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Am Amtsgericht wurde Hannig am Freitag ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz vorgeworfen. Es ist bereits der zweite Anlauf, nachdem ein erster Anlauf Anfang November aufgrund Erkrankung Hannigs ausgesetzt worden war. Auf der Facebook-Seite seiner Kanzlei, "Hannig - wir lösen Probleme", wurde im Mai 2019 ein Video gepostet, das zwei Jugendliche beim Abreißen von AfD-Wahlplakaten in Leipzig zeigte.
Damals war Europawahlkampf, und das Video sollte Hannigs Forderung unterstreichen, dass, ginge es nach dem Härteerlass von Sachsens Generalstaatsanwaltschaft, bitteschön nicht nur Ladendiebe und Schwarzfahrer konsequenter geahndet werden sollten, sondern auch die Täter auf dem Video. Die Bilder jedoch, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Dresden, seien ohne Zustimmung der Jugendlichen veröffentlicht worden.
Entlastungszeuge aus der Kanzlei
Hannig hatte schon zum Auftakt des ersten Prozesses ausgesagt, dass er mit der Sache nichts zu tun habe – er aber auch nicht gedacht hätte, dass dies strafbar sein könnte. Er argumentierte, dass die Staatsanwaltschaft nun ihn verfolge, die Jugendlichen aber nicht. Er selbst habe von dem Post erst im Februar erfahren, so Hannig.
Für diesen zweiten Anlauf hatte Richter Ralf Schamber lediglich einen Kanzleimitarbeiter Hannigs als Zeugen geladen, zu dessen Vernehmung es im ersten Anlauf nicht mehr gekommen war. Der Jurist (31) sagte, die Ehefrau des Angeklagten habe den fraglichen Post veröffentlicht. Das habe sie ihm gesagt, als der Vorwurf per Post von der Justiz in der Kanzlei eingegangen sei, berichtete der Zeuge.
In den Anfangsjahren habe er selbst oft Posts auf der Facebook-Seite der Kanzlei veröffentlicht, inzwischen mache das die Ehefrau selbstständig. Er selbst verfolge jedoch die Resonanz der Seite, die Klickzahlen und ähnliches. Was inhaltlich mit dem Post gemeint war, könne er nicht sagen. Der Härteerlass der Generalstaatsanwaltschaft sage ihm nichts.
Mit dieser Aussage war die Beweisaufnahme erledigt. Zumindest für den Angeklagten. Der Staatsanwalt beantragte einen Freispruch und erklärte ausführlich, dass die Jugendlichen auch verfolgt, ihre Verfahren aber nach den Jugendgerichtsgesetz eingestellt worden seien. Mit dem Begriff "Plakathelden" für die Jugendlichen habe sich derjenige, der den Post auf der Kanzlei-Seite veröffentlichte, den Inhalt des Videos zu eigen gemacht, sagte der Staatsanwalt. Das sei durchaus strafbar.
Keine Antwort von Twitter
Die Polizei habe auch versucht, gegen andere zu ermitteln, die das Video ebenfalls veröffentlicht hatten, allerdings auf Twitter. Dieses Unternehmen habe jedoch die Inhaber der fraglichen Konten nicht herausgegeben (besser: Twitter soll wohl gar nicht geantwortet haben), so dass weitere Beschuldigte nicht bekannt gemacht werden konnten. Man hätte die Ermittlungen gegen Hannig abkürzen können, wenn der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren mitgeteilt hätte, wer das fragliche Video auf seiner Seite veröffentlich hatte, so der Staatsanwalt.
Verteidigerin Claudia Piasecki fasste sich kurz. Hannig dagegen, man kennt das, nutzte sein "letztes Wort" als Angeklagter, um seine Sicht nochmal klarzustellen. Er nannte das Verfahren gegen ihn "traurig und enttäuschend". Staatsanwaltschaft und Verteidiger seien in einem Rechtsstaat zwei Seiten derselben Medaille, so der Anwalt. Hannig: "Wir versuchen, Politik im Sinne des Rechtstaats zu machen." Das sind Sätze, die Hannig gerne und oft sagt, auch in seinen eigenen Video-Beiträgen. Allerdings, in diesem Verfahren war er nicht Verteidiger, sondern Angeklagter.
Richter Ralf Schamber sprach den Anwalt wie erwartet frei und sagte, die Tat sei ihm nicht nachzuweisen. Der 31-jährige Zeuge habe detailliert geschildert, wie die Ehefrau des Angeklagten auf ihn zugegangen sei und ihre Verantwortung dafür übernommen habe. Hannig sei nicht nachzuweisen, die Veröffentlichung selbst getätigt zu haben. Ob nun auch gegen Hannigs Frau ermittelt wird, sei Sache der Staatsanwaltschaft. Nach einer Dreiviertelstunde war der zweite Anlauf vorbei.
Neues Überfallvideo mit tausenden Aufrufen
Die Sache mit dem Überfall ist noch lange nicht vorbei. Frank Hannig wäre nicht Frank Hannig, wenn er nicht auch diesen ungewollten Perspektiv-Wechsel zu nutzen wüsste. Unmittelbar nach der Auseinandersetzung mit dem Pick-up-Fahrer, saß der Dresdner Anwalt in der Tankstelle und filmte seine ersten Eindrücke - atemlos, bis unter die Haarwurzel voll mit Adrenalin und mit blutverschmiertem Gesicht.
Am Sonntagvormittag hatte das fünfminütige Video, im dem auch der Ausschnitt zu sehen ist, wie der Angreifer "du ♥♥♥" ruft und unvermittelt auf Hannig losstürmt, fast 100.000 Aufrufe. Immerhin hatte der Anwalt den 51-Jährigen in dem Video unkenntlich gemacht. Andernfalls hätte er wohl den mutmaßlichen Täter um seine Zustimmung zur Veröffentlichung des Videos bitten müssen.