Die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten in einem Strafverfahren ist folglich immer ärztliche Aufgabe!
Hierzu möchte ich, ausdrücklich ohne das Gegenteil behaupten zu wollen, leise Zweifel anmelden.
Zunächst ein Trivium: An der Uni Bonn kann man einen Master in Rechtspsychologie machen; die Website wirbt damit, dass solche Spezialisten dann auch die Schuldfähigkeit begutachten. Aber das muss nichts heißen,
Wir alle wissen, wie Marketing funktioniert.Dennoch: Die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist, wie alles im Verfahren, die Aufgabe des Gerichts. Rein wörtlich genommen könnte die zitierte Aussage daher nicht Aufrecht erhalten werden. Gemeint ist aber wohl etwas anderes. Dazu einen kurzen Exkurs: Über Tatsachen im Verfahren (dazu zählt letztlich auch die Schuldfähigkeit des Angeklagten) muss in der Regel Beweis erhoben werden. Grundsätzlich ist der Richter frei darin, was (also welches Beweismittel) er als einen Beweis anerkennt (sog. "Freibeweis"). Zu Tatsachen allerdings, die, verkürzt, zur Verurteilung führen könnten, muss der Richter mit sog. "Strengbeweis" den Beweis führen. Das bedeutet, dass er in der Wahl seiner Beweismittel eingeschränkt ist. Der (abschließende) Kanon der Beweismittel im "Strengbeweis" lautet: Augenschein (d.h der Richter nimmt etwas in Augenschein; guckt sich etwas an), Urkundsbeweis (eine Urkunde wird verlesen), Sachverständigenbeweis (der Richter bedient sich des Sachverstands des Sachverständigen und lässt diesen etwas begutachten), Zeugenbeweis und Einlassungen des Angeklagten (jew. wohl selbsterklärend).
Meine Skepsis hinsichtlich der zitierten Behauptung, als Sachverständiger zur Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten könne lediglich ein Arzt, nicht aber ein Psychologe auftreten, gründet auf den folgenden Punkten:
Zunächst entscheidet der Richter, ob es überhaupt des Sachverständigenbeweises bedarf. So er sich ausreichend Sachkenntnis zutraut, dies beurteilen zu können (in wohl den allermeisten Fällen einfacher Kriminalität der Fall), wird er schon gar keinen Sachverständigen bestellen. Das bedeutet, dass dann ein – psychologisch im Zweifel völlig ungeschulter – Jurist diese Entscheidung träfe. Wenn der es darf, dann sollte ihm der Psychologe erst Recht eine Empfehlung zu dieser Entscheidung (denn das ist ein Sachverständigengutachten: eine Empfehlung) dürfen.
Und schließlich ist der Richter in der Auswahl der Person, deren Sachverstands er sich bedient, wiederum recht frei. Vor ein paar Tagen hatte ich da in einem anderen Thread ähnliches gelesen, dass es zum Auftreten als Sachverständiger im Gericht irgendwelcher Qualifikationen bedürfe. Dem ist (jedenfalls in der Grundüberlegung) nicht so. Sachverständiger ist, wem der Richter mehr Sachverstand zutraut, als sich selbst und dessen Sachverstand er sich deswegen bedienen will. Grenzen sind lediglich grundlegende Regeln der Wissenschaftlichkeit (Nachvollziehbarkeit, Orientierung an anerkannten Grundsätzen der Naturwissenschaften etc.) und ggf. Register bei Gericht. Letztere sind aber, soweit ich das in Erinnerung habe, "soll"- und keine "muss"-Vorschriften. Was dem Richter (entsprechenden Begründungsaufwand impliziert) wiederum Freiheiten gewährt.
Insofern: Ich wäre nicht so sicher, dass Psychologen im Strafverfahren keine Gutachten durchführen dürfen.
Nun mag es allerdings sein, dass sich aufgrund der besonderen Bedeutung der Frage der Schuldfähigkeit Rechtsprechung der Obergerichte (bzw. des BGH) dazu ausgebildet hat. Solche ist mir nicht bekannt, ich bin aber auch kein Strafrechtler.
@Knallfrosch, weißt Du da mehr?