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Für Trump ist der Ausgang des Rennens in Georgia ein politisches Debakel. Abermals ist er mit seiner Hauptbotschaft, nämlich der Klage über die angeblich gefälschte, von ihm verlorene Präsidentschaftswahl 2020 gescheitert. Für Perdue nämlich hatte sich Trump engagiert, weil der dessen Verschwörungstheorien über 2020 teilt.
Erst vor wenigen Tagen scheiterte Perdue vor Gericht mit einer Klage, mit der er die Wahlergebnisse von 2020 anfechten wollte. Das Gericht bewertete Perdues Behauptungen als „Spekulationen, Vermutungen und Paranoia“ – also als just jenes Gebräu, das Ziehvater Trump seit November 2020 anrührt.
Wenn das Wahlergebnis der Gouverneurs-Vorwahl eines zeigt, dann dass die republikanischen Wähler für aktuelle politische Themen, klassische Anliegen der Partei, etwa ein Kampf gegen die Inflation, brennen. Und nicht Trumps Märchen über angebliche, Dutzendfach widerlegte krude Thesen über Fälschungen bei einer Wahl, die bald zwei Jahre zurückliegt.
Trump hatte mit Gouverneur Kemp gebrochen, nachdem dieser ihm nicht dabei geholfen hatte, die Ergebnisse der Wahl 2020 zu kippen. Joe Biden hatte in Georgia gegen Trump gewonnen. Die Republikaner verloren hier zudem beide Senatoren an die Demokraten. Nach der Wahl 2020 beschimpfte Trump den Gouverneur regelmäßig.
Kemp selbst verwies auf seine Regierungsbilanz, unter anderem auf eine sehr frühe Öffnung des Bundesstaates während der Corona-Pandemie. „Ich hatte eine großartige Beziehung zu Präsident Trump“, sagte Kemp am Montag:
„Ich habe nie etwas Schlechtes über ihn gesagt. Ich habe auch nicht vor, das zu tun. Ich bin nicht böse auf ihn. Ich glaube, er ist nur sauer auf mich. Und das ist etwas, das ich nicht kontrollieren kann.“ Der Sieg Kemps ist für Trump besonders bitter, weil sich sein einstiger Vizepräsident Mike Pence für den Gouverneur – und damit gegen Trumps Zögling Perdue – engagiert hatte.
Auch Pence war am Montagabend in Georgia aufgetreten. Wer Kemp wähle, sende eine „ohrenbetäubende Botschaft an ganz Amerika, dass die Republikanische Partei die Partei der Zukunft ist“, rief Pence. Auf Fragen nach Trump schwieg Pence.
Das Verhältnis der beiden Männer ist zerrüttet. Sie haben dem Vernehmen nach seit über einem Jahr nicht miteinander gesprochen. Trump nimmt Pence übel, dass er das Wahlergebnis 2020 nicht zu seinen Gunsten fingierte und entsprechend zertifizierte. Jene Weigerung mündete im von Trump angefachten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, wo Pence in Sicherheit gebracht werden musste.
Besonders pikant für Trump: Sein einstiger Stellvertreter hält sich eine eigene Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 offen. Trump liebäugelt ebenfalls mit einer Kandidatur für das Weiße Haus. Nach den Zwischenwahlen im November könnten sich die beiden Männer erklären. Gut möglich, dass sie gar gegeneinander antreten.
Pence, evangelikal und stramm konservativ, geht bisher einen schmalen Grat: Er preist Erfolge seiner Regierungszeit mit Trump, verzichtet aber auf die Verschwörungstheorien von der „gestohlenen Wahl“. Pence nennt den 6. Januar einen „dunklen Tag in der amerikanischen Geschichte“. Attacken gegen Trump reitet er jedoch nicht.
Und umgekehrt? Trump macht bisher seinem Ärger über Pence immer mal wieder Luft: „Mike Pence hatte nicht den Mut, das zu tun, was zum Schutz unseres Landes und unserer Verfassung hätte getan werden müssen“, sagte Trump etwa.
Da ist auf der Polemik-Skala, zumal bei Trump, rhetorisch noch allerhand Luft nach oben. Mit dem klaren Sieg Kemps in Georgia hat Pence seinem Parteifreund Trump mindestens einen kleinen Hieb versetzt.