Und schon wieder die Buchmesse.
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21.10.2021, 12.11 Uhr
Ein Stand von Verlagen der Neuen Rechten auf der Frankfurter Buchmesse hat zu einer Kontroverse geführt, die inzwischen auch in den USA wahrgenommen wird: Die »Washington Post« berichtete am Mittwoch über mehrere Autorinnen und Autoren, die ihre Teilnahme an der Messe abgesagt haben.
Ausgelöst hatte die Debatte die Autorin und Aktivistin Jasmina Kuhnke, die auf Twitter unter dem Namen »Quattromilf« bekannt ist und auf der Messe ihren Debütroman »Schwarzes Herz« hätte vorstellen sollen. Sie sagte ihre Teilnahme an zwei Diskussionsrunden mit einer Erklärung ab, die sie am Montag auch auf Twitter veröffentlichte. Demnach wäre ihr die Teilnahme »wegen der Bedrohung durch Rechte« sowieso nur »unter besonderen Schutzmaßnahmen« möglich gewesen.
Nachdem sie erfahren hatte, dass der Verlag Jungeuropa, der von dem rechtsextremen Aktivisten Philip Stein betrieben wird, auf der Messe ausstelle und dadurch auch weitere Rechtsextreme präsent sein würden, sei eine Gefahr für sie persönlich »unübersehbar gegenwärtig«. Sie bedauerte, »dass mir nur das Mittel des Boykotts bleibt, um mich als Schwarze Frau zu schützen«.
Die Bildungsstätte Anne Frank solidarisierte sich in einer Stellungnahme mit Kuhnke. Es sei »ein Desaster für unsere offene Debattenkultur, wenn sich Betroffene von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit von der Frankfurter Buchmesse als der größten Debattenmesse des Landes zurückziehen, weil sie sich dort nicht sicher fühlen«, sagte Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte. Wer der »giftigen Ideologie der Rechten« auf prominenten bürgerlichen Plattformen ein Podium biete, trage »zur weiteren Normalisierung und Verbreitung von Menschenhass bei.«
Nach Kuhnke sagten auch weitere Autorinnen und Autoren ihre Teilnahme an der Messe ab, darunter Nikeata Thompson, Anabelle Mandeng, Riccardo Simonetti und Raul Krauthausen.
In einer gemeinsamen Erklärung bedauerten die Buchmesse und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Mittwoch die Absagen. »Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen.«
Die Buchmesse rechtfertigte allerdings die Entscheidung, rechte Verlage nicht auszuschließen: »Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle.« Alle Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, dürften in Frankfurt ausstellen – »auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen«. Verlage oder ihre Produkte zu verbieten, sei in einem Rechtsstaat Aufgabe von Gerichten.
Kuhnkes Verlag Rowohlt erklärte dagegen: Das Recht auf Meinungsfreiheit stoße »an seine Grenzen, wenn die Sicherheit und die Grundrechte anderer bedroht werden«.
Das Antifa-Magazin (Selbstbezeichnung) »Der rechte Rand« veröffentlichte auf Twitter einen Ausschnitt aus einem Podcast des Jungeuropa-Verlages, in dem der Verleger Philipp Stein fantasierte, was man mit dem für seine Recherchen im rechtsextremistischen Milieu bekannten Journalisten Andreas Speit machen würde, wenn dieser den Stand besuchte. Man könne ihm eine Skinhead-Frisur verpassen, »scherzte« Stein zusammen mit seinem Mit-Podcaster Volker Zierke, und das Wort »Deutschland« in Fraktur ins Gesicht tätowieren.
Die Messe betonte, die Sicherheit der Teilnehmenden habe höchste Priorität. Es liege »ein umfassendes Sicherheitskonzept zugrunde, das es allen ermöglicht, die Messe sicher zu besuchen.« Schon 2017 hatte die Präsenz neurechter Verlage zu Protesten und einer Demonstration geführt.
feb/dpa