(Dazu muß man wissen: Dorfen ist sicher nicht "links". Ganz sicher nicht!)
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Nachdem die Veranstaltung mit dem umstrittenen AfD-Bundestagsabgeordneten Hans Jörg Müller im Gasthaus am Markt angekündigt worden war, kam es zwei Wochen vor dem Termin zu einem Schulterschluss von Christsozialen, Sozialdemokraten, Grünen, den Mitgliedern von "Dorfen ist bunt" sowie der Flüchtlingshilfe. Dabei setzte man sich mit den Thesen von Möller auseinander, der beispielsweise in Youtube-Videos die Auffassung vertritt, die Bundesregierung bereite aus paranoidem Selbsthass einen Bevölkerungsaustausch durch Migranten vor. Dabei konspirierten die Teilnehmer noch ein wenig, und so entstand die Idee mit der "schweigenden Wand" und den roten Karten.
Während "Die Partei" am Unteren Markt linken Rock und jiddische Lieder aus den Boxen ertönen ließ, tröpfelten die Dorfener in kleinen Gruppen frühzeitig ein und besetzten die Plätze im Gastraum. Bis die Ordner der AfD etwa gegen 18.30 Uhr bemerkten, was vor sich ging, war es schon zu spät. 75 bis 80 Prozent der Plätze waren von Einheimischen besetzt, die nichts mit der AfD am Hut hatten. Sie orderten Schnitzel und Getränke, packten die Schafkopfkarten aus und machten es sich gemütlich. Unter den Tischen wanderten die roten Karten hin und her, bis jeder eine in der Tasche hatte. Vom 20- bis zum 70-Jährigen repräsentierten sie einen Querschnitt der Dorfener Bevölkerung, darunter auch Stadträte.
Die Taktik ging auf: Die überwiegend später eintreffenden AfD-Anhänger - ein im übrigen verschwindend kleines Häufchen im Vergleich zur präsenten Dorfener Bürgerschaft - schimpften die Ordner, weil kaum noch Tische frei waren. Sie setzen sich dann in den kleinen Biergarten auf dem Gehsteig vor dem Wirtshaus oder zogen unverrichteter Dinge ab. Wolfgang Kellermann, der Kreisvorsitzende der AfD, versuchte noch, die draußen sitzenden Anhänger seiner Partei zu erreichen, indem er anordnete, die Fenster zur Straße hin zu öffnen. Das erwies sich als Fehler, weil die AfD-kritischen Dorfener sofort an den Fenstern Trauben bildeten und erneut die deutlich überwiegend Mehrheit stellten.
Trotz der relativ großen Menge an kritischen Dorfenern blieb es sehr gesittet. Es gab zwar etliche vor sich hin gemurmelte Beleidigungen, eine Frau im Saal wurde von Kellermann wegen eines Pfui-Rufs verwarnt und ihr im Wiederholungsfall der Rauswurf angedroht. Eine andere Dorfenerin, die einmal in ihre Trillerpfeife blies, wurde von der Polizei des Platzes verwiesen. Die Dorfener zeigten Präsenz, nicht Aggression.
Das führte dazu, dass auch die Polizei einen entspannten Abend hatte. Die Dorfener Inspektion hatte vorsorglich Verstärkung angefordert und sie in Form von fünf Kleinbussen mit Bereitschaftspolizisten erhalten. Auch die Abteilung Staatsschutz der Kripo Erding war mit zwei Beamten vertreten. Aber sie hatten kaum etwas zu tun, alles verlief friedlich.
Bei der AfD stellte sich im Verlauf der Veranstaltung Wolfgang Kellermann vor und beschwerte sich unter anderem, dass er im Dorfener Altersheim Marienstift Hausverbot erhalten habe, obwohl er dort vor Bewohnern lediglich musizieren wollte. AfD-Landtagskandidat Martin Huber, der bis vor kurzem noch den Republikanern angehört hatte, erläuterte die Gründe für seinen Wechsel zur AfD: Er sagte, ihm sei es immer um die Heimat gegangen und nicht um die Partei - und außerdem stünden die Republikaner vor dem finanziellen Ruin. AfD-Hauptredner Müller kritisierte das gemeinsame Vorbereitungstreffen der Dorfener auf die AfD als "knallbunte Gutmenschenveranstaltung", wo man Zitate von ihm "aus dem Zusammenhang gerissen" habe. Der Dorfener CSU-Bürgermeister Heinz Grundner habe sich dabei "mit der Antifa ins Bett gelegt". Das war der Lacher des Abends unter den Einheimischen.
Nach seiner Rede unterbrach die AfD die Veranstaltung für eine kurze Pause und wollte sie dann mit einer Diskussion fortsetzen. Die Dorfener mit den roten Karten hatten allerdings die Nase voll und verließen geschlossen den Saal. Auf die Frage eines AfDlers, warum er nicht bleiben wolle, antworte der ehemalige Stadtrat Wolfgang Lanzinger: "Ich muss zur Pfarrgemeinderatssitzung."