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Fragen von Manfred Fehling an Rechtsanwalt Hartwig Meyer zum Strafverfahren gegen Adrian Ursache vor dem Landgericht, wegen versuchten Mord und weitere Delikte
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Manfred Fehling
vor 4 Std. ·
Fragen von Manfred Fehling an Rechtsanwalt Hartwig Meyer zum Strafverfahren gegen Adrian Ursache vor dem Landgericht, wegen versuchten Mord und weitere Delikte
von: ©Manfred.Fehling,04.12.2018
Frage:
Herr Meyer, Sie sind schon lange als Rechtsanwalt beruflich im Einsatz.
Haben Sie solch eine Verhandlungsführung, wie im Fall gegen Adrian Ursache,
schon einmal erlebt?
H. Meyer:
,,Nein, das habe ich bisher nicht. In den bisher 43 Verhandlungstagen konnte beobachtet werden, dass das Gericht an einer standardgemäßen Sachaufklärung nicht interessiert ist. Das was in Halle abläuft ist Substandard. In allen mir bekannten Fällen in denen Schusswaffen eingesetzt worden sind - und ich betreibe Strafverteidigung schon seit 30 Jahren - werden die ballistischen Ermittlungen sehr viel umfangreicher und genauer durchgeführt als bei dem Angeklagten Ursache.“
Frage:
Sie meinen sicherlich die Begutachtung der ,,Schusswaffe“ von Herrn Ursache?
H. Meyer:
,,Ja aber nicht nur das, Usus ist es z.B. die Kleidung des angeblichen Opfers auf Trefferspuren genau zu untersuchen, notfalls unter Einsatz mikroskopischer Mittel, beispielsweise ob ein Metallabrieb ersichtlich ist oder eine Versenkung von Stoffteilen der Schutzbekleidung, da das auf der Oberfläche verplattete Geschoss nach Aussage des Beamten 325 an der Schutzhaube außen heftete, als er es entfernt hat – Durchschusslöcher waren nicht erkennbar. In diesem Fall besteht die Vermutung, dass das Geschoss auf dem Stoff der Maske kleben geblieben ist, weil es die obersten Schichten durch die Hitze des Geschosses weich geworden sind. Da derartige physikalisch-wissenschaftlichen Zusammenhänge nicht ohne weiteres unterstellt werden können, um eine Sache „rund zu machen“ hätte weiter aufgeklärt werden müssen. Entsprechende Anträge sind von allen Verteidigern gestellt worden. Es gibt abgesehen von der vagen Äußerung des Beamten und dem Verletzungsbild (kleines rotfarbenes Hämatom auf der Halsseite) kein weiteres Indiz für eine Aufschlagwirkung des Geschosses – Schmauchspuren waren feststellbar. Selbst der Standard in der Bundeswehr wäre bei der Aufklärung eines Schießunfalles, viel höher als in Halle. Das macht traurig und ist absolut desillusionierend. Es hat 30 Verhandlungstage gebraucht, um das Gericht überhaupt dafür zu interessieren den angeblich getroffenen Beamten 325 zu hören. Nur mein Hinweis auf eine sonst gegebenen schweren Verfahrensfehler hat das Gericht bewogen, dass der Beamte als angebliches Tatopfer vernommen wird – ich denke, so etwas passiert vor keinem Gericht der Welt."
Frage:
Sie haben sich bisher sehr aktiv für die Rechte des Angeklagten Ursache eingesetzt.
Können Sie mir erklären, weshalb der Vorsitzende Richter bei der Verhandlung am Landgericht Halle/Saale, die Verteidiger so in deren Arbeit beschneidet
H. Meyer:
Erklären kann ich mir das nicht, aber ich habe den Verdacht, dass eine große Vorverurteilungslast gegen den Angeklagten spricht, der sich mit seinen „kämpferischen Bemerkungen“ auch nicht gerade Freunde geschaffen hat.
Ein von mir zuvor angeregter Ortstermin, der dem Ziele diente, in Gegenwart der Zeugen zu klären, wie der Ablauf war und wo die Beamten und der Angeklagte stand, als er getroffen wurde, lehnte das Gericht mit der äußerst fragwürdigen Bemerkung ab, dass es nicht Usus sei Schusswaffen zur Rekonstruktion der Abläufe einzusetzen.“
Frage:
Wollte der Richter Ihre Forderung nicht verstehen oder gab es einen anderen Grund für die Ablehnung?
H. Meyer:
,,Selbstverständlich ging es nicht darum den Schusswaffeneinsatz zu rekonstruieren, sondern die Positionen der Beamten und des Angeklagten zu klären. die immer noch ungeklärt ist - der Antrag war insoweit ganz eindeutig formuliert. Die Schusskanäle sind bis heute nicht geklärt. Ein absolutes Novum. In einem normalen Strafverfahren wäre ein Wundbalisticker zum Einsatz gekommen, der die Operationsberichte ausgewertet und die Wunden und Schusskanäle eingehend untersucht hätte, um den Ein- und Austritt sowie die Bahn der Geschosse im Körper des Angeklagten in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen zu klären. Dies wäre wichtig gewesen für die Frage, ob der Angeklagte durch die Schussverletzungen überhaupt noch handlungsfähig sein konnte, so dass ihm Vorsatz i.S. einer gezielten Schussabgabe unterstellt werden darf.“
Frage:
Auch der Staatsanwalt hatte bisher große Schwierigkeiten im Verfahren betreffs der Beweisführung, können Sie das erklären?
H. Meyer:
,,Die Staatsanwaltschaft hat sich öffentlich dafür entschuldigt, dass sie ein Verletzungsfoto aus einem anderen Ermittlungsverfahren in diesem Verfahren zum Beweis der Schussverletzung (Hämatom) am Hals des Beamten 325 präsentiert hat, dies ist nach einer Verfahrensrüge meinerseits geschehen, in der ich Anhaltspunkte für eine Aktenfälschung vorgetragen habe. Die intensive Vernehmung des Beamten 321 hat dann noch gezeigt, dass die Anklage von einem falschen Tathergang ausgegangen ist, denn nach Meinung der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte das Feuer eröffnet haben. Nach Aussage des Beamten 321 hat er aber zunächst zweimal auf den Angeklagten geschossen - zu der Frage, ob er dann gesehen habe, dass der Angeklagte geschossen habe, hat er sich nicht mehr geäußert, sondern sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.“
Frage:
Das Gericht hat sich am 40. Verhandlungstag einer äußerst fraglichen Praxis bedient, können Sie den Sachverhalt einmal erklären?
H. Meyer:
,,Der nunmehr durch die Aussage des Beamten 321 bewiesene anfängliche Tatablauf, hat dann auch den Beamten 325 veranlasst seine Aussage zu ändern und dies mit einem Verwirrtheitszustand am Tage seiner polizeilichen Vernehmung zu erklären. Das Gericht hat dann am 40. Verhandlungstag einen Trick angewandt. Es hat mich gefragt ob die Vernehmung des Beamten 325 beendet werden kann. Ich habe geantwortet, "für heute ja. Dies besagte vor dem Hintergrund noch offener Fragen, ganz eindeutig, dass dies für Folgetermine nicht gilt und die Befragung des Zeugen durch die Verteidigung fortgesetzt werden kann. Dem Vorsitzenden war bekannt, dass ich die Absicht hatte, den Zeugen 325 ganz konkret in Bezug auf die Asservate der Schutzhaube, der Schutzjacke und des Helms zu befragen., Als der Vorsitzende im folgenden Hauptverhandlungstermin die Fortsetzung der Befragung ablehnte, folgten zahlreiche Befangenheitsanträge, sowie ein Antrag meinerseits bei dem Bundesverfassungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung zu bestimmen, dass der Zeuge weiter vernommen wird.
Als das Bundesverfassungsgericht dann die Akten von dem Schwurgericht anforderte, schwenkte das Gericht um eröffnete erneut die Beweisaufnahme mit der Folge, dass die Verteidigung nun den Zeugen 325 weiter befragen kann. Aber auch hier war am 44. Verhandlungstermin wieder zu beobachten, dass der Vorsitzende es ablehnte eine an den Beamten gerichtete Frage meinerseits, durch Anlegen der Schutzhaube doch einmal genau zu sagen, auf welchem Körperteil der untere Rand ende, beantworten zu lassen. Nur auf meine Rüge und entsprechender Antrag auf gerichtliche Entscheidung schwenkte der Vorsitzende wieder um und lässt am folgenden 45. Verhandlungstag die Demonstration wohl zu - es sei denn der Dienstherr des Beamten begrenzt die Aussagegenehmigung des Zeugen, womit ich bereits rechne. Wir werden mit allen Mitteln weiter kämpfen - das Verfahren erinnert mich an die Bader-Meinhoff-Zeit.
Es gibt ein altes Verteidiger - Sprichwort, das besagt:
Vor einem Urteil steht immer zuerst das Vorurteil !“
Diese Mauer muss trotz aller Rechtsstaatlichkeit in einem Indizienprozess immer erst einmal durchbrochen werden, um der Wahrheit näher zu kommen. Das gelingt bedauerlicherweise nicht immer und ist im vorliegenden Fall sehr fraglich.
Vorurteile haben in unserer hysterische aufgeladenen Zeit heute Hochkonjunktur – das zeigt die aktuelle Politik und der Umgang mit dem gesellschaftlichen Protest. Dieses Phänomen der Ausgrenzung hat die Justiz mittlerweile erreicht, die bei ihrer notorischen Überlastung offenbar immer schneller geneigt ist, auf der Grundlage bestimmter Indizien eher einem virtuellen Täterbild zu folgen, als einem realen.
Im Fall Adrian Ursache heißt das virtuelle Täterbild „Reichsbürger! „
Herr Meyer, ich möchte mich für dieses Informationen recht herzlich bei Ihnen bedanken.
Foto links: RA H. Meyer, Foto rechts: RA Meyer u. A. Ursache