Lassen wir mal das "konkret" beiseite, weil es sich in der Form weder aus den maßgeblichen Gesetzen noch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Woraus ziehst du eigentlich die Erkenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht diese engen Voraussetzungen aufstellt? Hast du hierzu eine Quelle, etwa eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung? In den von mir genannten Entscheidungen steht hierzu nichts. Das Gesetz gibt die Rechtsauffassung, dass für eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz jeder betroffen sein muss, auch nichts her. Ich habe den Beck-Onlinekommentar sowie den Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge zum BVerfGG herangezogen: Auch diese nennen die angeblich engen Voraussetzungen nicht. Schließlich hat auch ein Check bei Juris diese Voraussetzungen nicht ergeben: Überall ist lediglich die Rede davon, dass der Beschwerdeführer darlegen muss, selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen zu sein und es wird auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze hingewiesen.
Schauen wir uns mal die einschlägigen Bundesverfassungsgerichts-Entscheidungen, auch und gerade in den Nichtannahmenentscheidungen, an (alle
fetten Hervorhebungen von mir):
- 1 BvR 840/08 - 1. Juli 2008"Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, so setzt die Beschwerdebefugnis voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm nicht nur selbst und gegenwärtig, sondern auch unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 115, 118 <137>; stRspr). Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Bestimmung, ohne eines weiteren Vollzugsaktes zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert (vgl. BVerfGE 115, 118 <137>; m.w.N.) ... muss also geltend machen, dass er gerade durch die Norm und nicht erst durch ihren Vollzug in seinen Grundrechten betroffen ist. Setzt das Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen staatlichen Praxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollziehungsakt voraus, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg beschreiten, ... Eine unmittelbare Betroffenheit wird ausnahmsweise aber dann bejaht, wenn die Norm ihren Adressaten bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr korrigierbaren Dispositionen veranlasst (vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; m.w.N.). Auch kann sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein vollziehungsbedürftiges Gesetz richten, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil es ihn nicht gibt (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>) oder weil er keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen kann (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>)."Das klingt doch verdächtig nach dem, was ich geschrieben hatte.
Beim Rundfunkbeitrag als Haushaltsabgabe
jedes Haushaltes ist zwar ein Beitragsbescheid zu erteilen, aber dieser setzt keinen
"besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollziehungsakt" voraus, d.h. jeder Haushalt, und damit jeder Mensch, denn jeder führt mit vernachlässigbaren Ausnahmen einen Haushalt, ist unmittelbar betroffen; dass die Behörde sich weigern könnte, einen Haushalt zur Rundfunkabgabe heranzuziehen, ist rechtlich nicht vorgesehen.
Beim Luftsicherheitsgesetz lag die Sache komplizierter, aber auch hier schwingt mit, dass
jeder (mind. einmal im Leben) in die Lage kommen könnte und er dann, einmal in die Lage gekommen, nicht mehr die Möglichkeit hat, vor Abschuss seines Flugzeuges ein Verwaltungsgericht um einstweiligen oder vorläufigen Rechtsschutz zu bemühen. Noch mehr gilt das für den Grundrechteträger, der am Boden dann von dem ohne das Gesetz nicht ausgerechnet über ihm abgeschossenen Flugzeug in Mitleidenschaft (treffendes Wort!) gezogen wird::
- 1 BvR 357/05 - 15. Februar 2006"2. Hinsichtlich der auf diese Weise angegriffenen Regelung sind die Beschwerdeführer insbesondere beschwerdebefugt.
a) Die Beschwerdebefugnis setzt, wenn sich eine Verfassungsbeschwerde - wie hier - unmittelbar gegen ein Gesetz richtet, voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Normen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 109, 279 <305>; stRspr). Die Voraussetzung der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit ist grundsätzlich erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Vorschriften beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>; 109, 279 <307 f.>). Unmittelbare Betroffenheit ist schließlich gegeben, wenn die angegriffenen Bestimmungen, ohne eines weiteren Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändern (vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; 102, 197 <207>). Das ist auch dann anzunehmen, wenn dieser gegen einen denkbaren Vollzugsakt nicht oder nicht in zumutbarer Weise vorgehen kann (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>; 109, 279 <306 f.>).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer gegeben. Sie haben glaubhaft dargelegt, dass sie aus privaten und beruflichen Gründen häufig zivile Luftfahrzeuge benutzen."Die Betroffenheit muss absehbar sein, d.h. anders, als bei einer vielleicht nie zu bauenden Garage, quasi "sicher" eintreten:
- 1 BvR 3570/13 - 1 BvR 3570/13"Von einer gegenwärtigen Betroffenheit geht das Bundesverfassungsgericht zwar auch dann aus, wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (vgl. BVerfGE 74, 297 <320>; 97, 157 <164>; 101, 54 <73 f.>). Eine solche Absehbarkeit ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin aber nicht."Sonderfall mit gleichem Ergebnis: betroffen, und Rechtsweg aus irgendwelchen Gründen faktisch nicht erschöpfbar:
- 1 BvR 630/93 - 29. November 2000"Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde besteht nur, wenn der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, nicht erreichbar ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <37 f.>)."- 1 BvR 1970/95 - 10. Oktober 2001"a) Das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit bedeutet, dass das Gesetz unmittelbar, also ohne einen weiteren vermittelnden Akt, in den Rechtskreis des Beschwerdeführers einwirken muss (vgl. BVerfGE 72, 39 <43> m.w.N.). Setzt die Durchführung der angegriffenen Vorschriften rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen Vollzugsakt voraus, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. BVerfGE 1, 97 <102 f.>; 58, 81 <104 f.>; 68, 376 <379 f.>). Diese besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde beruhen auf dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden und dieser Vorschrift zu Grunde liegenden Gedanken der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 68, 376 <379>)."- 1 BvR 1362/98 - . August 1998"Unmittelbarkeit bedeutet, daß das Gesetz ohne einen weiteren vermittelnden Akt, insbesondere ohne besonderen Vollzugsakt der Verwaltung, in den Rechtskreis des Beschwerdeführers einwirkt (vgl. BVerfGE 90, 128 <135 f.>)."Der Hauptunterschied zur
subsidiären Verfassungsbeschwerde ist, dass ein "Jeder" betroffen sein können muss, auch wenn das schwer aus den Entscheidungen herauslesbar ist. Aber abgesehen davon, dass Einzelfallgesetze verfassungswidrig sind, muss diese "Jeder"-Eigenschaft, wenn sie nicht auf schlichtweg jeden (zumindest volljährigen) Bürger zutrifft, doch zumindest auf einer gewisse Dauerhaftigkeit des "Jeder"-Seins aufbauen.
Zwei Beispiele aus der eigenen Praxis:
Gegen das Volkszählungsgesetz 1983 waren tausende, wenn nicht zehntausende, meist aber formularmässig erhobene, Verfassungsbeschwerden anhängig, selbst wenn man die formal unzulässigen mit AR-Nummer aussen vorlässt.
Das Bundesverfassungsgericht hat aber nur sieben daraus über den Zwölfmonatszeitraum zur Entscheidung angenommen, und zwar buchstäblich bis auf den letzten Tag der Jahresfrist. Darunter eine von mir verfasste.
Warum sieben und nicht bloss eine? Weil das Bundesverfassungsgericht sich aus einer dem 'judicial restraint' des US-Supreme-Counte ähnelnden Zurückhaltung gehindert sieht, über Vorschriften oder mögliche Beschwernisse zu entscheiden, die nicht explizit angegriffen und substantiiert vorgetragen werden.
So waren z.B. alle bis dahin vorgetragenen Beschwerden von
deutschen Staatsbürgern eingelegt. Eine verhandelte wurde dagegen von einer Ausländerin eingelegt, die besondere Betroffenheiten hatte, u.a. hätte eine Weigerung, den Fragebogen auszufüllen, zu Sanktionen nach dem Ausländergesetz bis hin zur Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis führen können. Während der Deutsche nur mit Buss- und Zwangsgeld (zwei Verfahren) zu rechnen hatte, waren es bei Ausländern
mindestens vier Verfahren. Da die Ausländereigenschaft mit einiger Sicherheit über den Zeitpunkt der Volkszählung, ja bis zur Erschöpfung des Rechtsweges, unverändert erhalten bleiben dürfte, war hier auch davon auszugehen, dass diese Betroffenheit
zu jedem zu betrachtenden Zeitpunkt real und unumgänglich sei.
In einer weiteren Beschwerdeschrift, bei der ich aufgrund einer ebenfalls eigentümlichen, bisher vor dem BVerfG in dem Zusammenhang noch nicht vorgetragenen Betroffenheit eigentlich sicher von einer 'Annahme' ausging, handelte es sich um die lauthals in allen Medien diskutierte Frage, ob es verfassungswidrig sei, die 'Insasseneigenschaft' in einer Justizvollzugsanstalt zu erfragen (was ja über eine reine Zählung hinausgeht und Persönlichkeitsrechte tangiert; da keine Zahl aus öffentlichen Registern so genau und zuverlässig bekannt ist, wie die der aktuell einsitzenden Häftlinge, gab es auch kein begründbares
statistisches Erhebungsinteresse für die Bundesregierung, diese Eigenschaft
individuell abzufragen).
Der 'Klient' für dieses 'Musterverfahren' hatte also (mutwillig natürlich) eine verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen herbeigeführt, um diese noch fehlende spezielle Aktivlegitimation auch noch abzudecken und so dem BVerfG zwanglos die Möglichkeit zu geben, auch diese Vorschrift zu prüfen und (mit Wirkung auch für die Zukunft!) für nichtig zu erklären.
Jedoch: ob die Freiheitsstrafe genau dann abgessessen würde, wenn die Fragebögen im Knast
verteilt werden, ob sie überhaupt angetreten werden müsste, und nicht durch Zahlung (damals 100 DMark) abgewendet würde und -zwischentretender Wille und Akt einer Behörde- ob sie überhapt je vollstreckt würde oder nicht etwa verjährte etc., steht bei Bagatellstrafen ja in den Sternen.
Ich hätte also einen Verbrecher, einen Langstrafer, der auch ohne realistische Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung bis zum Abschluss der Volkszählung betroffen geblieben wäre, am besten einen lebenslänglichen, animieren müssen, Verfassungsbeschwerde mit meiner Hilfe einzulegen. Aber an die kommt man ja als 'Aussenstehender' bekanntlich schwer heran ...
Ich denke, dass man all diese Feinheiten nicht in den Kommentaren, auch nicht in den Grosskommentaren, findet. Ich hatte jedenfalls, als das Bundesverfassungsgericht dann in mündlicher Verhandlung weiterzumachen die Absicht hatte, einen befreundeten Star-Anwalt gebeten, die Vertretung der verbliebenen Beschwerde zu übernehmen (Vertretungszwang in Verfassungsbeschwerdeverfahren gilt nur für die mündliche Verhandlung), der sich dann zierte, sich dem Gericht gegenüber als Bevollmächtigter zu erkennen zu geben, weil er die "Annahmeentscheidung" sehen wollte. Eine solche gibt es aber nicht - jedenfalls wird diese nur implizite kommuniziert, d.h. nicht, anders als Nicht-Annahmeentscheidungen, nicht zugestellt oder den Parteien überhaupt kommuniziert. Vielmehr erfährt man das daraus, dass das BVerfG die Beschwerdeschrift der gegnerischen Partei zustellt (und in dem Falle um vierzig zusätzliche Überstücke bat, um sie u.a. an alle Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragten bzw. -kommissionen zuzustellen).
Ich hatte meine liebe Mühe, den Anwalt ebenso wie einige 'Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule' [für öffentliches bzw. Verfassungsrecht!], die ich für das Mandat pro bono zu interessieren versuchte, davon zu überzeugen, dass ich recht hatte, wiewohl die Kommentare sich zu dieser Fragestellung damals ausschwiegen.
Ich setze daher bei meinen meist erfolgreichen Schriftsätzen nicht auf Kommentarliteratur auf (nur zur groben Übersicht), sondern, wenn ich mich überhaupt breitschlagen lasse, an so etwas mitzutun, ich untersuche minutiös
sämtliche (einschlägigen) Entscheidungen des
anzurufenden Gerichts seit Beginn seiner Existenz, in dem Falle 1953, und baue die Schriftsätze dann so auf, dass das Gericht gezwungen wäre, von seiner langjährigen Entscheidungspraxis selbst abzuweichen, wollte es meine -zufällig scheinbar deckungsgleiche- Rechtsmeinung abservieren. Da, insbes. beim Bundesverfassungsgericht, die Hauptarbeit von ans BVerfG zwecks späterer Karrieresprünge abgeordneten Amtsrichtern und anderen Mitarbeitern durchgeführt wird, die kaum je denselben historischen Überblick haben, ja, sich lieber, tadaaaa, auf diese Kommentare mit ihren Lücken verlassen, hat das -gemessen an den sonstigen Verfassungsbeschwerden insgesamt- überdurchschnittlichen Erfolg. (Natürlich leihe ich meine Hand nicht für unsinnige Beschwerden oder Bagatellen.)
Im übrigen ist mir dabei noch ein Phänomen aufgefallen: wenn es zu einer Nichtannahmeentscheidung kommt, dann erfolgt die in diesen Fällen ohne Begründung, da ja eine Begründung in meinem Falle eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung erfordern würde. Wer aber die Nichtannahmeentscheidungen seit Beginn dieses Instituts der Nichtannahme nachvollzieht, stellt fest, dass sie so gut wie immer mehrere Absätze Begründung, und wenn auch nur formularmässig mit Bezug auf frühere Entscheidungen, enthalten.
Das erinnert an das US Supreme Court, das jahrhundertlang
eine Sorte Beschwerden begründungslos nie zur Entscheidung annahm: die Beschwerden von Einwohnern von Washington D.C., die nicht wahlberechtigt waren, weil Washington D.C. -bewusst- keinem Bundesstaat angehört, das Wahlrecht zu den Bundesinstitutionen (Kongress und Präsident) jedoch an der Bundesstaaten-Angehörigkeit hing (seit ein paar Jahren ist das wohl geändert) und das Supreme Court mit einer Entscheidung dazu das Gefüge der 'Union' grundsätzlich in Gefahr gebracht hätte.