Dabei gibt eben besagtes SOG auch für eine "Bitte" (im Original: "Anregung") keine Handhabe, weil in §11 alle einschränklbaren Grundrechte genannt sind, und Art. 5 GG ist eben nicht dabei.
Das hatte ich schon oben erwähnt. Unter das Zitirgebot fallen nur Grundrechte mit
einfachem Gesetzesvorbehalt. Bei Art. 5 Abs. 1 GG jedoch handelt es sich um Grundrechte mit einem
qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Bei einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt wird im Grundgesetz nur erwähnt, dass dieses Grundrecht durch Gesetz eingeschränkt werden kann. Bei einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt jedoch wird im Grundgesetz angegeben, durch welches Gesetz oder welche Art von Gesetzen das Grundrecht eingeschränkt werden kann. In Art. 5 Abs. 2 GG sind diese Arten von Gesetzen aufgezählt, die Meinungs- und die Pressefreiheit können daher durch allgemeine Gesetze, sowie Regelungen zum Schutz der Jugend und zum Schutz der persönlichen Ehre eingeschränkt werden. Ein Verweis auf die Einschränkung von Grundrechten nach Art. 5 Abs. 1 GG brauchen diese Gesetze aber gerade nicht enthalten.
Zum zweiten Teil des Kommentars, dass eine Bitte oder Anregung nicht vom SOG LSA abgedeckt sei. Ja, es gibt im SOG LSA keine Norm, die eine Bitte oder Anregung explizit regelt, aber es gibt den § 13 SOG LSA, die polizeirechtliche Generalklausel, quasi das Taschhenmesser des Gefahrenabwehrrechts. Die Generalklausel greift dann, wenn es keine speziellere Maßnahme gibt, die im Polizeirecht geregelt ist. Notwendig ist eine solche Generalklausel weil der Gesetzgeber nicht jeden eventuell mal eintretenden Fall voraussehen kann und ein Eingriff im Rahmen der Gefahrenabwehr nur zulässig ist, wenn eine Norm dies vorsieht, das ergibt sich aus der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Strittig ist seit jeher, was denn nun ein Eingriff überhaupt ist. Nach dem klassischen Verständnis ist ein Eingriff jeder staatliche Rechtsakt, der unmittelbar auf die Beeinträchtigung von Grundrechten bei bestimmten Grundrechtsträgern gerichtet ist.Nach dem klassichen Verständnis läge hier kein Eingriff vor, da es bereits an einem staatlichen Rechtsakt fehlt der unmittelbar wirkt. YouTube wurde die Veröffentlichung des Videos ja nicht untersagt, eine solche Untersagung wäre mangels Durchsetzbarkeit bei einem ausländischen Unternehmen auch wirkungslos.
Heutzutage wird der Eingriff jedoch weiter verstanden. Ein Eingriff liegt bereits dann vor, wenn eine Grundrechtsbeeinträchtigung einem staatlichen Handeln auf sonstige Weise zugerechnet werden kann. Zunächst ist zu prüfen, ob hier überhaupt eine Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt.
@stk hat auf den Art. 5 verwiesen. Die Freiheit von Kunst, Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 GG kommen vier nicht in Frage, bleiben also die Meinungs- und Pressefreiheit aus Abs. 1. Meinungen sind durch ein Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Ein Video, welches unkommentiert Tatsachen zeigt ist somit noch keine Meinung, kann aber der Meinungsbildung dienen. Wenn das Video dagegen mit Kommentaren versehen worden wäre, dann wäre es unstreitig eine Meinungsäußerung. Die Kombination aus Video und Artikel, der sich auf das Video bezieht, ist eine Meinungsäußerung. Der Artikel würde auch unter die Pressefreiheit fallen. Die Polizei hat nun nicht den Artikel sondern nur das Video entfernen lassen, die tatsächliche Meinungsäußerung und das Presseerzeugnis dagegen blieben unangetastet. Einen Eingriff in die Pressefreiheit mag ich daher nicht erkennen.
Fraglich bleibt, ob in die Meinungsfreiheit eingegriffen wurde, weil das tragende Element der Meinungsbildung, das Video, entfernt wurde. Dafür spricht, dass die Meinungsäußerung durch die fehlenden Belege entwertet wurde. Der Leser des Artikels kann die Meinungsbildung nicht mehr nachvollziehen und sich kein eigenes Urteil bilden. Dagegen spricht, dass es an der engen Verbindung zwischen Video und Artikel fehlte. Zumindest die entscheidenden Stellen aus dem Video hätten mit dem Artikel verbunden werden können, indem sie auf den Servern der MZ abgelegt wurden. Eine solche auszugsweise Wiedergabe wäre wie ein Zitat zu behandeln. In der gewählten Form hätte der Zusammenhang jederzeit durch den ursprünglichen Veröffentlicher des Videos zerstört werden können, wenn dieser sich entschlossen hätte, das Video zu löschen. Nach meiner Meinung handelt es sich bei dem Video daher um keine Meinungsäußerung, einen Eingriff sehe ich durch das Handeln der Polizei daher nicht.
Das Gegenteil ist aber auch vertretbar, daher sei noch kurz geprüft, ob denn ein solcher Eingriff gerechtfertigt wäre. In Frage kämen eine Rechtfertigung durch die §§ 10, 13 SOG LSA. Danach kann für die Gefahrenabwehr auch ein Dritter in Anspruch genommen werden, wenn Maßnahmen gegen den eigentlichen Störer nicht rechtzeitig oder nicht erfolgversprechend möglich sind. Handlungsstörer wäre hier die Person, die das Video hochgeladen hat, Dritter wäre YouTube. Notwendig wäre dazu aber die Abwehr einer erheblichen Gefahr, diese vermag ich durch die Veröffentlichung eines Polizeivideos nicht zu sehen. YouTube könnte aber auch als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden. Zustandsstörer ist, wer aufgrund von Sachherrschaft für eine von der Sache ausgehenden Störung verantwortlich ist. Die Sache ist hier der Webauftritt von YouTube und die Störung die Veröffentlichung eines Videos, welches Einsatztaktiken der Polizei zeigt. Somit ist auch eine direkte Inanspruchnahme von YouTube möglich, die gewählte Maßnahme "Bitte" ist durch die Generalklausel des Polizeirechts gedeckt.
Übrig bliebe noch zu erörtern, ob es sich bei der Veröffentlichung des Videos überhaupt um eine Störung handelt. Möglicherweise gibt es ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung. Die Polizei als Teil der Exekutive ist selbst kein Grundrechtsträger, kann sich daher nicht auf eigene Rechte berufen. Eigene Grundrecht 8zB Persönlichkeitsrechte) hätten dagegen die eingesetzen Polizeibeamte. Diese sind in dem Video aber nicht identifizierbar, eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte scheidet daher aus. Übrig bleibt nur das Recht der übrigen Bürger auf ein funktionierendes Staatswesen.
Die Bürger der Bundesrepublik haben ein Recht darauf, vom Staat vor Gefahren durch kriminelle Handlungen geschützt zu werden. Diese Schutzfunktion kann beeinträchtig werden, wenn Kriminelle von den polizeilichen Taktiken Kenntnis haben. Deswegen sind zB die meisten Polizeidienstvorschriften (PDV) als Verschlusssache eingestuft. Möglicherweise enthält das Video Taktiken aus der PDV 132 (Einsatz bei Geiselnahmen). Eine Veröffentlichung dieser Informationen könnte daher eine Straftat sein. Weiterhin ist das Video Beweismaterial in einem Strafverfahren, dessen Veröffentlichung könnte einen Verstoß gegen § 353d StGB darstellen. Zur Frage des § 353d Nr. 3 StGB hat das BVerfG bereits entschieden, dass dieser nicht gegen die Verfassung verstößt. Gegen die Einstufung des Videos als Staatsgeheimnis spricht dagegen, dass das Video in einer Gerichtsverhandlung vorgeführt wurde, bei der die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wurde.
Es bleibt demnach die Rechtfertigung, dass die Veröffentlichung des Videos eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, weil damit ein Verstoß gegen § 353d Nr. StGB erfolgte. Jedoch ist das Video inzwischen in öffentlicher Verhandlung erörtert worden, die Gefahr ist damit weggefallen. Eine Löschung des Videos
nach Behandlung im Strafverfahren wäre daher nicht mehr gerechtfertigt. Nach meinem Kenntnisstand ist die Löschung des Videos erst nach der Behandlung im Verfahren erfolgt, aber es ist unklar wann die Polizei an YouTube mit der Bitte um Löschung herangetreten ist.