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Wie der Prüfungsskandal an der Polizeihochschule in Rothenburg ablief, ist weitgehend geklärt.
Im Herbst 2018 geriet die Sächsische Hochschule der Polizei Rothenburg in die Schlagzeilen – äußerst unangenehme. Es wurde publik, dass 175 Studierende des 24. Jahrgangs schon vor der Prüfung Kenntnis von den Prüfungsaufgaben hatten, weil diese „durchgestochen“ wurden. Köpfe rollten, der Rektor musste seinen Hut nehmen, es gab Disziplinarmaßnahmen, Prüfungen wurden wiederholt. Jetzt, gut zwei Jahre später, ist der Skandal vor Gericht gelandet. In Weißwasser begann am Montag eines von mehreren Verfahren zu diesem Fall. Angeklagt ist eine ehemalige Studentin wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht.
Als Zeugin erschien auch die mutige junge Frau, die „die Lawine damals ins Rollen brachte“, wie es Richter Christoph Pietryka ausdrückt. Die 22-Jährige sagt zu ihrer damaligen Motivation: „Wie könnte ich Polizeibeamtin sein, die ja unter anderem Betrug bekämpfen soll, wenn ich selbst einen Betrug bei der Prüfung mitmache?“
Nach ihren Worten war im März 2018 vor einer umfangreichen Modulprüfung Folgendes passiert: „Wir bekamen zunächst den Hinweis, dass wir nicht so intensiv lernen müssten, wir würden noch Informationen erhalten“, erinnert sie sich. Sie dachte, es ginge um eine (durchaus nicht unübliche) Eingrenzung des Prüfungsstoffes. Ein bis zwei Wochen vor dem Prüfungstermin habe der Sprecher ihres Kurses (es gab sieben á 25 Studierende) die Prüfungsaufgaben für jene Modulprüfung aus dem Verwaltungsbüro geholt. Es wurden Fotos gemacht, die Bilder in eine Nachrichten-Box ins Internet gestellt und der Link dafür in einer Studentengruppe im Nachrichten-Netzwerk WhatsApp geteilt. Nachdem sich alle Gruppenmitglieder „bedient“ hatten, wurde alles im Internet gelöscht.
Damaliger Rektor reagiert nicht
„Ich konnte nicht glauben, dass das wirklich die Prüfungsaufgaben sind und habe deshalb auch das andere gelernt. Aber am Ende kamen genau diese Fragen, wortwörtlich und sogar in der Reihenfolge, wie wir sie hatten“, erzählt die Zeugin. Auch die anderen sechs Kursgruppen hatten die Prüfungsaufgaben im Vorfeld, sie wisse nicht immer, auf welchem technischen Weg sie geteilt wurden. Für den Kurs der Angeklagten habe sie gehört, dass die Angeklagte die Aufgaben vorgelesen haben soll. Ihr sei schnell klar geworden, dass „das nicht geht“ und habe einen Dozenten informiert. Sie sei sicher, dass die Information auch beim damaligen Rektor der Hochschule gelandet sei, aber nichts sei passiert.
Im Juli habe es erneut zwei Prüfungen gegeben. Das Spiel lief ähnlich wie im März. Der Kurssprecher ihres Kurses habe erneut die Informationen aus dem Verwaltungsbüro besorgt, die dann im Prüfungsjahrgang verteilt wurden. Bei diesen Modulen seien die Aufgaben zwar nicht so konkret benannt gewesen, aber „geholfen“ habe es bei der Prüfung trotzdem. Als im September die nächste Prüfung anstand, habe sie einem Professor vor der Prüfung die eigentlich noch geheimen Prüfungsaufgaben zugespielt. Dann endlich sei etwas passiert.
Als Verräterin gemieden
Es wurde statt der durchgestochenen Prüfungsvariante eine B-Variante benutzt, eine weitere Prüfung wenig später verschoben. Der Skandal wurde publik – und innerhalb des Ausbildungsjahrgangs der künftigen Polizeikommissare nach dem „Verräter“ gesucht. „Ich war schnell in Verdacht, zwar aus falschen Gründen, aber egal. Danach wurde ich gemobbt, jeglicher Kontakt mit mir wurde vonseiten der anderen Polizeischüler gemieden“, erzählt die Zeugin, die inzwischen als Polizeikommissarin arbeitet. „Dieser ganze Betrug war sehr strukturiert und hat meiner Meinung nach nicht mit unserem Jahrgang angefangen“, schätzt sie ein.
Inwieweit die angeklagte Mitstudentin, damals eine Kurssprecherin, verwickelt war, konnte vor dem Amtsgericht bislang kaum aufgeklärt werden. Die Hauptzeugin sagte zwar, dass die Prüfungsaufgaben wohl über die Kurssprecher verteilt wurden, war im Kurs der Angeklagten aber logischerweise nicht dabei. Zwei Zeugen, die Mitschüler im Kurs der Angeklagten waren, belasteten sie aber nicht. Sie gaben an, nicht mehr zu wissen, wie sie konkret an die Prüfungsaufgaben gekommen sind beziehungsweise, dass da ein Zettel mit den Aufgaben lag, den sich jeder abschreiben konnte. Wer ihn hingelegt hatte und wieder wegräumte, blieb unklar. Und jener Verwaltungsbeamte, der die Prüfungsaufgaben widerrechtlich herausgegeben hatte und der suspendiert wurde, machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Sein Verfahren folgt nach Gerichtsangaben noch – wie auch zwei weitere.
In diesem Verfahren wird das Amtsgericht am 14. Dezember zwei weitere Zeugen vernehmen. Dann entscheidet sich, ob die Kurssprecherin wie ein anderer Kurssprecher (mit einer Geldstrafe) verurteilt oder freigesprochen wird