Was ich mit Sorge sehe ist, dass immer mehr "gebildete" Menschen irrationale Zweifel hegen. Das kann man schon bei den Diskussionen um Kitaplätze mit Masernimpfpflicht sehen... und "Masernparties". Das ist keine "Unterschicht" dort, das sind Leute mit tlw. akademischen Abschlüssen. Die bildungsfernen Schichten kann man durchaus mit freundlich-bestimmten Maßnahmen, insbesondere konkreten Impfangeboten erreichen: Anschreiben mit einem konkreten Impftermin, möglichst wohnortnah... den "Service" könnte man leisten und das war auch ein Problem bei den 70+ Leuten (zumindest im Dunstkreis meiner Verwaltung kamen da ganz viele verunsicherte Anrufe, wie das mit den Priogruppen geht, wo man Impftermine bekommt (Digitalisierung ole!) etcpp). Damit kann man zielgruppengenau arbeiten, so geschehen mit Flüchtlingen und anderen Bewohnern städtischer Unterkünfte. Einladung mit verbindlichem Termin, nette Ansprache durch Betreuer und 80+% waren da.
Das Problem mit den "anderen" ist, dass mittlerweile "Skepsis"/Misstrauen ggü. dem Staat ein Wert an sich geworden zu sein scheint. Das Pendel ist von "Staat/Führer befiehlt und wir gehorchen!" auf die andere Seite "Der staat ist grundsätzlich böse und will mir nur schaden!" ausgeschlagen. Wachsamkeit und Kritik bzgl. Einzelmaßnahmen ist (für mich) Bürgerpflicht, die Grundannahme (die in D im Gegensatz zum überwiegenden Rest der Welt auch weitestgehend gilt) ist aber: Der Staat dient im engeren und weiteren Sinn dem Staatsvolk (nicht unbedingt dem Einzelbürger). Das klappt in D eigentlich sehr gut und wo es nicht gut klappt wird immer wieder neu ausverhandelt.
Das scheint aber nicht mehr bewusst zu sein, es geht immer mehr darum, dass die Menschen sich bei staatlichen Eingriffen angegriffen fühlen. Hier liegt das Problem. Es geht ums Fühlen und Glauben, nicht ums Wissen. Wissen und rationales Handeln wird zwar gelehrt und beruflich angewandt, aber im "Privaten" ganz schnell vergessen/ignoriert. Ich habe im Kollegenkreis extrem religiöse INGENIEURE! Menschen mit einer fundierten akademischen naturwissenschaftlichen Ausbildung und die glauben den Rotz! Als ob in den Hirnen eine Gläserne Wand ist, hinter die die Ratio nicht darf. Das Gefühl und der Glaube verhindern dabei auch den Rückgriff auf vielfältige Wissensquellen, ein "Glaubensbruder" der "glaubt, dass eine Sache schlecht sein könnte, er aber selbst sagt, dass er von der Sache keine Ahnung hat" bekommt mehr Gewicht als jemand der XYZ sein Leben lang akademisch bearbeitet hat. Ich muss mich immer zurückhalten, wenn die zu mir kommen, mir liegt immer auf der Zunge, dass ich nicht glaube, dass die Gebäudestatik oder die Brandschutzbemessung richtig ist, da dazu nix in der Bibel steht... das finden die nie lustig (Humorlosigkeit ist ein Merkmal der Fanatiker^^). Dies greift immer mehr um sich, auch ohne die religiöse Komponente. Meine (nichtwissenschaftliche) Vermutung ist, dass es sich um eine der wenigen negativen Auswirkungen der "Empathiebetonung" handelt, die seit Jahren voranschreitet. Es ist vollkommen ok, offen über seine Gefühle zu sprechen, Ängste zu offenbaren. Aber hier passiert es, dass diese Ängste und Gefühle zum Leitsystem werden, obwohl man die bessere Variante schon hat.