Anläßlich der Hessenwahl listet die ZEIT auf, welche Verbindungen es in der hessischen afd so gibt, davon viele ins tiefbraune Milieu. Im Text einige interessante Links, die hier nicht wiedergegeben werden können:
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In Abgrenzung zur CDU betrachtet sich die AfD Hessen als Hüterin des wahren Konservatismus: Deutsche Leitkultur, Familienförderung, Mittelstand – Teile des Wahlprogramms der AfD könnten auch Christdemokraten bedenkenlos unterschreiben.
Die CDU und die AfD konkurrieren bei der Landtagswahl in Hessen mehr als anderswo um die gleichen Wählerschichten: Letztens hat Ministerpräsident Volker Bouffier die AfD als "Erbschleicher" beschimpft, weil Gauland gesagt haben soll, Alfred Dregger würde heute nicht mehr CDU, sondern die Alternative für Deutschland wählen.
Angriff auf die Dregger-CDU
Der langjährige Chef der Hessen-CDU und spätere Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist vielen Konservativen ein Vorbild. Zugleich war Dregger stets umstritten: Der einstige Frontsoldat, Jahrgang 1920, war ein entschlossener Kritiker der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht, gezeigt in den Neunzigerjahren in Berlin. In einem Buch verharmloste Dregger den Überfall auf die Sowjetunion, in der Nachkriegszeit verschwieg er seine NS-Vergangenheit, wie eine Studie zeigte.
Auch andere hessische CDU-Spitzenkeute verfolgten Dreggers rechtskonservativen Kurs. Walter Wallmann, Ministerpräsident von 1987 bis 1991, gehörte zur schlagenden Verbindung Germania Marburg. Aus den Reihen dieser rechtsradikalen Burschenschaft rekrutiert die AfD heute Mitarbeiter – von dort kommt etwa der Pressesprecher des Thüringer Landesverbandes. Die Ministerpräsidenten Roland Koch und Manfred Kanther vertraten ebenfalls eine konservative CDU. Nur Volker Bouffier, langjähriger hessischer Innenminister und derzeit Regierungschef, hat sich durch die Koalition mit den Grünen zuletzt einen moderneren Anstrich gegeben.
Dass es die AfD in Hessen überhaupt gibt, rühre aus der Unzufriedenheit vieler mit der liberaleren CDU unter Angela Merkel und ihrem Statthalter Bouffier, sagt AfD-Spitzenkandidat Rainer Rahn. "Die AfD von heute ist die CDU von vor 20 Jahren." Der 66-Jährige klagt, die schwarz-grüne Koalition des heutigen Hessen wäre unter Kanther "unmöglich gewesen".
Die AfD-Liste zur Landtagswahl gibt sich bürgerlich. Der 51-Jährige Landeschef Lambrou, Diplom-Kaufmann von Beruf, kandidiert direkt hinter dem Mediziner Rahn auf Listenplatz zwei. Erst auf Position zwölf und 13 folgen Frauen – eine Doktorandin und eine Heilpraktikerin. Die meisten Kandidaten sind Beamte und Angestellte. Nur fünf der 20 aussichtsreichen Mandatsbewerber kamen nach 1970 zur Welt.
Doch zur Hessen-AfD gehören auch Funktionäre und Kandidaten, die keine Berührungsangst mit Radikalen haben: Die Parteijugend Junge Alternative ist personell mit der völkischen Identitären Bewegung verflochten. Der Fuldaer Direktkandidat Jens Mierdel bestätigte der FR,in der Bewegung aktiv gewesen zu sein.
Journalisten auf die Straße zerren
Vor Monaten lobte der nach Antisemitismusvorwürfen aus der CDU ausgeschlossene hessische Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann auf einem Bürgerdialog in Fulda die Aktionen der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären, wie die FR unter Berufung auf eine Videoaufnahme berichtete.
Die Fraktion des Hochtaunuskreises ließ ihren Machtfantasien schon mal auf Facebook freien Lauf. Sie drohte Journalisten, "bei den uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser und Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt".
Die Vorstände der nordhessischen Kreisverbände Hersfeld-Rothenburg und Werra-Meißner luden als Wahlkampfhelfer Björn Höcke aus dem benachbarten Eichsfeld ein – der Thüringer Nationalist, der sich gern mit Pegida zeigt, wie zuletzt auf einem sogenannten Trauermarsch in Chemnitz. Unter den Gastgebern im Gemeinschaftshaus des 790-Einwohner-Dorfes Weißenborn war auch Landtagskandidat Gerhard Schenk, der männlichen Migranten pauschal Gewaltneigung, Frauenfeindlichkeit und Intoleranz unterstellt.
Nähe zu völkischen Kräften
Und auf Listenplatz fünf steht Andreas Lichert zur Wahl, 2017 mit einer Kandidatur für den Landesvorsitz zweimal gescheitert. Lichert leitete bis zum Sommer das Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek in Sachsen-Anhalt. Zudem setzte er sich als Immobilienfachmann dafür ein, dass das neurechte Netzwerk einprozent ein Gebäude in Halle mieten konnte, wo die führenden Aktivisten der Identitären Bewegung verkehren. "Wegen der politischen Nähe", begründet Lichert. "Denn solche Organisationen finden nur schwer Räume."
Die Identitäre Bewegung steht mit anderen vom Verfassungsschutz erwähnten Organisationen auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD – wer hier mitmachte, kann kein Parteimitglied werden, so lautet ein Parteivorstandsbeschluss. Lichert hält das für falsch. "Solche Automatismen sind mit Vorsicht zu genießen, wenn sie auf potenziell fehlerhaften Bewertungen des Verfassungsschutzes beruhen", sagt er. Er halte "ein Immunsystem" wie eine nach den Kriterien des Verfassungsschutzes erstellte Liste zwar für notwendig. Doch von der inhaltlichen Bewertung der Identitären durch den Parteivorstand sei er nicht überzeugt, "aber ich halte mich dran". Auf Drängen des AfD-Landesvorstands gab Lichert im Sommer dann seinen Job bei Kubitscheks Institut auf, ebenso die Verwaltung des Neurechten-Hauses in Halle.
Die Nähe völkischer Kräfte sucht der Grenzgänger noch immer. Lichert hätte den Thüringer Wahlkampfhelfer Höcke sogar gern selbst eingeladen, wie er sagt. "Ich hätte ihn mir auch viel öfter als Redner in Hessen gewünscht." Man müsse dem Bürger auch "jene vorstellen, die polarisieren. Wenn man nur die Saubermänner auf die Bühne stellt, heißt es: Das sind liberale Feigenblätter." Da könnte sich der Landtagskandidat und AfD-Landeschef Lambrou gemeint fühlen. Offene Kritik an dem Gastspiel Höckes im hessischen Norden äußern er und sein Vorstandskollege Rahn nicht. "Ich hätte ihn nach Frankfurt nicht eingeladen", sagt Rahn nur. Lambrou verweist darauf, dass keiner der Vorstandsmitglieder Höckes Auftritt besuche. Mehr will er nicht sagen. Höckes Gastgeber Schenk lässt Nachfragen dazu unbeantwortet.