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DORIS VON SAYN-WITTGENSTEIN
Reichsbürger-Vorwurf: Kritik an AfD-Landeschefin
vom 7. Dezember 2017
Diskussion um Doris von Sayn-Wittgenstein: Nach Unklarheiten um ihren Adelstitel kommen Vorwürfe auf, sie stehe der Reichsbürger-Szene nahe.
Wieder Wirbel um Doris von Sayn-Wittgenstein. Die AfD-Vorsitzende war offenbar Gründungsvorstandsmitglied des Vereins „Die Deutschen“, der die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland bezweifelt – genau wie die Reichsbürgerbewegung. Angeschoben hatte die Vereinsgründung der Staatsrechtler Klaus Sojka. Der war zuvor Landesvorsitzender der rechtsextremen DVU in Schleswig-Holstein und Mitglied des Bundesvorstandes. Dazu war er ab 2001 neben dem mittlerweile wegen Volksverhetzung verurteilten Ex-Terroristen Horst Mahler als Rechtsvertreter im ersten NPD-Verbotsverfahren vorgesehen.
„Ich habe von den Verbindungen von Professor Sojka nichts gewusst“, sagt Doris von Sayn-Wittgenstein. „Hätte ich das, hätte ich aus heutiger Sicht diesen Kontakt nicht aufgenommen.“ Angebliche Verbindungen von ihr zu Rechtsextremen hält die AfD-Chefin für „sehr weit hergeholt“.
Persönlich sei sie Sojka nie begegnet. Sie habe nur gewusst, dass er im Tierschutz engagiert sei. Aus Kreisen von Vertriebenenverbänden sei sie angesprochen worden, ob sie in den Vorstand des Vereins wolle. „Es ging um die Frage von Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949“, sagt Sayn-Wittgenstein. „Die empfinde ich als Ungerechtigkeit – und ich habe den Verein so verstanden, dass er sich der Interessen der Enteigneten annehmen will.“ Weitere Ziele seien ihr nicht bekannt gewesen. Bei der Gründungsversammlung sei sie nicht dabei gewesen, kurz darauf starb Sojka. „Ich habe dann nie wieder etwas davon gehört.“
Allerdings gibt es eine Pressemitteilung von der Gründungsveranstaltung von 2009 in der es heißt: „Es hat sich ein bedeutsamer Kreis gebildet, der sich der Deutschen Frage in einer Weise annimmt, die Aussicht auf Erfolg hat, den unsäglichen illegalen Zustand der BRD einer rechtsstaatlichen Lösung zuzuführen und einen Bürgerkrieg in Deutschland zu verhindern.“ Und weiter: „Wir haben vergangenen Samstag mit Professor Dr.Dr.Dr.h.c. Sojka den Verein ,Die Deutschen’ offiziell gegründet. (...) Mit im Vereins-Vorstand: Fürstin Doris von Sayn-Wittgenstein!“
Die gibt sich ahnungslos: „Ich habe nichts unterzeichnet und weiß nicht, wie mein Name dahin gekommen ist.“ Von der Pressemitteilung habe sie jetzt erst aus den sozialen Medien erfahren. Sie gehöre nicht der Reichsbürgerbewegung an und habe auch keine Verbindungen zu ihr. Sie stehe auf dem Boden des Grundgesetzes: „Das hat sich bewährt.“ Allerdings müsse geklärt werden, wie man mit dem Artikel 146 umgehe, in dem es um die Ablösung des Grundgesetzes durch eine echte Verfassung geht.
Grüne und SPD reichen diese Erklärungen nicht, sie verlangen Aufklärung von der AfD-Vorsitzenden. „Wenn ihr das Weltbild der Reichsbürger so fremd sei, worum dachte Frau von Sayn-Wittgenstein werde es im Verein ,Die Deutschen‘ gehen?“, fragt zynisch der Grüne Landtagsabgeordnete Lasse Petersdotter. „Nur mühsam versucht Sayn-Wittgenstein ihre Ansichten zu verschleiern durch die wie immer mit naiver Unschuldsmiene vorgetragenen Fragen nach Enteignungen zwischen 1945 und 1949 und der Behauptung, der Bundesrepublik fehle es an einer ,echten Verfassung‘. Das ist Gedankengut der Reichsbürgerszene par excellence.“
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis müsse sich äußern, ob seine Parteichefin und Landtagskollegin noch tragbar sei. Nobis wollte allerdings auf Anfrage von shz.de nichts dazu sagen.
Fragen bleiben allerdings auch beim SPD-Abgeordneten Tobias von Pein: „Uns Sozialdemokraten interessiert was die AfD-Abgeordnete als gewählte Abgeordnete im schleswig-holsteinischen Landesparlament will, zeichnen sich Reichsbürger doch dadurch aus, dass sie weder die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland noch unsere Demokratie anerkennen.“
Der SSW-Vorsitzende Lars Harms kritisiert: „Es zeigt sich doch immer wieder, wie dünn der blaue Lack der AfD ist: Wer daran kratzt, blickt nicht selten in braune Abgründe. Die heutige Funkstille in Fraktion und Landesverband der AfD spricht Bände.“
Sayn-Wittgenstein hält die jetzt bekannt gewordenen Details für eine „Kampagne gegen eine bestimmte politischen Richtung“. Man wolle ihr schaden, weil sie auf dem Bundesparteitag ein gutes Ergebnis erzielt hatte. Dort hatte sie gegen einen Vertreter des eher liberalen Flügels für den Bundesvorsitz kandidiert, war knapp gescheitert – und hatte so mit dafür gesorgt, dass Alexander Gauland AfD-Chef wurde.
Aus den Reihen ihres eigenen Landesverbandes kommt aber auch Kritik.
Die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende hat in der Partei eine schnelle Karriere gemacht. Am Sonntag auf dem Bundesparteitag überraschte sie mit ihrer Kandidatur für das Amt des Bundesvorsitzenden. Sayn-Wittgenstein ist seit Juli die Landesvorsitzende der Alternative für Deutschland. Die AfD zog im Mai mit 5,9 Prozent erstmals in den Landtag ein. Erst 2016 kam die selbsternannte „Landpomeranze“ aus Hessen nach Schleswig-Holstein. Im März des selben Jahres trat sie in die AfD ein und warb ein Jahr später auf Wahlplakaten mit strengem Gesicht für „Heimat statt Multi-Kulti“.