Wir Gerichtsreporter können nicht überall sein. Daher bin ich sehr dankbar, dass mir ein lieber Mensch etwas aus dem Gerichtssaal des heutigen Prozesse gechannelt hat. Tausend Dank für den Einsatz.
Kurzbericht 1. Prozesstag, 11. Februar, vormittag:
Ort: Landesgericht Steyr, Schwurgerichtssaal
Beginn: 9.05 Uhr
Angeklagt sind
a) Harald Matschiner (folgend M), gelernter Dreher, später dann Berufsschullehrer und jetzt Kochlehrling, sechs Vorstrafen
b) Friedrich „Fritz“ Hingsammer (folgend H), gelernter Fliesenleger, jetzt in Invaliditätspension, keine Vorstrafen
„Atmosphärische“ Beschreibung:
Um als Zuseher in den Gerichtssaal reinzukommen, muss man beim Eingang durch eine elektronische Sicherheitsschleuse. Weiters muss man sich ausweisen – und der Name wird auch erfasst – und das Handy abgeben. Beim Haupteingang, vor und im Gerichtssaal sind stets Exekutivorgane präsent.
Vor der Verhandlung werden Aufnahmen des Sitzungssaals vom TV-Sender „Servus-TV“ gemacht. Erst kurz vor Beginn wird der Sitzungssaal aufgesperrt und die Zuschauer dürfen den Saal betreten. Der Schwurgerichtssaal bietet Platz für geschätzt 80 bis 100 Zuseher; anwesend sind ca. 20 inkl. ein paar weniger Medienvertreter. Von der Zuseherposition aus betrachtet sitzen vorne die drei Berufsrichter plus eine weitere Person d. Gerichts (vermutlich zwecks Protokollierung?).
Links sind die Plätze für die Geschworenen (insgesamt 11, dh 3 davon müssten mW „Reserve“ sein) die zu Beginn d. Prozesses vom Richter per Schwur („so wahr mir Gott helfe“) bzw. per Handschlag vereidigt werden.
Rechts sitzen die beiden Angeklagten erste Reihe fußfrei, hinter ihnen der Verteidiger von M (ob er ein Pflichtverteidiger ist, ging für mich nicht hervor) und die Pflichtverteidigerin von H.
Der Staatsanwalt (folgend StA) erklärt den Geschworenen die Besonderheit der vorgeworfenen Delikte. Die Anklageschrift mit insgesamt 54 Seiten stammt von der Staatsanwaltschaft Graz. Er erklärt einleitend kurz das System d. Wahlen und dass man sich als Staatsbürger auf diese Weise in den pol. Gestaltungsprozess einbringen könne. Wenn man mit der Situation unzufrieden sei, dann habe man die Wahl sich eben politisch einzubringen oder das Land zu verlassen.
Vorgeworfen werden:
1.) Mitgliedschaft bei einer staatsfeindlichen Verbindung (ICCJV), deren Ziel es (gewesen) sei, den Staat durch Gewalt oder Androhung Gewalt umzustürzen.
2.) Haftbefehle gegen Bundespräsident Alexander van der Bellen, Bundeskanzler Kurz, Vizekanzler Strache, alle Nationalratsabgeordnete wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Diese Haftbefehle wurden per E-Mail an die Landespolizeidirektionen in der Steiermark und in Salzburg sowie an den Bundesminister für Inneres Kickl gesendet.
Der StA weist betont, dass lt. Gutachten die Angeklagten zurechnungsfähig sind. Weiters macht er die Geschworenen darauf aufmerksam, dass es sich bei den vorgeworfenen Delikten um keinen Spaß handle und verweist auf das „Hollerbach Tribunal“ und dass es in dieser Angelegenheit bereits Verurteilungen gegeben hat.
Der Verteidiger von Matschiner (folgend VM) bittet die Geschworenen (folgend G) alles zu vergessen, was sie bisher in den Medien über Staatsverweigerer gehört haben und sie nur das bewerten dürfen, was in der Verhandlung gesagt wird. M sei kein Staatsverweigerer und auch kein Freeman. M sei zwar ein Querulant, aber das sei strafrechtlich nicht relevant.
VM wirft der StA vor, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und bezeichnet die StA Graz als „Geisterjäger“. Der ICCJV habe insgesamt nur 140 Mitglieder und es sei bisher keine Gefährdung von ihm ausgegangen.
Die Haftbefehle stellten keine Androhung von Gewalt dar sondern seien lediglich „Scherzerklärungen“ und vergleicht sie mit dem Villacher Fasching. Der VM betont weiters, dass in der Anklageschrift extrem oft vom „Versuch“ gesprochen werde und räumt auch ein, dass natürlich auch der Versuch einer Straftat strafbar sei. Allerdings gelte das nicht für den absolut untauglichen Versuch.
Die Verteidigerin von Hingsammer (folgend VH) legt dar, dass H nur ein unbedeutendes Mitlied des ICCJV gewesen sei und diesem erst lange nach Hollerbach beigetreten sei. H. sei nur „Zeugnisbeamter“ des ICCJV gewesen. Zudem müsse Kritik im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein.
Befragung von M:
Der den Vorsitz führende Richter (folgend R) befragt M zu seinem Werdegang im ICCJV. M hat immer öfter das System (zB in Sachen Geld, Banken und Gesundheit) hinterfragt und analysiert und seine diesbezüglichen Erkenntnisse ab ca. 2006 im Internet veröffentlicht. Mit dem ICCJV hat in ein Hr. Landschützer bekannt gemacht. Er sei immer gegen Gewalt gewesen und betont mehrfach und nachdrücklich, dass er Christ sei und deshalb die Wahrheit sage. Außerdem „leben wir in der Endzeit“ und der Crash wird wegen der Staatsschuldenexplosion unweigerlich kommen. Der Haftbefehl zB für Alexander van der Bellen stammt von Matschiner „im Namen des Herrn“.
Bei der polizeilichen Vernehmung hatte M angegeben, dass der BP, BK, VK alle NR-/ Bundesräte und alle Landtagsabgeordneten von der Exekutive verhaftet werden sollten um damit die Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen.
Jetzt behauptet M die Haftbefehle seien lediglich als Einladung zu Gesprächen gemeint gewesen. Auf die Nachfrage von R, ob die damalige Aussage vor der Polizei oder die aktuelle Aussage stimmt, versucht sich M zwei Mal in Ausflüchte, die vom R aber kurzerhand abgwürgt werden. Der R stellt lapiaR fest, dass M diese Frage nicht beantwortet.
M zum Thema „Schiedshof“: Dieser wäre von göttliche Seite so bestimmt worden
R: Wie wäre es nach den Verhaftungen weitergegangen?
M: Die im Ruhestand befindlichen Beamten wären während der Übergangsphase reaktiviert worden.
M schwurbelt dann von „göttlichem Boden“, dass Österreich Teil von Israel sei und auch den Unterschied zwischen Mensch und Person sowie dem Handelsrecht möchte er besprechen, wird aber vom R gestoppt.
M war „Courtdirector“ des ICCJV in Oberösterreich. Der ICCJV hat als Quasistrafprozessordung das sogenannte „Wiener Statut“, das u.a. Haftstrafen bis zu 30 Jahren vorsieht (was sich - wie der R anmerkt – wohl kaum mit der behaupteten Gewaltfreiheit in Einklang bringen lässt).
M weicht vielen konkreten Fragen des R aus. M war nie im Modellhof(?), war aber zwei oder drei Mal bei ICCJV-High-Council-Treffen. M hatte einen Amtsausweis (!) des ICCJV.
Der StA hebt hervor, dass M als Courtdirector, was einem Gerichtspräsidenten entspräche, lt. Wiener Statut das Recht hatte Haftbefehle zu erlassen.
VM fragt M ob M jemals Gewalt ausgeübt oder angedroht habe. M verneint.
Die G haben keine Fragen an M und damit ist die Befragung von M beendet.
Nach einer Pause von 10 Minuten wird die Verhandlung fortgesetzt mit der Befragung von H.
H gibt an, sich schon lange für Bürgerinitiativen eingesetzt zu haben. Besonders wichtig seien ihm Direkte Demokratie und der Einsatz für Arbeitnehmer gewesen, weil diese seit Beitritt zur EU einen beträchtlichen Reallohnverlust zu beklagen hätten. Weiters sollten Verkehrsstrafen abhängig von der Einkommenshöhe sein.
H ist über M vor ca. drei Jahren zum ICCJV gekommen.
Die Unterschriften von M und H sowie deren Fingerabdruck finden sich auf dem „Wiener Statut“. H hat das Wiener Statut aber nicht gelesen. Das Wiener Statut sollte die „herkömmliche Gerichtsbarkeit“ ersetzen. H war „Clerk of the Court“ (also in etwa „Notar“) und Teil des „High-Council“ des ICCJV.
Worum es bei den drei oder vier Treffen d. ICCJV, bei denen H anwesend war, gegangen sei, kann H nicht konkret beantworten.
Die Haftbefehle stammen aus der Feder von M. H ist zwar mit der Festnahme nicht einverstanden gewesen, hat die Haftbefehle aber trotzdem unterschrieben weil er M vertraut habe. H habe diese Unterschriften seinem Verständnis nach aber immer nur als Zeuge geleistet und nicht als Urheber der Haftbefehle.
Skurrilität am Rande: Für H war und ist es wichtig, dass die österreichische Verfassung nie vom Volk anerkannt wurde und er wollte deshalb beim ICCJV erreichen, dass das nachgeholt wird. Er behauptet felsenfest, es gäbe ein Youtube-Video in welchem Ex-Bundespräisdent Heinz Fischer und Ex-Nationalratspäsident Andreas Khol behaupten, dass die öst. Verfassung nicht anerkannt werde.
Leider konnte ich der Verhandlung am Nachmittag nicht dabei sei.
Soweit der Bericht.