Autor Thema: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme  (Gelesen 56126 mal)

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Offline Schrohm Napoleon

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #195 am: 7. November 2019, 23:41:38 »
Auf einer meiner damaligen Reisen kaufte ich mir einen mechanischen Wecker aus DDR-Produktion, der mir sehr preiswert erschien. Zurück im Westen konnte ich nicht mehr einschlafen, da der Sekundenzeiger so laut war, dass ich erst gar nicht einschlafen konnte.  ::)

Auf der anderen Seite war und ist die Musikausbildung in Weimar weltweit immer noch führend. Auch die (gesamt-) deutsche Geschichte wurde wesentlich in Ostdeutschland geprägt. Fahrt einfach mal hin. Es ist wunderschön dort.

Ohne Ironie sage ich als "Wessi" auch, dass ich die Menschen in "Dunkeldeutschland" um einiges netter und sozialer empfinde.

(Ich erwarte einen Shitstorm)  8)

P.S: Sogar das einzige Spieledenkmal der Welt steht in Thüringen/im Osten. (Abgesehen von Goethe etc...)

"Die förmlich-respektvolle Höflichkeit schafft den nötigen Raum für inhaltliche Verachtung."
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dtx

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #196 am: 8. November 2019, 00:15:20 »
Die Diskussion gerät ein bißchen Off Topic, weil mit den "ungelösten Problemen" im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks nicht die unbestreitbar vorhandene DDR-Nostalgie gemeint ist.
 

Offline Rechtsfinder

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Re: technologisch überlegene DDR?
« Antwort #197 am: 8. November 2019, 02:16:32 »
Auch sollen die Schulen und Universitäten in der DDR besser gewesen sein als in der BRD, stimmt das?
Die Schulen und Universitäten waren vor allem anders. Einiges davon hat sich erhalten, anderes nicht.

Zu den Schulen: Sachsen hat heute ein recht leistungsfähiges Bildungssystem. Das sächsische Abitur muss sich nicht verstecken und es war immer schon "G8", d.h. ein 8-jähriges Gymnasium; Abitur in Regelzeit nach 12 Jahren Schule. Als man in Nordrhein-Westfalen 2005 das "G8" einführte und vom "G9" wegging, gab es einen kollektiven Aufschrei unter der Schüler- und Elternschaft, der ganze Stoff sei doch in 8 Jahren gar nicht zu schaffen. In Sachsen hat man gelacht und gesagt "Doch, wir machen das ja schon." Gut, dass die Stundenpläne und Inhalte zum Teil deutlich unterschiedlich sind und die Bildungssysteme insgesamt nur schwer vergleichbar, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch werden wohl auch in ein paar Jahren, wenn der G8-Abiturient aus Sachsen und der G9-Abiturient aus NRW (da führt man G9 nämlich gerade wieder ein) sich auf den gleichen Studienplatz bewerben, beide eine reelle Chance haben, weil das grob über den Daumen gepeilt hinhaut.

Zu den Universitäten: Die DDR kannte ganze Abschluss-Arten der BRD gar nicht. Zum Beispiel das Staatsexamen. Den "Dipl. med." z.B. sieht man eigentlich fast nur im Osten und auch jüngere Ärzte streben wohl insgesamt seltener den Doktorgrad an, als ihre Gegenstücke im Westen, wo ja in der breiten Bevölkerung der Irrglaube vorherrscht, die Approbation (= ärztliche Zulassung) sei nur mit Promotion (=Doktorgrad) zu erhalten bzw. gar mit dieser identisch. Überhaupt hat gerade die medizinische Ausbildung der DDR wohl einen recht guten Ruf. Das ist aber im ganzen Ostblock so. Die Gerätschaften sind im Zweifel etwas älter und nicht so hochglänzend wie im Westen, die Techniken nicht ganz state of the art und die Narben riesig, aber es funktioniert und macht die Patienten in der Regel halbwegs gesund. Kubanische Ärzte in Entwicklungshilfe sind in Afrika sehr gefragt. Und Kuba selbst rationiert Damenhygieneartikel...

Zurück zu den DDR-Ärzten. Weil im Westen für den Status jeder Mediziner einen Doktorgrad brauchte (zum Glück ist das gerade etwas im Umbruch begriffen), gab es eine ziemliche Inflation der Anforderungen. Die durchschnittliche (deutsche) medizinische Doktorarbeit ist, mit Verlaub, nichts (aber auch so richtig gar nichts!) wert. Von einer Bekannten weiß ich, dass sie ihre Doktorarbeit parallel zur Vorbereitung auf ihr Staatsexamen, d.h. parallel zum Lernen für den Abschluss geschrieben hat. Es gibt keine Zulassungskriterien (anders in so ziemlich allen anderen Disziplinen, wer da nicht zu den besten 10–20% gehört oder sonst durch exzeptionelle Fähigkeiten auf sich aufmerksam macht, wird ziemlich sicher kein Doktor) und von Aufwand und Umfang her entspricht eine Doktorarbeit in der Medizin je nach Vergleichsfach einer Master-, Bachelor- oder gar nur großen Hausarbeit. Wenn ein "promovierter" Arzt mir gegenüber über die "langen Zeiten" klagt, die er damals in der Bibliothek verbracht hat, kriege ich regelmäßig Halsschmerzen vom Unterdrücken des Lachens...

Zurück zu den DDR-Ärzten. Diesen unsinnigen Doktor-Fimmel gab es in der DDR nicht so ausgeprägt. Und auch das Staatsexamen war unbekannt. Mit seinem Diplom nach einem wissenschaftlichen Studium ging man auf die Bevölkerung los. Ähnlich die Juristen, die mit ihrem "Dipl.-jur." (übrigens auch etwas, was es meiner Kenntnis nach fast nur an ostdeutschen Universitäten gibt) unmittelbar Anwalt werden konnten. Und die Pharmazeuten hatten auch kein Staatsexamen, sondern waren Pharmazeutische Ingenieure (Dipl.-ing.). Dadurch, dass die Ansprüche an die Doktorarbeiten nicht runtergeschraubt werden mussten (das mit dem Runterschrauben im Westen sage nicht ich, das sagt ein Fachmann, zitiert in einem launigen Artikel darüber, dass die Uni Freiburg (da hat übrigens auch der Obersturmbannleerer studiert, wenn ich nicht irre) zwei Doktoranden, denen der Doktorvater ihre Doktorarbeit geschrieben hat, den Doktorgrad nicht aberkannt hat, weil sie so wenig Ahnung vom wissenschaftlichen Arbeiten hatten, dass sie darauf vertrauen durften, dass das schon passt) war dem Vernehmen nach nicht selten die Diplomarbeit (Ost) der in der akademischen Hierarchie eigentlich deutlich höherwertigen Doktorarbeit (West) haushoch überlegen.

Diverse Verbände fordern aufgrund der eklatanten Wertlosigkeit des medizinischen Doktors und der damit einhergehenden Abscheu richtiger Doktoren, mit derart Ahnungslosen in eine Schublade geworfen zu werden, schon seit Jahren die titelmäßige Zweiteilung des medizinischen Doktors in ein (weiterhin) anspruchsloses Berufsdoktorat für den Titel und einen (wieder) anspruchsvollen akademischen Grad mit Promotionsleistung, bei dem es tatsächlich um Wissenschaft und Forschung geht.

Insofern: Auch Ost-Deutschland hatte im Bildungssektor durchaus was drauf und zum Teil lag das sogar wirklich am Bildungssystem selbst. Die von @dieda aufgeführten politschen Verstrickungen haben da sehr viel kaputt gemacht und der allgemeine Ressourcenmangel sein Übriges getan. Und es gibt auch negativ-Beispiele, der inzwischen schon erschreckend lange verstorbene Dr. Axel Stoll hat damals im Osten einen Doktorgrad durch eine Arbeit im Fachbereich Geologie erworben...

Hoffentlich liest das hier kein Mediziner. Ich meins nicht so, ehrlich! Du hast das bestimmt besser gemacht, ich hab nur über den Pöbel gemeckert!

Ich bin übrigens Wessi und stolz drauf! Da isses nämlich viel besser!

So. Jetzt habe ich wenigstens alle verprellt. :whistle:
Eine von VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer erfundene Statistik besagt, dass 90% der Prozessgewinner die fragliche Entscheidung für beispielhaft rechtstreu halten, 20% der Unterlegenen ihnen zustimmen, hingegen von den Verlierern 30% sie für grob fehlerhaft und 40% für glatt strafbar halten.
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #198 am: 8. November 2019, 08:11:52 »
Die Diskussion gerät ein bißchen Off Topic, weil mit den "ungelösten Problemen" im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks nicht die unbestreitbar vorhandene DDR-Nostalgie gemeint ist.

Ich sehe da durchaus einen Zusammenhang.

Genau diese weinerlich-geschichtsklitternde Ostalgie, wie der MDR sie befeuert und wie @Grashalm sie von seinem frustrierten Wendeverliererumfeld aufgetischt bekommt, trägt ein erhebliches Mitverschulden an der heutigen Situation in der Zone.


P.S. Was die Ärzteschaft angeht, so freut sich mein Vater über seinen Zahnarzt mit DDR-Ausbildung: weil der noch richtig reparieren kann und nicht sofort alles austauscht, geschweige denn, daß er wie ein Hochpreis-Dentist versucht, ihm diesen grotesk teuren Implantate-Scheiß aufzuschwatzen.
« Letzte Änderung: 8. November 2019, 08:16:53 von A.R.Schkrampe »
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #199 am: 8. November 2019, 09:01:07 »
Zitat
Ohne Ironie sage ich als "Wessi" auch, dass ich die Menschen in "Dunkeldeutschland" um einiges netter und sozialer empfinde.

Vom Mauerfall bis vor etwa zehn Jahren habe ich das auch so empfunden. Mittlerweile setzt sich aber auch im Osten immer mehr der Ellbogen durch. Ausnahmen bestätigen die Regel.*

*(Ja, ich weiß, der Spruch ist eigentlich Blödsinn. Aber jeder weiß, was gemeint ist.)
 
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Offline mork77

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #200 am: 8. November 2019, 09:45:03 »
Die durchschnittliche (deutsche) medizinische Doktorarbeit ist, mit Verlaub, nichts (aber auch so richtig gar nichts!) wert.

Stimmt! zumindest überwiegend! Ich habe sie mir geschenkt! Der einzige Vorteil ist, das es leichter ist, Studien zu verstehen, wenn man sich mit Statistik beschäftigt hat. Und wann beschäftigt man sich als Mediziner mit  Statistik? Wenn man es muss. Bei einer Doktorarbeit, zum Beispiel.

Ansonsten war mir der Universitätsladen mit seinen "Meine Förmchen, deine Förmchen" Spielen immer zuwider. Ich bin Frontschwein, immer gewesen. Ich verbringe lieber Zeit auf der Piste, als Notarzt, als in der Klinik.
Und in der Uni hat man sich gegenseitig den Saft für die Kühltruhen abgedreht, um die Forschungen zu sabotieren. super!

Verstehe mich nicht falsch, natürlich muss man forschen, um die Medizin weiterzuentwickeln. War halt nur nie etwas für mich.

Doch zur DDR!

Die ganze Ostalgie erinnert doch sehr an Adolf, der doch die Autobahnen gebaut hat und wo alle Arbeit hatten!
Man sucht halt verzweifelt irgendetwas Positives, um die negativen Entwicklungen in der DDR zu überdecken. Und es macht es natürlich auch persönlich einfacher, denn man hat ja mitgemacht bei der Diktatur. Galt für die NS-Zeit und gilt für die DDR.
Mir persönlich ist es egal. Der Staat DDR hat an seinen Grenzen seine eigenen Bürger ermordet. Er hat Terroristen, Mördern,  Unterschlupf gewährt. Er hat seine Bevölkerung bespitzelt und abgehört, Kinder gegen Eltern angestiftet und Familien und Freundschaften zerstört. Obendrein war die DDR antisemitisch und fremdenfeindlich. Man möge sich durch die "sozialistische Solidarität" nicht täuschen lassen. Das war Propaganda.
Und so ist es bei vielen geblieben. Die Deutschen im Westen haben sich gezwungenermassen weiterentwickelt. Der Osten nicht. Daher die heutigen Probleme. Ostalgie macht es nicht besser.
« Letzte Änderung: 8. November 2019, 09:59:02 von mork77 »
Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.
Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller
 

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #201 am: 8. November 2019, 10:08:48 »
Ansonsten war mir der Universitätsladen mit seinen "Meine Förmchen, deine Förmchen" Spielen immer zuwider.
Bin zwar kein Mediziner, aber aus ähnlichen Gründen habe ich meine Doktorarbeit auch abgebrochen.

Aber zurück on-topic:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/testo-von-zugezogen-maskulin-im-interview-es-war-normal-dass-naziparolen-gerufen-wurden/25202804.html
Spoiler
Zitat
Testo von „Zugezogen Maskulin“ im Interview
„Es war normal, dass Naziparolen gerufen wurden“

Hendrik Bolz ist Teil des Rap-Duos „Zugezogen Maskulin“. Im Interview spricht er über Rechtsextreme, den Osten und deutschen Hip-Hop.

Es ist kurz nach 9 Uhr morgens, in dem kleinen Café in der Auguststraße, Berlin-Mitte, nimmt eine junge Barista mit skandinavischem Akzent Bestellungen für Hafermilch-Cappuccinos entgegen. Hendrik Bolz, Teil des Rap-Duos Zugezogen Maskulin, das am Sonnabend zum Mauerfall-Festakt vor dem Brandenburger Tor auftritt, kommt etwas zu spät. „Ich stand im Stau“, entschuldigt er sich, „für die Bühne sind rund um das Brandenburger Tor schon alle Straßen abgesperrt“. Bolz, bekannter unter seinem Künstlernamen Testo, ist das Thema Mauerfall und Wendezeit ein besonderes Anliegen.

Er wurde 1988 geboren, wuchs in Stralsund auf. Kürzlich hat er für den „Freitag“ einen Text über diese Zeit geschrieben. Darin erzählt er, wie Naziparolen, Springerstiefel und mit Baseballschlägern bewaffnete Faschos zu seinem Alltag gehörten. Der Journalist Christian Bangel nahm diesen Artikel zum Anlass, den Hashtag #baseballschlaegerjahre ins Leben zu rufen, unter dem nun Menschen von ihren Erlebnissen mit Rechtsradikalen in den neunziger und nuller Jahren berichten. Dabei geht es nicht nur, aber viel um Ostdeutschland. Für Bolz ist dabei klar: Um dem aktuellen Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, hilft nur eine Aufarbeitung der Nachwendezeit.

Herr Bolz, Sie spielen am Samstag mit Zugezogen Maskulin beim Mauerfall-Jubiläum. Was bedeutet Ihnen dieses Ereignis?
Ich bin gerade erst dabei, mir diese Themen zu erarbeiten. Als die Mauer fiel, war ich ja noch ein Kleinkind. Während meiner Kindheit und Jugend wurde nicht über die DDR und die Zeit damals gesprochen. Das hatte zur Folge, dass ich eher mit der westdeutschen Geschichte aufgewachsen bin und mehr über die RAF wusste als über das SED-Regime.

Warum haben Sie dann angefangen, sich mit Ihrer ostdeutschen Herkunft auseinanderzusetzen?
Als das mit Pegida und dem Rechtsruck losging, habe ich mich gefragt, was da los ist, warum die Leute so sind. Ich bin bei der DDR-Geschichte und der Wiedervereinigung gelandet und habe festgestellt, dass da viele Leerstellen sind. Dass meine Identität eigentlich auf einem großen Schweigen fußt. Und ich glaube, das geht vielen so, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind.

Deshalb ist es wichtig, dass darüber gesprochen wird.
Genau. Viele, vor allem Westdeutsche, wissen ja gar nicht, was die deutsche Einheit im Osten bedeutet hat: Strukturwandel, Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch von allem, was man kannte. In meinem Leben war es total normal, dass es Neonazis gab, die auf Spielplätzen saßen, die „Heil Hitler!“ gerufen und Leute verprügelt haben. Und die gleichzeitig Kassierer im Supermarkt oder Erzieher im Ferienlager waren. Regelmäßig gab es ostdeutschlandweit rechte Übergriffe. Aber das ist weder im ostdeutschen noch im gesamtdeutschen Bewusstsein angekommen. Das ist so ein verdrängtes Trauma, das endlich aufgearbeitet werden muss.

Wieso wurden Sie nie Teil dieser Szene?
Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte ja das Glück, 1988 geboren zu sein und nicht zehn Jahre früher. Ich kann mir schon vorstellen, dass es auch Spaß macht, endlich mal der Stärkere zu sein, wenn man in einem totalitären Staat aufgewachsen ist, einem immer nur von anderen gesagt wurde, was man tun und lassen soll. Wer weiß, ob ich da nicht genauso reingerutscht wäre, wenn ich damals Jugendlicher gewesen wäre. Im Laufe der 2000er wurde dann bei uns Rap die vorherrschende Jugendkultur, was dazu geführt hat, dass viele ehemalige Neonazis auf einmal Rapfans waren, ein paarmal öfter ins Solarium gegangen sind und ihre Springerstiefel gegen Turnschuhe getauscht haben

Das heißt, es wurde einfach so weitergemacht, als wäre nie was gewesen?
Genau. In den Neunzigern wurde vieles nicht aufgearbeitet oder sogar vertuscht, teilweise aus Scham vor dem Westen. Taten von Rechtsextremen wurden als Rowdytum abgetan. Die „Taz“ hat es letztens gut beschrieben: Im Osten werden heute noch oft rechte Strukturen behandelt wie die Mafia – man streitet ihre Existenz ab oder traut sich nicht, laut darüber zu sprechen.

Was kann man tun, damit die AfD und die Rechten im Osten nicht noch mächtiger werden?
Man sollte aufhören, Angst davor zu haben, was irgendjemand im Rest des Landes denkt. Man muss das Problem angehen. Es ist auch wichtig, die Symptome zu bekämpfen: Gegendemos organisieren, Demokratieeinrichtungen aufrechterhalten. Aber vor allem muss Aufarbeitung her, muss man rausfinden, warum rechtes Gedankengut in Ostdeutschland so gut gedeiht.

Hat das noch viel mit der DDR-Zeit zu tun? Da wurden ja ausländerfeindliche Attacken auch vertuscht.
Ja. Natürlich hat das auch etwas mit der Globalisierung und Neoliberalismus zu tun - Nationalismus, der Rechtsruck, das sind nicht nur deutsche Probleme. Aber es hat auch viel mit DDR-Traditionen, totalitären Tradierungen zu tun, die an die Folgegeneration weitergegeben wurden. Die DDR war ja auch, obwohl sie natürlich offiziell antifaschistisch war und es keine Ausländerfeindlichkeit gab, eine abgeschlossene weiße Gesellschaft, wo die Vertragsarbeiter in Mietskasernen gewohnt haben. Und wenn sie schwanger geworden sind, wurden sie nach Hause geschickt. Das war alles andere als eine bunte, multikulturelle Gesellschaft.

Formiert sich gerade eine künstlerische Gegenbewegung? Zwei der momentan interessantesten deutschen Rapper, der Kraftklub-Sänger Kummer und Trettmann, der am Samstag auch am Brandenburger Tor spielt, kommen ja aus dem Osten.
Ja, ich denke, dass da gerade ein Aufarbeitungsprozess entsteht.

Sollte es mehr von dieser politischen Musik geben?
Nicht unbedingt politisch, aber es braucht mehr interessante Musik, vor allem im Hip-Hop. Bei vielen erfolgreichen Künstlern geht es nur noch um Geld und darum, was man sich damit kaufen kann. Das ist für mich konsumistischer, neoliberaler Dreck. Ich glaube, dass Rap gerade in einer Sackgasse steckt und seine gesellschaftliche Relevanz verliert. Er ist zwar kommerziell erfolgreich, aber superuncool in seiner derzeitigen Form. Ich bin gespannt, welche Musik als Nächstes kommt. Was hören denn die Fridays-for- Future-Kids? Vielleicht hören die auch gar keine Musik mehr.
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Offline dieda

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #202 am: 8. November 2019, 10:11:36 »
Sorry @Rechtsfinder, aber das ist leider nur eine sehr westdeutsche Sicht auf das DDR- Schul- und DDR- Hochschulsystem und seine Auswirkungen.

Vielleicht muss man mal wieder beim Urschleim anfangen: Man kann sicher mit Fug und Recht sagen, der Marxismus- Leninismus war das vermutlich letzte bekannte und völlig in sich geschlossene "Welterklärungssystem" nach der Aufklärung und Säkularisierung (ohne Wertung). Es war im Prinzip also auch eine Art Religion mit Universalismusanspruch, nur eben ohne Gott. Der wurde kurzerhand von der "Diktatur der einen Partei" (Lenin) und dem "Kollektiv" ersetzt. Auch der in den Schulen/ Hochschulen abgefragte Marxismus/ Leninismus ließ sich letztlich genau so "herunterbeten" wie der katholische Rosenkranz oder das große Mathe- Einmal- Eins.

Bildung wurde natürlich sehr hoch geschrieben und gleichzeitig nach der alten Methode gelehrt, also eher als das funktionelle Einbläuen von "Wissen", nur immer schön eingenordet in das große "Glaubensystem". Schulappell und mitunter etwas Kasernenhofatmosphäe imklusive, nicht schön, aber mit innerer Emigration überlebbar. Aber man lernte immerhin das Lernen. Ziel der ganzen sozialistischen Bildung war, ein "Abbild" des "sozialistischen Menschen" zu schaffen, der dann "gewissenhaft" seinen "Dienst für den Sozialismus" konkret seinen "Dienst in der Produktion" oder seinen "Dienst an der Waffe" leisten soll und kann. Individuelle Arbeitsergebnisse, Wissenanseignung, geschweige "Projektarbeit" gab es gleichwohl nicht. Wirklich ökonomisches Denken auch nicht. Dafür ging es im Stoff immer schön überschaubar von "linksoben nach rechtsunten". Das schafften dann also mit minimalem Fleiß, etwas äußeren Druck und mittelprächtigen Ergebnissen auch die späteren Basballschlägerjungs, die heute reihenweise durchs komplette Schulssystem fallen. Wer sich hinreichend freiwillig für den "Dienst an der Waffe" oder für andere "Dienste" entschied oder allein die "richtigen Eltern" hatte, hatte es trotz mitunter unterdurchschnittlichen Voraussetzungen und Leistungen leichter. Das war also so ähnlich, wie bei solchen sehr speziellen "Schulspezeln", wo der Papa oder Onkel Anwalt ist.  ;)

Die wissenschaftliche "Elite" in der DDR wurde aber noch bis etwa Anfang/ Mitte der 80iger auch noch als echte "Elite" gezüchtet und auch so sorgfältig ausgewählt, die DDR wollte ja schließlich glänzen und letztlich aller Welt beweisen, dass der Sozialismus ja das besseres System ist. Die Hochschulen war dann etwa ähnlich verschult, wie Margots Reich der Pioniere und daher durchaus schon effizienter, als heutige Universitäten. Hinzu kam, dass der akademische Elfenbeinturm oft auch der (einzige) "Fluchtort" für viele Menschen mit eher intellektuellen Anlagen war. Da aber in der DDR klassische Geisteswissenschaften wegen eines alle Bereiche überschattenden "Glaubenssystems" faktisch nicht (mehr) existierten, gab es alternativ auch mehr hervorragende Ingenieure. Allerdings waren die tatsächlichen Reibungsverluste zwischen der Welt der "Wissenschaft und Forschung" bzw. der Industrie und der "sozialistischen Realität" enorm, man schaue sich nur den skurilen Fall Robotron an. Das hatte aber vor allem strukturelle Probleme und war ein wichtiger Grund für den Untergang. Schon möglich, dass mit dem Zusammenbruch der DDR auch noch einige wirklich geniale Ideen in einigen Schreibtischen für immer verloren gingen.

Was Rechtsfinder nun über die Wertigkeiten der "Doktorarbeiten" am Beispiel der Mediziner schrieb, ist so richtig wie falsch, weil rein westdeutsch betrachtet. Der Dr. als reines "Schmuckelement" am Revers eines Narzissten oder als Ware ist nämlich ein sehr "westdeutsches" Phänomen. Der Dr. in der DDR war schon noch einmal eine echte intellektuelle Qualifizierungsstufe und mit Anstrenungen verbunden. Und mancher machte den Dr. auch nur, um endlich in "Ruhe" gelassen werden, von "denen".
Aber was weiß ich.
« Letzte Änderung: 8. November 2019, 10:35:03 von dieda »
D adaistische I lluminatinnen für die E rleuchtung D es A bendlandes

Tolereranzparadoxon: "Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, (...) dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ Karl Popper
 
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Offline A.R.Schkrampe

Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #203 am: 8. November 2019, 12:02:04 »
Was @dieda zu den genialen Ideen in der Schublade erwähnt, kann ich aus dem Autobereich, in dem ich mich etwas auskenne, bestätigen.
DDR-Ingenieure waren gut -nicht ohne Grund schickten viele Bruderstaaten, aber auch Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Studenten gezielt auf DDR-Universitäten
- aber sie wurden permanent ausgebremst, von den Politbonzen noch mehr als von der Material- und Devisenknappheit.

So war Ende der 60er ein clever konzipierter Wartburg-Nachfolger als Prototyp fertig, ebenso neue Motoren, die den Zweitaktschrott hätten ablösen können
- aber all diese Projekte (es gab noch mehr Prototypen wurden von höchster Stelle abgewürgt.
O-Ton Wirtschaftsminister Günter Mittag: "Der Trabant reicht fürs Volk".
Derselbe Günter Mittag, der sich in einem Mercedes 450 SEL 6.9, der damals stärksten Serienlimousine der Welt, herumkutschieren ließ (es gibt eine ganz kurze Filmsequenz, in der das Typenschild klar erkennbar ist).

Wenn die Forschung, egal in welchem Bereich auch immer, gestoppt wird, ist die Abwärtsspirale nicht mehr aufzuhalten. In einigen technologischen Bereichen kann der Anschluß schon nach einigen Monaten verlorengehen.

Mit dem Stoppen dieser Entwicklungsprojekte war der Niedergang der DDR-Fahrzeugindustrie besiegelt. Gerade in den 70er Jahren fanden in diesem Bereich viele Innovationen statt - dle an der DDR komplett vorbeigingen.
Verzweiflungstaten wie das Reinpfuschen eines VW Polo-Motors in Wartburg und Trabant (die auf 40er Jahre-Standard waren) machten es noch schlimmer, weil technische, personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen vergeudet wurden, um ein totes Pferd rennfertig zu machen.

P.S. @Grashalm: an all diesen Problemen ist der böse Westen auch nicht das kleinste Bißchen schuld. Das war alles DDR-intern selbstverschuldet.
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #204 am: 8. November 2019, 13:47:35 »
@dieda Bitte missverstehe nichts von dem, was ich sage, als Lob zum ehemaligen oder heutigen Osten. Jeder weiß doch, dass allein im Westen das Gute, Wahre und Schöne zu finden ist!!1einself!

Sorry @Rechtsfinder, aber das ist leider nur eine sehr westdeutsche Sicht auf das DDR- Schul- und DDR- Hochschulsystem und seine Auswirkungen.
Jain. Das ist die Sicht eines Westdeutschen, der es nicht erlebt hat, aber über viele Jahre mit sehr vielen Ostdeutschen, die es erlebt haben, darüber gesprochen hat und genau diese Punkte aus diesen Gesprächen mitgenommen hat. Mit anderen Worten: Reflektierte (hach, die Doppelbedeutung! ❤!) Ost-Propaganda. Ich habe ja nicht umsonst gesagt (und nie bestritten), dass die von Dir beschriebenen Diktatur-Effekte die ganze Chose beeinflusst haben und das wohl maßgeblich negativ. Aber mit Wessis redet man über sowas nicht so gerne bzw. betont eben die anderen, geschilderten Aspekte. Warum auch immer.

Was Rechtsfinder nun über die Wertigkeiten der "Doktorarbeiten" am Beispiel der Mediziner schrieb, ist so richtig wie falsch, weil rein westdeutsch betrachtet. Der Dr. als reines "Schmuckelement" am Revers eines Narzissten oder als Ware ist nämlich ein sehr "westdeutsches" Phänomen. Der Dr. in der DDR war schon noch einmal eine echte intellektuelle Qualifizierungsstufe und mit Anstrenungen verbunden. Und mancher machte den Dr. auch nur, um endlich in "Ruhe" gelassen werden, von "denen".
Aber was weiß ich.
Und was ist jetzt bitte von dem, was ich sagte, falsch? Ich sehe da keinen Widerspruch. Außer vielleicht, dass ich Medizin-Doktoren nicht ernst nehme, wenn sie sich für ihren Doktor feiern – West wie Ost – sodass ich implizit behaupte, dass der Ost-Medizin-Doktor heute schlechter ist als "früher". Da darfst Du mir gern fundiert widersprechen. Du bist ja "gelernte DDR-Bürgerin", wie man bei Euch "drüben" so schön zu sagen pflegt. :)
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #205 am: 8. November 2019, 14:20:20 »
Allgemein zur Leistungsfähigkeit der DDR: Man muss die Betrachtungen in einzelnen Zeitabschnitten durchführen und auch nach Branchen geordnet. Die DDR der späten 70iger und der 80iger Jahre war marode, rott, politisch verkrustet und nicht mehr lebensfähig. Die 50iger und 60iger Jahre waren etwas anderes, dort hat auch die DDR ein Wirtschaftswunder hinbekommen, trotz massiver Forderungen der Sowjetunion. Damals konnte die DDR durchaus mithalten, bei Wachstumsraten in etlichen Branchen und beim Lebensstandard.

Zur Bildungslandschaft: Nicht vergessen sollte man, dass die SBZ/die DDR bis zum Mauerbau einen gewaltigen Braindrain erlebte, da sind hunderttausende Facharbeiter, Studierte etc. abgehaun, tlw. direkt im Anschluss an eine Facharbeiterausbildung. Um dieses Problem zu beheben hat man ja auch die Arbeiter- und Bauernfakultäten gegründet, womit faktisch die Öffnung der höheren Bildung (Fachhochschul- und Universitätsabschlüsse) für breite Bevölkerungsschichten stattfand. Damit hat man in der Ersten Phase der DDR auch die Erfolge stimuliert, weil eben "junges Blut" kam. Mit der zunehmenden Doktrinhörigkeit und dem Gewicht auf ML wurde diese Qualität wieder eingeschränkt, darüber hinaus wurden Studienplätze vermehrt nach sozialpolitischen Gesichtspunkten und Systemtreue vergeben: Waren die Eltern "Intelligenz" (und damit per se verdächtig) hatte das Kind es schwerer, einen Studienplatz zu bekommen. Systemtreue "Arbeiterkinder" hatten einen Bonus. Wenn man darüber hinaus bereits in der Schule den Massenformationen nicht nur angehörte, sondern auch Posten übernahm und sich für die NVA bewarb, war der "Wunschstudienplatz" eigentlich sicher.

Elektronik: In den 50iger Jahren gab es in Dresden ein herausragendes Institut für Halbleiterforschung, welches aus politischen Gründen jedoch auf Eis gelegt wurde. Das Mikroelektronikprogramm seit 1977 war primär militärisch initiert und stieß sowohl in der Forschung als auch in Produktion sehr schnell an die selbstgewählten Grenzen der DDR. Zum einen nahm die SU ab Mitte der 80iger die Produkte nicht mehr ab (wegen eigener Probleme) zum anderen konnte man Fertigungstechnologie und Lizenzen nicht im Westen kaufen (Embargo). Die Stasi hat geklaut, wo sie Konnte (u.a. Siemens), die KoKo hat Maschinen und anderes geschmuggelt. Hat alles nix genützt, mit dem Mauerfall und dem Zugriff auf den Weltmarkt war aus die Maus. Technologisch war das, was man dort gemacht hat, auch nicht Weltspitze, aber vieleicht besser als in der BRD... mit dem Unterschied, dass die BRD gar nicht selbst die besten Chips produzieren musste, sondern bei den Japanern kaufen konnte. wobei nachgewiesen ist, dass die Stasi bei Siemens Unterlagen zu einer Lizenz von Toshiba geklaut hat. also Siemens hat die Tech woanders gekauft und die DDR hat "nachgebaut" ( im Fall des 1MbitChip allerdings nicht, weil man nicht einfach nachbauen konnte). Dazu kam, dass die Mikroelektronik mit einerstaatsweiten Aktion gepusht wurde, in der alle Akteure der DDR ihr Bestes geben mussten. Die Stasi und KoKo hat alles geklaut/gekauft/organisiert, was sie kriegen konnten und in der DDR wurden keine Kosten und Mühen gescheut... zu Lasten anderer Bereiche. Eine zivile Verwertbarkeit und sei es der Export/das Dumping im Westen, wurde erst nach Absprung der Sowjets angestrebt, da aber aus reiner Verzweiflung (weil die Kosten sonst nicht wieder rein gekommen wären).

Die Branchen, die die DDR bis in die 70iger erfolgreich bedient hatten, waren da schon heillos abgehängt: Der gesamte Maschinenbau der DDR hat die frühe Digitalisierung (CNC) komplett verpennt, gleiches gilt für Bau- und Schwermaschinen. Der gesamte Gewinn durch diese soliden Produkte floss seit den 70igern in Rüstung und Sozialpolitik, für die Umsteellung auf neue Produkte blieb kein Geld, schon gar nicht für den Zukauf ausländischer Technologie. Dies wurde bei einigen Branchen (Petrochemie) teilweise gemacht, aber auch nur, damit das Geld weiter kam. In weniger devisenträchtigen Gebieten und für den Binnenmarkt gabs keine Valuta, was technologische Innovation hemmt... in der Regel wurde man dort erfinderisch, wo man meinte den Mangel substituieren zu können, im Grunde eine Wiederholung der "Ersatzstoffforschung" aus dem 1. und 2. Weltkrieg.
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #206 am: 8. November 2019, 16:34:25 »
@Rechtsfinder Gemeint waren, und das auch ganz ohne Wertung, die bisweilen etwas "anderen" Ergebnisse in einem akademischen System in der DDR, dass im Prinzip ganz ohne eigene ökonomische Zwänge vor sich hin existieren und der reinen Forschung widmen konnte. Beim anderen "Lieblingsvorzeigekind" der DDR, dem Leistungssport wurde zumindest schon kräftig mit Chemie nachgeholfen.

Der Medizin- Dr. ist übrigens schon deswegen ein hier problematisches Beispiel, da die Medizin, wie auch bei einigen anderen Fachrichtungen (Maschienenbau, Lehramt, Bauingenieurwesen) immer an der Nahtstelle zwischen Lehre und Praxis steht und der Dr. beim Mediziner in der DDR dann mitunter nur noch für eine weitere akademische Karriere benötigt wurde. Iim Gegensatz zu den gebrauchten Bundesländern, wo beim praktizierenden "Gott in Weiß" noch immer der "Dr." wie der standesgerechte Sechszylinder in der Garage und Mont Blanc- Füller zum Kittel "gehören" muss. Da war die DDR lediglich nur viel pragmatischer. Und hinter vorgehaltener Hand wird ja noch heute gemunkelt, dass man sich auch als Privatpatient in manchen Universitätskliniken doch lieber vom Oberarzt und eben nicht vom "Herrn Professor" behandeln lassen soll.  ;)
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #207 am: 8. November 2019, 17:10:40 »
Und hinter vorgehaltener Hand wird ja noch heute gemunkelt, dass man sich auch als Privatpatient in manchen Universitätskliniken doch lieber vom Oberarzt und eben nicht vom "Herrn Professor" behandeln lassen soll. 

Das ist häufig eine gute Idee, da die Oberärzte jeden Tag Patienten sehen, während die Chefs nebenbei noch Kliniken leiten müssen, Tonnen an Verwaltungskram haben etc. Ich will nicht unterstellen, das die schlechte Ärzte sind, aber häufig haben sie weniger Gelegenheiten dazu...
Sebastian Leber über Rüdi: Hoffmanns Beweisführung ist, freundlich ausgedrückt, unorthodox. Es geht in seinen Filmen drunter und drüber wie bei einem Diavortrag, bei dem der Vortragende kurz vor Beginn ausgerutscht ist und alle Dias wild durcheinander auf den Boden flogen.
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #208 am: 8. November 2019, 17:24:56 »
Und hinter vorgehaltener Hand wird ja noch heute gemunkelt, dass man sich auch als Privatpatient in manchen Universitätskliniken doch lieber vom Oberarzt und eben nicht vom "Herrn Professor" behandeln lassen soll. 

Das ist häufig eine gute Idee, da die Oberärzte jeden Tag Patienten sehen, während die Chefs nebenbei noch Kliniken leiten müssen, Tonnen an Verwaltungskram haben etc. Ich will nicht unterstellen, das die schlechte Ärzte sind, aber häufig haben sie weniger Gelegenheiten dazu...

@Neubuerger Verrate doch nicht immer alles, schließlich müssen die Privaten KV ja auch ihre Gewinne machen...  ;)
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #209 am: 9. November 2019, 09:53:31 »
Weiß der Geier, warum mir das Youtube gerade vorgeschlagen hat, aber, es ist ein schönes Beispiel dafür, worin die DDR dem Westen auch "weit voraus" war.  :o



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