doch irgendwie klappte es nicht.
Zuletzt hatte Krause für Schlagzeilen gesorgt, weil er eine Villa gekauft und bezogen, allerdings niemals bezahlt hatte. Er entging der Zwangsräumung durch einen Auszug auf den allerletzten Drücker nur knapp. Im Dschungelcamp jedenfalls hat er nun auch kein Zuhause gefunden. (mit dpa)