Auch sollen die Schulen und Universitäten in der DDR besser gewesen sein als in der BRD, stimmt das?
Die Schulen und Universitäten waren vor allem anders. Einiges davon hat sich erhalten, anderes nicht.
Zu den Schulen: Sachsen hat heute ein recht leistungsfähiges Bildungssystem. Das sächsische Abitur muss sich nicht verstecken und es war immer schon "G8", d.h. ein 8-jähriges Gymnasium; Abitur in Regelzeit nach 12 Jahren Schule. Als man in Nordrhein-Westfalen 2005 das "G8" einführte und vom "G9" wegging, gab es einen kollektiven Aufschrei unter der Schüler- und Elternschaft, der ganze Stoff sei doch in 8 Jahren gar nicht zu schaffen. In Sachsen hat man gelacht und gesagt "Doch, wir machen das ja schon." Gut, dass die Stundenpläne und Inhalte zum Teil deutlich unterschiedlich sind und die Bildungssysteme insgesamt nur schwer vergleichbar, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch werden wohl auch in ein paar Jahren, wenn der G8-Abiturient aus Sachsen und der G9-Abiturient aus NRW (da führt man G9 nämlich gerade wieder ein) sich auf den gleichen Studienplatz bewerben, beide eine reelle Chance haben, weil das grob über den Daumen gepeilt hinhaut.
Zu den Universitäten: Die DDR kannte ganze Abschluss-Arten der BRD gar nicht. Zum Beispiel das Staatsexamen. Den "Dipl. med." z.B. sieht man eigentlich fast nur im Osten und auch jüngere Ärzte streben wohl insgesamt seltener den Doktorgrad an, als ihre Gegenstücke im Westen, wo ja in der breiten Bevölkerung der Irrglaube vorherrscht, die Approbation (= ärztliche Zulassung) sei nur mit Promotion (=Doktorgrad) zu erhalten bzw. gar mit dieser identisch. Überhaupt hat gerade die medizinische Ausbildung der DDR wohl einen recht guten Ruf. Das ist aber im ganzen Ostblock so. Die Gerätschaften sind im Zweifel etwas älter und nicht so hochglänzend wie im Westen, die Techniken nicht ganz state of the art und die Narben riesig, aber es funktioniert und macht die Patienten in der Regel halbwegs gesund. Kubanische Ärzte in Entwicklungshilfe sind in Afrika sehr gefragt. Und Kuba selbst rationiert Damenhygieneartikel...
Zurück zu den DDR-Ärzten. Weil im Westen für den Status jeder Mediziner einen Doktorgrad brauchte (zum Glück ist das gerade etwas im Umbruch begriffen), gab es eine ziemliche Inflation der Anforderungen. Die durchschnittliche (deutsche) medizinische Doktorarbeit ist, mit Verlaub, nichts (aber auch so richtig gar nichts!) wert. Von einer Bekannten weiß ich, dass sie ihre Doktorarbeit parallel zur Vorbereitung auf ihr Staatsexamen, d.h. parallel zum Lernen für den Abschluss geschrieben hat. Es gibt keine Zulassungskriterien (anders in so ziemlich allen anderen Disziplinen, wer da nicht zu den besten 10–20% gehört oder sonst durch exzeptionelle Fähigkeiten auf sich aufmerksam macht, wird ziemlich sicher kein Doktor) und von Aufwand und Umfang her entspricht eine Doktorarbeit in der Medizin je nach Vergleichsfach einer Master-, Bachelor- oder gar nur großen Hausarbeit. Wenn ein "promovierter" Arzt mir gegenüber über die "langen Zeiten" klagt, die er damals in der Bibliothek verbracht hat, kriege ich regelmäßig Halsschmerzen vom Unterdrücken des Lachens...
Zurück zu den DDR-Ärzten. Diesen unsinnigen Doktor-Fimmel gab es in der DDR nicht so ausgeprägt. Und auch das Staatsexamen war unbekannt. Mit seinem Diplom nach einem wissenschaftlichen Studium ging man auf die Bevölkerung los. Ähnlich die Juristen, die mit ihrem "Dipl.-jur." (übrigens auch etwas, was es meiner Kenntnis nach fast nur an ostdeutschen Universitäten gibt) unmittelbar Anwalt werden konnten. Und die Pharmazeuten hatten auch kein Staatsexamen, sondern waren Pharmazeutische Ingenieure (Dipl.-ing.). Dadurch, dass die Ansprüche an die Doktorarbeiten nicht runtergeschraubt werden mussten (das mit dem Runterschrauben im Westen sage nicht ich,
das sagt ein Fachmann, zitiert in einem launigen Artikel darüber, dass die Uni Freiburg (da hat übrigens auch der Obersturmbannleerer studiert, wenn ich nicht irre) zwei Doktoranden, denen der Doktorvater ihre Doktorarbeit geschrieben hat, den Doktorgrad nicht aberkannt hat, weil sie so wenig Ahnung vom wissenschaftlichen Arbeiten hatten, dass sie darauf vertrauen durften, dass das schon passt) war dem Vernehmen nach nicht selten die Diplomarbeit (Ost) der in der akademischen Hierarchie eigentlich deutlich höherwertigen Doktorarbeit (West) haushoch überlegen.
Diverse Verbände fordern aufgrund der eklatanten Wertlosigkeit des medizinischen Doktors und der damit einhergehenden Abscheu richtiger Doktoren, mit derart Ahnungslosen in eine Schublade geworfen zu werden, schon seit Jahren die titelmäßige Zweiteilung des medizinischen Doktors in ein (weiterhin) anspruchsloses Berufsdoktorat für den Titel und einen (wieder) anspruchsvollen akademischen Grad mit Promotionsleistung, bei dem es tatsächlich um Wissenschaft und Forschung geht.
Insofern: Auch Ost-Deutschland hatte im Bildungssektor durchaus was drauf und zum Teil lag das sogar wirklich am Bildungssystem selbst. Die von
@dieda aufgeführten politschen Verstrickungen haben da sehr viel kaputt gemacht und der allgemeine Ressourcenmangel sein Übriges getan. Und es gibt auch negativ-Beispiele, der inzwischen schon erschreckend lange verstorbene Dr. Axel Stoll hat damals im Osten einen Doktorgrad durch eine Arbeit im Fachbereich Geologie erworben...
Hoffentlich liest das hier kein Mediziner. Ich meins nicht so, ehrlich! Du hast das bestimmt besser gemacht, ich hab nur über den Pöbel gemeckert!
Ich bin übrigens Wessi und stolz drauf! Da isses nämlich viel besser!
So. Jetzt habe ich wenigstens alle verprellt.