Prozessbericht Teil 3: Replik des VerteidigersDie Replik übernimmt der männliche Verteidiger (nachfolgend V), dessen Akzent ihn (wenig überraschend, aber im Gegensatz zur Tochter) als Österreicher ausweist. Er habe erst vor Kurzem erstmals die Gelegenheit erhalten, sich einen persönlichen Eindruck von M zu verschaffen. Zunächst wendet er sich an die Geschworenen und bittet sie um eine “differenzierte Einordnung der Einbildung des Herrn Model” (
sic). Sie würden dann den Sachverhalt differenzierter sehen, “wenn es am Ende des Tages darum geht, schicksalhaft über eine Person zu entscheiden”.
(Spoiler: Am Ende dieses Tages werden die Geschworenen noch gar nichts zu entscheiden haben und am Ende des nächsten Tages auch nicht.)
Der Verteidiger nutzt – als Einziger in diesem Prozess, wie ich rückblickend sagen kann – die Möglichkeit, eine Präsentation zu displayen (ein Verb, das ich übrigens bei früheren Gelegenheiten hier in diesem Saal gelernt habe). Diese erscheint für die Zuseher auf dem Bildschirm über den Richtern.
Als erstes präsentiert V eine Liste der an M gerichteten Vorwürfe:
1. M habe sich im ICCJV “führend betätigt”
2. M habe den ICCJV mit Geldmitteln unterstützt, und
3. M habe den ICCJV auch sonst in erheblicher Weise unterstützt.
Alle diese Tatbestände werden in
§246 Abs. 2 StGB aufgezählt.
V: M werde vorgeworfen, “er hätte diverse Unterfertigungen vorgenommen”. Den “völkerrechtlichen Gründungsvertrag” des ICCJV vom 02.10.2015 jedoch “hat es keineswegs gegeben” laut V, denn die Daten auf diesem Dokument seien widersprüchlich. Ferner soll M das sogenannte “Wiener Statut” vom 31.05.2016 unterschrieben haben und verschiedene Beschlüsse.
Dazu V: M habe von diesen Beschlüssen nur jeweils die letzten Seiten gesehen.
Beim Punkt 2 gehe es vor allem um die Übergabe von 5kg Gold an Willibald Landschützer, bei 3 um die Zur-Verfügung-Stellung des Modelhofes.
V möchte nun näher darauf eingehen, was M für eine Persönlichkeit ist. Hier sieht man gleich wieder, dass M wirklich kein echter Reichsdepp ist, denn sonst hätte ihn der Titel der jetzt gedisplayten Folie, “Zur Person des Dr. Daniel Model”, hart getriggert.
Es folgt ein kurzer Lebenslauf: Geboren am 05.07.60 in Winterthur, Schweizer Bürger, Betriebswirt, erfolgreicher Curlingspieler mit EM- und WM-Teilnahmen. Das Familienunternehmen sei 1882 von Ms Urgrossvater gegründet worden, M führe es erfolgreich. 2018 habe er die Anteile seines Bruders am Unternehmen gekauft. Seither gehöre das Unternehmen vollständig ihm und seiner geschiedenen Ehefrau, die zugleich seine jetztige Lebenspartnerin sei, beide hielten je 50%. M habe seine Vermögenssituation vorhin deswegen nicht offengelegt, weil er, V, ja nun darauf eingehe. Für das Strafmass tue die Vermögenssituation nichts zur Sache. Der Umsatz des Unternehmens habe in etwa die Milliardengrenze erreicht. M sei CEO der Model Holding AG, Verwaltungsratspräsident und auch noch Chairman of the Board of Directors.
Nun geht V auf das Projekt “Avalon” ein. Die StA habe gesagt: “Er hat schon einmal in der Vergangenheit versucht, einen Staat zu gründen”. Das sei nicht richtig. 2006 sei M durch den Regierungsrat des Kantons Thurgau eingeladen worden, eine Rede vor Unternehmern zu halten zum vorgegebenen Thema “Staat und Unternehmen”. Im eigenen Unternehmen habe M eine “ganz schlanke Management-Ebene”, die Mitarbeiter seien stark ins Unternehmen eingebunden, da gebe es eine Vertrauenskultur. Demgegenüber kritisiere M am Staat eine “Kultivierung von Misstrauen” und habe gegenüber dem Staat auch selbst eine zunehmend skeptische Haltung eingenommen, etwa wegen der Verschuldung. V erzählt, sein (Vs) Onkel sei Theologe und Philosoph, mit ihm diskutiere er gern, und ebenso gehe es ihm mit M, dieser sei “ein ganz feiner Denker”. 2006 sei M zum Schluss gekommen, er wolle in einer “Vertrauenskultivierung” leben, “und das ist Avalon”. Das Wort “Avalon” habe bei M den ursprünglich gewählten Begriff “Selbststaat” abgelöst, als seine Tochter – ich frage mich, ob die Anwesende gemeint ist – das Buch “Die Nebel von Avalon” gelesen habe. “Avalon” sei Keltisch für “Apfelgarten”, und Äpfel seien typisch für den Thurgau.
“Avalon” stehe für hehre Ziele, die auf dem Display gelistet sind:
“Freiheit als grosses Menschheitsideal stärken”
“Das Denken stärkt das Individuum und bedarf der Freiheit”
“Ablehnung von Ideologien, da diese das Denken einschränken”
“Debatte auch über Alternativen des Zusammenlebens in Gang bringen”
V reicht den Geschworenen und dem Gericht dazu Kopien eines Artikels aus der Neuen Zürcher Zeitung (den Titel habe ich nicht mitbekommen, vermute aber, dass es sich um
diesen Artikel handelt) und liest daraus vor.
Es sei beeindruckend, was am Modelhof “an Kulturaktivität ermöglicht wird”; es gebe “Opernveranstaltungen” etc. V verteilt auch den Ausdruck eines “Rankings” von Wirtschaftsteilnehmern in der Schweiz und bemerkt, wenn ich es richtig mitbekommen habe, dass darin stehe, M sei “Staatsbürger von Avalon”. M sei allenfalls libertär, aber kein Staatsfeind.
Spoiler
Und wie ich vorhin bereits angedeutet habe, sehe ich das durchaus ähnlich wie der Verteidiger. Mit Ms Äusserungen in der Öffentlichkeit muss man nicht einverstanden sein oder sie für besonders hohe Philosophie halten, aber eines steht fest: Diesen Äusserungen fehlen einige zentrale, konstituierende Elemente reichsdeppischer Geistesverwirrung, beispielsweise (wie schon erwähnt) die Mensch/Person-Thematik, das Fabulieren von alliierten Besatzungsmächten und SHAEF, Weltherrschaft des Vatikans und ähnlichen Mythen, die völlige Negierung der juristischen Kompetenz von Systemjuristen und der Hass auf diese (immerhin hat M seine Tochter nicht verstossen, oder?), aber auch die Deppenphrase “Der Staat/die Polizei/die Behörde XY/etc. ist eine Firma” – M als Ökonom dürfte ohnehin viel zu gut darüber Bescheid wissen, was der Begriff “Firma” bedeutet. Ms Äusserungen lassen eher darauf schliessen, dass er sich einen “Nachtwächterstaat” wünscht, der sich so weit wie nur möglich aus den Angelegenheiten der einzelnen Individuen heraushält. Verweigern tut er den real existierenden Staat letzten Endes aber nicht, und wenn er auch nicht direkt gern Steuern bezahlt, so bezahlt er sie doch – zumindest lägen mir keine anderslautenden Hinweise vor.
Müsste ich an Vs Stelle eine Lanze für M brechen (was kein Problem ist, denn ich habe mehrere Ersatzlanzen), dann würde ich das mit den in Ms Äusserungen fehlenden konstituierenden Elementen des Reichsdeppentums auf jeden Fall dick unterstreichen. Denn die Verteidigung will erreichen, dass die Geschworenen den subjektiven Tatbestand verneinen. Ich habe von der Verhandlung her aber den Eindruck, dass weder V noch die Tochter – wer kann ihnen das verübeln? – noch wahrscheinlich die Geschworenen, ja nicht einmal die Mitglieder des Schwurgerichtshofes – in Sachen Reichsdeppologie allzu spezialisiert oder interessiert sind. Gut möglich, dass ich mit einigem Abstand die Spezialisierteste und Interessierteste im Saal war. Etwas mehr Hintergrund bezüglich der Ausdrucksformen reichsdeppischer Verblendung (und inwiefern sich Ms Einstellung davon unterscheidet) hätte der Verteidigung eventuell geholfen oder könnte noch helfen, zumal der Prozess am 25. Januar Jänner in die Verlängerung geht.
V: “Sie sehen also: Avalon war nicht der Versuch, in der Vergangenheit 2006 einen Staat zu gründen, irgendeinen Putschversuch zu machen.” “Avalon” habe seinen Sitz in Müllheim. Der Modelhof sei 2012 eröffnet worden, als Gäste seien damals unter anderem die Regierungsräte des Kantons Thurgau eingeladen gewesen.
Spoiler
Und schon wieder muss ich mich der Darstellung des Verteidigers weitgehend anschliessen. Versteht mich nicht falsch: Ich hege keine Sympathien für “Avalon”. Für mich ist “Avalon” die Eitelkeit und Selbstbeweihräucherung eines reichen Schwurblers, die sich im Modelhof materialisiert. Aber wenn “Avalon” eines niemals gewesen ist, dann ein ernsthafter Sezessionsversuch. In der Schweiz nennen wir sowas wie Ms “Avalon” einen Spleen und man erzählt sich, dass erstsemestrigen Jus-Studierenden einer Schweizer Universität in der Staatsrechtsvorlesung schon Bilder des Modelhofes gezeigt wurden, um zu illustrieren, was ein Staat nicht ist.
Die nächste Folie trägt den Titel “Zum Verständnis des ICCJV”, wozu V bemerkt: “Da müsste eigentlich stehen: Zum Verständnis des Dr. Model”. Die Geschworenen müssten sich ein Bild von M machen, “was war sein Verständnis des ICCJV”.
An einem bestimmten Punkt habe M gesagt: “Nein! Ich will damit nix zu tun haben!”
Für M sei es beim ICCJV um die Fragestellung gegangen, “ob eine zivilgesellschaftliche Initiative ein rein auf Menschenrechten und Völkerrecht gegründetes, internationales Gericht gründen kann”.
Den Modelhof habe er dem ICCJV für die Zeit der Anerkennungsbemühungen zur Verfügung gestellt. Der ICCJV sollte Verträge mit “völkerrechtlichen Gebietskörperschaften” und mit Unternehmen schliessen, um operativ tätig werden zu können. Für M habe die Konzeption in der Gründung bestanden und die eigentliche “Geburt” des ICCJV “lag durch Schlüsselaufgaben wie Anerkennung noch in der Zukunft”.
“Der Dr. Model ist Schweizer”, in der Schweiz herrsche “eine völlig andere Rechtskultur”. Es gebe Abstimmungen usw. Beim ICCJV habe es sich für M um “work in progress” gehandelt, er habe ihm “keine rechtsstaatliche oder hoheitliche Bedeutung zu keinem Zeitpunkt” beigemessen. V fordert die Geschworenen auf, sich in Ms Situation 2017 hineinzuversetzen.
Entscheidend sei, dass die Einstufung des ICCJV als “staatsfeindliche Verbindung” erst 2021 für M wahrnehmbar gewesen sei; für M sei das “Projekt” aber schon früher beendet gewesen und er habe danach gegenüber den ICCJVlern “einfach abgeblockt”.
Der “Gründungsvertrag” des ICCJV sei am 02.10.2015 gemäss Text in Bern unterzeichnet worden, M habe aber “physisch” nur am Modelhof mit dem ICCJV zu tun gehabt. Den “Gründungsvertrag” habe er nur unterfertigt, nicht erstellt. V stellt die Situation dieser Unterzeichnung so dar, als sei die Unterschrift dem M quasi untergejubelt worden unter vielen zu unterzeichnenden Dokumenten.
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Anmerkung: Dieser Argumentation gegenüber bin ich jetzt eher skeptisch. Auf dem “Gründungsvertrag” hat M mit Kleinschreibung des Namens und rotem Fingerabdruck unterzeichnet; das macht man wohl kaum so, wenn einem etwas untergejubelt wird, es sei denn, man würde gewohnheitsmässig auf Deppenart unterzeichnen. Und in dem Verdacht habe ich M eben gerade nicht.
Die Aktivitäten des ICCJV in Österreich habe M gar nicht mitbekommen weil er “dafür gar keinen Kopf hat”.
Laut StA gebe es den ICCJV seit dem 19.06.2014. M sei nicht involviert gewesen in die “Causa Hollenbach” und im von der StA erwähnten Zeitungsartikel habe M nicht “bestätigt, dass es Übergriffe gab”.
Dass das letzte Treffen zwischen M und ICCJV im Oktober 2017 stattgefunden habe, sei nicht richtig, es habe gar kein Treffen im Oktober 2017 gegeben. Der von der StA genannte Tatzeitraum 02.10.2015-08.10.2017 sei nicht richtig.
Ab Mitte 2016 habe M ein “Amt als Friedensrichter” innegehabt. Das sei einfach ein “Moderator zwischen zwei Streitparteien” oder “österreichischen Streithanseln”. “Ich kann gar nicht in irgendeiner Funktion beitragen, solange es diese Anerkennung nicht gibt”, meint V, und will damit sagen, dass ja der ICCJV nach Ms Verständnis noch nicht “geboren” worden sei.
“M wurde in dieser Funktion nie tätig”. Auch sei M nie in irgendeiner Funktion als Vertreter des ICCJV aufgetreten und habe keine führende Position innegehabt. Zahlreiche Treffen des Pappnasengerichts hätten ohne M stattgefunden. In der internen Post des ICCJV sei er lediglich als “Liebes Mitglied” angesprochen worden.
Nun kommt V auf das angebliche Darlehen an Willibald Landschützer zu sprechen: M habe Landschützer Mitte 2015 auf einer vom ICCJV unabhängigen Veranstaltung kennengelernt. Für M sei Landschützer einfach ein toller Tischler gewesen. Er habe mit ihm auf einer “Vertrauensbasis” ein privates Darlehen vereinbart, da Landschützer ein Investment mit 10% Verzinsung und Mindesteinlage 150000 Euro gefunden habe. M sei eben ein gutmütiger Mensch. Am 04.10.2016 habe er versucht, 165000 Schweizer Franken auf ein
privates Konto von Landschützer zu überweisen, die Transaktion sei aber gescheitert. Bezüglich des Risikos des geplanten Investments habe M gedacht, Landschützer könne im Falle eines Scheiterns den geschuldeten Betrag mit seinen handwerklichen Fähigkeiten ausgleichen.
Im November 2016 habe er ihm daher 5kg Gold übergeben. Zweck sei ein Darlehen an eine Privatperson gewesen, nicht die Unterstützung des ICCJV.
M schätze Handwerksarbeit sehr, daher hätte er auch eine Tilgung des Darlehens durch Tischlerarbeit akzeptiert. Landschützer sollte den Innenausbau des Modelhofes fertigstellen. Einen schriftlichen Beleg für das Darlehen gebe es schon aus dem Jahr 2020, nicht erst seit 2021. Das Dokument von 2021 sei lediglich eine Bestätigung, “dass jemand ein Darlehen schuldet”.
V verteilt das Dokument von 2020.
Bei einem ICCJV-Treffen am 25.08.18 habe Landschützer dann angegeben, er habe das Geld in einer Funktion als Vertreter des ICCJV entgegengenommen. Zu dieser Zeit habe er nämlich um seine Position beim Pappnasengericht fürchten müssen und wohl geglaubt, sich durch die Akquisition einer solchen Summe einen Vorteil zu verschaffen. Die anderen Mitglieder seien davon “überrascht” gewesen.
Landschützer habe das Gold für 184’750 Euro verkauft und 150’000 einem Banker zu Tradingzwecken übergeben.
Dass M dem ICCJV “den Modelhof als Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt” haben soll, hält V fest: “Aus seiner Sicht ist das unrichtig!” Der Modelhof sei für M ein Ort für Kulturveranstaltungen, da gebe es eine Bühne, das sei “so viel mehr als der Sitz des ICCJV”. Bei der Nutzung durch den ICCJV sei es “um einen einzigen Seminarraum im Modelhof” gegangen, “für 18 Monate zur Verfügung gestellt”.
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Nun gut. Und der im Veranstaltungskalender des Modelhofes angekündigte Vortrag von Ullrich Zimmermann über die Geschichte des ICCJV am 09.06.2017, der kurzfristig abgesagt wurde, hätte dann in diesem Seminarraum stattgefunden? Wir werden es nie erfahren.
Übrigens habe ich mich auch schon öfters gefragt, wo eigentlich im Frühjahr 2017
dieses Foto aufgenommen wurde mit dem Logo des ICCJV auf … Pappschachteln. Sieht wie ein Keller aus. Vielleicht gab es da praktischerweise eine Teeküche?
V weiter: Die Mitglieder des ICCJV hätten nie über selbstständige Zutrittsmöglichkeiten zum Modelhof verfügt.
Spoiler
Also musste die Pappnasen jedesmal von Neuem einer reinlassen. Ob dieser Aspekt so vorteilhaft ist für die Verteidigung…
“Es war Dr. Model ein Anliegen, jedwedes staatsfeindliche Gedankengut fernzuhalten”, steht auf der aktuellen Folie.
M sei regelmässig
nicht Teilnehmer der “zahlreichen” ICCJV-Treffen gewesen und habe nichts bestimmt, er sei kein Angehöriger von besonderen Gremien des Deppengerichts gewesen.
Zum Vorwurf der Teilnahme an Treffen des ICCJV sagt V: “An vier der fünf angeführten Treffen war M nachweislich nicht beteiligt”. Drei dieser Treffen hätten gar nicht am Modelhof stattgefunden.
V verteilt den Ausdruck einer E-Mail, in der sich M von einem Deppentreffen, zu dem er eingeladen war, entschuldigt, “ich werde nicht dabei sein können”, statt dessen sei er im Engadin zum Abendessen eingeladen gewesen.
Am 15.05.2017 habe M dem ICCJV das Gastrecht im Modelhof entzogen und sei am Tag eines der vorgeworfenen Treffen im Juni 2016 mit seinem Sohn auf einer Motorradtour gewesen. V verteilt ein Foto, welches dies belegen soll. Am 20.08.2017, dem Tag eines weiteren vorgeworfenen Treffens, sei M an einem Anlass in Deutschland gewesen. Einzig an die Teilnahme an einem Treffen am 10./11.12.2016 könne sich M erinnern.
Im November 2016 [also kurz vor besagtem Treffen] sei es M erstmals aufgefallen, dass etwas nicht stimme. Grund dafür sei die Strafanzeige von
@Dietmar Mühlböck gewesen. Er habe sich diese dann von den Pappnasen erklären lassen. Im Mai 2017 sei es zur Einvernahme gekommen. M “hat überhaupt nichts gewusst von diesem Vorfall”. Später sei das Verfahren eingestellt worden.
Spoiler
Für unsere weniger gut mit der Geschichte vertraute Leserschaft sei hier kurz erklärt, dass der österreichische Blogger
@Dietmar Mühlböck M damals wegen Nötigung angezeigt hat, weil er von Mitgliedern des ICCJV bedroht wurde, u.a. mit einem “Haftbefehl”. Mühlböck verdächtigte M nämlich, den ICCJV zu finanzieren und ihm damit überhaupt erst zu ermöglichen, solche Handlungen zu setzen.
In der ORF-Doku “Österreich nein danke 2” ist zu sehen, wie Mühlböck beim Modelhof an der Tür klingelt, um sich den Sheriffs zu “stellen”. Als niemand die Tür aufmacht, reist er mitsamt dem Fernsehteam weiter zur Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, um M dort anzuzeigen. Im Sonnenstaatland-Forum wurde damals die Geschichte interessiert mitverfolgt, wobei sich
@Dietmar Mühlböck auch persönlich zu Wort gemeldet hat. In dieser Sache hat sich die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen übrigens nicht direkt mit Ruhm bekleckert, soweit ich mich erinnere.
Ich hatte mich vor der jetztigen Verhandlung noch gefragt, ob
@Dietmar Mühlböck eventuell als Zuseher oder gar als Zeuge anwesend sein könnte, und mich darauf gefreut, ihn einmal persönlich kennenzulernen. Er war aber nicht da.
V weiter: Die Staatsanwaltschaft behaupte: Ende 2017 habe es Divergenzen zwischen M und dem ICCJV gegeben. Nun zitiert er aus einer von M an den ICCJV gerichteten Mail, die (wenn ich es richtig verstanden habe) bereits vom 15.05.2017 stammt: “Der ICCJV muss sich eine neue Adresse besorgen”, “bei mir als Unternehmer ist etwas zu holen”, “auch die Aussichten sind nicht positiv”, das zeigten auch Medienberichte. Auch für die vier im Handelsregister eingetragenen ICCJV-Organisationen
IRO,
IRC,
ISA und
IIA habe M in dieser Mail eine Domiziländerung verlangt.
Diese Mail belege Ms Distanzierung vom ICCJV bereits im Mai 2017.
OK, auch eine Distanzierung im Mai 2017 ist immer noch reichlich spät.
Aber in diesem Punkt neige ich stärkstens dazu, der Verteidigung zu glauben.
Mich hat bereits bei der Verlesung der Anklage gewundert, dass die Staatsanwaltschaft den Zeitpunkt der Vertreibung des ICCJV aus dem Müllheimer Paradies erst im Oktober 2017 ansetzt. Dem Sonnenstaatland ergaben sich entsprechende deutliche Anzeichen bereits im Juni und Juli 2017, wie man sowohl im Forum als auch im Wiki seit 2017 nachlesen kann.
Das erste Anzeichen war der für 09.06.2017 geplante und dann plötzlich abgesagte Vortrag von Ullrich Zimmermann (stellvertretender Oberdepp, da Marcus Steiner zu dem Zeitpunkt im Häfn sass) über die “Geschichte des ICCJV”. Dieser Termin verschwand zwischen dem 26.05. und 07.06.2017 aus dem Terminkalender des Modelhofes, wie man
hier und
hier nachlesen kann.
Nicht viel später (allerspätestens Anfang Juli) entdeckte ich auf der Website des Pappnasengerichts eine neue Adresse:
ICCJV International
Postfach 45
CH-2557 Studen
Am 13.07.2017 unternahm ich daher eine Velotour [für Grosskantonesen und Ösis, das ist eine Radtour], die auch durch Müllheim führte, wobei ich sämtliche Bilder machte, mit denen ich gerade die Blogartikel dieses Prozessberichts illustriere.
Damals wollte ich insbesondere den Briefkasten inspizieren, ob dort immer noch das
in der ORF-Doku gezeigte Briefkastenschild “ICCJV International” angebracht war. Vor Ort entdeckte ich zwar das Schild noch, aber es war mit einem provisorischen Namensschild “Dubravec” überklebt, sodass die Aufschrift nicht lesbar war. Daraus zog ich dann den Schluss, dass der ICCJV wohl aus dem Modelhof ausgezogen war, siehe
hier.
Das schliesst natürlich nicht aus, dass M trotzdem noch im Oktober an irgendwelchen Treffen des ICCJV teilgenommen haben könnte, aber ob das wahnsinnig plausibel ist… Woran die Staatsanwaltschaft “ihr” Ende des Pappnasengastrechts in Müllheim festmacht, wurde im Laufe der von mir besuchten Verhandlung leider nicht konkret erwähnt.
Deshalb: Punkt für die Verteidigung; und: Es macht mich immer noch WAHNSINNIG, dass ich das Briefkastenschild der Pappnasen nicht mitgenommen habe!!!!!! Was wäre das für eine Trophäe gewesen!
V weiter: Ab dem Zeitpunkt der Distanzierung, und damit meint er also Mitte Mai 2017, habe es keine Veranstaltungen des ICCJV mehr im Modelhof gegeben. M habe auch sein “Amt” als “Friedensrichter” abgelegt.
V zitiert wieder aus einer Mail von M [leider bin ich nicht sicher, ob es sich um die bereits oben zitierte Mail handelt oder um eine weitere] und meint dazu: “Das ist die schweizerische Formulierung für ‘Lasst’s mich mit eurem Blödsinn bitte in Ruhe’”.
Zur Anzeige von
@Dietmar Mühlböck legt V das Einvernahmeprotokoll vom Mai 2017 vor. M sei dort erstmals konkret mit dem Fehlverhalten und den Verstössen durch die Pappnasen konfrontiert worden. M kenne Mühlböck nicht einmal. Die Zustellung der Ladung zur Vernehmung als Beschuldigter sei am 15.05.2017 erfolgt [also am Datum der Distanzierungsmail – vorbehaltlich eines Fehlers meinerseits wegen der doch starken Abgekürztheit meiner Notizen].
M sei in die untersuchten Vorgänge “überhaupt nicht involviert” gewesen, es seien “völlig haltlose Vorwürfe jedenfalls gegen M”, sagt V und bittet die Geschworenen: “Seien Sie so fair dem Dr. Model gegenüber”.
Nun geht es um die “Causa Hollenbach” – diesen Begriff verwendeten die Richter, die StA und V für die Ereignisse rund um die versuchte Entführung einer Rechtsanwältin durch ICCJV-Mitglieder und die Fantasiehaftbefehle gegen österreichische Politiker im Jahr 2014. “Ordnen Sie das bitte richtig ein”, sagt V. M sei darauf
im von der StA erwähnten Interview angesprochen worden und “sagte, dass er eben gerade nicht über die Art und Weise Bescheid wusste, was dort damals vorgefallen ist”. Bis zur Vernehmung durch die Kantonspolizei Thurgau habe M “keinerlei strafrechtliche Berührungspunkte des ICCJV auch nur für möglich gehalten”.
V verteilt nun eine Mail von M, in der es heisst, M könne die Beziehung zum ICCJV jederzeit abbrechen, wenn es Anzeichen für Probleme gebe.
Versuche von Marcus Steiner (der Oberpappnase) zwischen Juli 2017 und Oktober 2018, M zum Umdenken zu bewegen und den Modelhof zurückzugewinnen, seien erfolglos geblieben. M habe den ICCJV rausgeschmissen und verlangt, dass auch die vier “NGOs” von der Adresse des Modelhofes verschwinden.
Nun kommt V zu der wichtigen Frage: Mit welchem Vorsatz hat M 2016/2017 agiert? Für eine Verurteilung nach
§246 StGB müsse M vorsätzlich gehandelt haben, “und da ist die Anklageschrift schon etwas sportlich”. §246 verlange auf der subjektiven Seite bedingten Vorsatz.
Nun kommt V mit einem Gutachten an, das ein Professor Lebisch verfasst habe und worin dieser zum Schluss komme, dass M keine Staatsfeindlichkeit vorgeworfen werden könne (oder ähnlich, da sind meine Notizen etwas unklar).
An dieser Stelle bemerkt V, dass der Vorsitzende Richter mit einer der Beisitzerinnen in ein Gespräch vertieft scheint, und meint: “Ich hab Sie glaub’ich verloren”.
VR: “Ich bin multitasking”.
V verteilt das besagte Gutachten, wobei er ganz subtil andeutet, was er von diesem Verhalten des VR hält.
V: Entscheidend sei die Frage: “Was war der Wissensstand des Dr. Model anno dazumal?” Wieder zitiert er aus dem Interview.
Ms Intention bei der ganzen Geschichte sei die Unterstützung einer “zivilgesellschaftlichen Initiative” gewesen [welch edler Ausdruck für das Pappnasengericht].
Sofort nach Kenntnis des “Fehlverhaltens österreichischer Mitglieder” und der
Verurteilung des Marcus Steiner 2017 habe sich M vom ICCJV distanziert.
Der Verteidiger beschliesst seine Replik mit der Beantragung eines Freispruchs. “Er wird sich nicht schuldig bekennen”.
Es ist jetzt 11:50 und das Gericht verordnet eine brutal kurze Mittagspause von 30 Minuten.
Nachdem ich mir die bisherige Verhandlung angehört habe, staune ich nicht schlecht darüber, wie gut ich tatsächlich über den ICCJV und die angesprochenen Ereignisse Bescheid gewusst habe bzw. wie gar nicht mal so falsch ich mit etlichen Vermutungen und Einschätzungen lag.
Paradoxerweise glaube ich mir die Behauptung anmassen zu können, dass ich in manchen kleinen Details sogar besser als die eine oder andere Seite Bescheid wusste.
Das ist das exakte Gegenteil meiner ursprünglichen Erwartung. Ich hatte gehofft, dass ich hier eine grosse Fülle an Informationen aufschnappen würde, die es mir erlauben würden, den Wiki-Artikel über die Pappnasen endlich aktualisieren zu können.
Und ich denke mir zufrieden: Ganz so schlecht habe ich meinen ersten Wiki-Artikel über M damals nicht getroffen.