Und wieder einer weg ...
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„Es werden breite Kräfte, die dem Kurs der Kreise um Björn Höcke kritisch gegenüberstehen, aus der Partei gedrängt“, begründete Jens Sprenger, der ab 2003 zehn Jahre lang parteiloser Bürgermeister von Königsee war, seine Entscheidung gegenüber unserer Zeitung. AfD-intern ist die Rede von einer „totalitären Verdrängung von Mitgliedern, die nicht hundert Prozent hinter Höcke stehen“.
Sprengers Kritik reicht noch weiter. Gerade im Thüringer Landesverband werde der ursprünglich basisdemokratische Anspruch der Partei unterwandert. Nicht durch Höcke persönlich geschehe dies, so Sprenger, sondern vor allem dadurch, „dass Herr Höcke sich von Kreisen in seiner unmittelbaren Umgebung führen lässt, die sich nicht nur den politischen Zielen der Partei verpflichtet sehen, sondern die AfD als Katalysator nutzen, um ganz persönliche Vorteilsziele zu verfolgen“.
Das aus „ganz persönlichen Präferenzen“ motivierte Agieren von Höcke-Vertrauten führt nach Sprengers Beobachtungen in der AfD Thüringen zu folgendem: einem „zunehmenden Anreichern der Partei mit Karrieristen, Ex-CDU-Kadern, Mitarbeitern von Diensten wie dem Landeskriminalamt und Kadern aus dem Ex-SED-Umfeld“.
Um die Probleme zu lösen, habe er das Gespräch mit Vertretern des AfD-Landesvorstands gesucht, sagte Sprenger. „Gesprächsangebote von meiner Seite wurden aber nicht wahrgenommen.“ Der Landesvorstand mit Höcke und Möller an der Spitze sei dazu schlicht nicht bereit. Da er nach dieser Erfahrung keine Basis für eine professionelle Zusammenarbeit sehe, sei er vom Vorsitz der VKKT zurückzutreten. Das geschah vor einer Woche.
In der Spitze der Landes-AfD reagiert man gelassen auf die Kritik. „Ich habe Wichtigeres zu tun als Gespräche mit einem aufgeregten Mitglied zu führen, das wie ein Rohrspatz auf den Landesvorstand schimpft“, sagte Stefan Möller, mit Höcke Chef von Partei und Fraktion. Wer wie Sprenger im Internet im Stile einer Diffamierungskampagne den Unsinn behaupte, dass in der AfD Thüringen ein diktatorischer Führungsstil existiere und ein System von Vetternwirtschaft etabliert sei, der werde keinen schnelleren Gesprächstermin bekommen, sagte Möller. „Auf den persönlichen Frust eines Mitglieds reagieren wir nicht.“
In der VKKT hingegen lässt man nichts bis wenig auf Sprenger kommen. Er sei der perfekte Chef der VKKT gewesen, sagte gestern Vorstandsmitglied Hendrik Frühauf aus Breitenbach, der auch dem Vorstand des AfD-Kreisverbands Südthüringen angehört. „Ich schätze Herrn Sprenger sehr. Er hat unwahrscheinliches Fachwissen, das er auf perfekte Weise in der VKKT anbringen kann. Auch vom Menschlichen her ist er ein perfekter Ansprechpartner.“
Für AfD-Mitglied Frühauf steht fest: „Herr Sprenger ist ein ruhiger, überlegter Mensch. Sein Rücktritt jetzt kommt mir wie eine Kurzschlusshandlung vor. Aber er ist sehr verbittert. Das verstehe ich auch.“
Hinter dem Konflikt zwischen Sprenger und der AfD-Landesspitze steht ein Grundsatzstreit um die politische Ausrichtung der Partei. Sprenger ist Mitglied der vor einem Jahr gegründeten Alternativen Mitte (AM) innerhalb der AfD. Die AM versteht sich als liberal-konservative Strömung, die vorzugsweise das Bürgertum ansprechen will und sich aus Überzeugung scharf abgrenzt gegen extrem rechte Positionen sowie völkische Rhetorik, durch die Björn Höcke zuweilen auffällt.
Die AM hat die Einstellung des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke nach dessen Dresdner Rede kritisiert, fordert eine stärkere Abgrenzung gegen rechts, referiert eine Umfrage, der zufolge fast die Hälfte der AfD-Wähler Höcke nicht glaubwürdig findet. Zur „Vogelschiss“-Äußerung von AfD-Chef Alexander Gauland erklärte die AM, diese sei eine unglaubliche Bagatellisierung der Nazizeit gewesen, die einem Politiker, der über ein Mindestmaß an Verantwortungsbewusstsein für unsere Geschichte verfügt, nicht passieren dürfe.
„In Herrn Sprenger ist kein Vertrauen mehr da“, erklärte Parteichef Stefan Möller.
Frank Schauka / 27.06.18