@NeubuergerAus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß Strafverfolgungsbehörden nur dann aktiv werden, wenn man umfassende Informationen und Begründungen liefert. Wenn ich die Polizei auf einen Sachverhalt hinweise, der kriminell zu sein scheint, dann hat der Hinweis die Form eines breiten Leitz-Ordners, in dem sich vorne ein Schreiben befindet, das den Hinweis erläutert und begründet und die Materialien enthält, auf die sich diese Überlegung stützt.
Die Sicht der Regierung in Sachsen-Anhalt auf die Reichsbürger/Selbstverwalterszene wird in der Antwort auf eine Kleine Anfrage einer Landtagsabgeordneten vom 12.April 2021 deutlich (
https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp7/drs/d7522dak.pdf).
Hierin wird die Landesregierung u. a. mit Bezugnahme auf das KRD gefragt:
6. Mit welchen Maßnahmen begegnete die Landesregierung der „Reichsbürgerbewegung“ bisher und wie gedenkt sie dies in Zukunft zu tun?
Die Antwort lautete:
(…).
Zur Abwehr der von extremistischen Bestrebungen ausgehenden Gefahren stellt die Landesregierung daher eine Vielzahl an Präventionsangeboten zur Verfügung, mit denen die verantwortlichen Akteure in Politik, Verwaltung und Gesellschaft entsprechend sensibilisiert werden können. Neben Broschüren und Publikationen der Verfassungsschutzbehörde sowie dem jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht besteht auch die Möglichkeit des direkten Dialogs mit den mit Präventionsaufgaben betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde, beispielsweise im Rahmen von (telefonischen) Anfragen, Vorträgen und Fachtagungen. Es findet daher ein Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde mit solchen anderer öffentlicher Einrichtungen sowie mit solchen ziviler oder privater Institutionen statt. Anlassbezogen erfolgt die Kontaktaufnahme dabei sowohl proaktiv seitens der Verfassungsschutzbehörde, als auch in Reaktion auf entsprechende Anfragen seitens der jeweiligen Institutionen, Kommunen oder Behörden.
Insbesondere in Bezug auf die Reichsbürgerszene war und ist die Verfassungsschutzbehörde mit Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen in Kontakt, um den Phänomenbereich vorzustellen und Handlungsempfehlungen zu erörtern. Hierzu fanden und finden z. B. themenbezogenen Fortbildungsveranstaltungen am Aus‐ und Fortbildungsinstitut des Landes (AFI), am Studieninstitut für kommunale Verwaltung (Sikosa) oder direkt vor Ort in den Verwaltungsbehörden statt. Auf die speziell zur „Reichsbürgerszene“ vom Ministerium für Inneres und Sport für die öffentliche Verwaltung her‐
ausgegebenen Handlungsempfehlungen sowie auf den allgemeinen Informationsflyer
„Reichsbürger in Sachsen‐Anhalt“ wird verwiesen; die Publikationen sind auf der Homepage des Ministeriums für Inneres und Sport abrufbar.
Auch die Polizeiinspektionen des Landes stellen ihren Bediensteten Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Reichsbürgern zur Verfügung und führen Informationsveranstaltungen sowie Schulungsmaßnahmen durch.
Durch die Änderungen waffenrechtlicher Vorschriften kann mittels Regelanfrage bei den Verfassungs-schutzbehörden und einer Nachberichtspflicht der Waffenbesitz von Reichsbürgern verhindert und unterbunden werden. Das Ministerium für Inneres und Sport hat im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft und Digitalisierung und dem Ministerium für Arbeit und Soziales die Voraussetzungen geschaffen, um durch einzelfallbezogene Zuverlässigkeitsprüfungen nach Maßgabe der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz auch zu prüfen, ob Verbote für den Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen und Munition (§ 41 Abs. 1 WaffG) sowie Verbote für den Erwerb und Besitz erlaubnispflichtiger Waffen (§ 41 Abs. 2 WaffG) zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten sind.
Die Deutsche Richterakademie organisiert mit Sachsen‐Anhalt als Ausrichterland für den 25. bis 28. Mai 2021 eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Thema „Umgang mit Staatsleugnern ‐ Reichsbürger, Selbstverwalter, Zivilrechtler und anderes schwieriges Klientel“.
Zudem ist die Unterstützung des Landes für seine Bediensteten gestärkt worden. Der dienstlich gewährte Rechtsschutz bestimmt sich nach dem Gem. RdErl. des Ministeriums des Innern (MI), des Ministeriums für Justiz (MJ) und des Ministeriums für Finanzen(MF) vom 16. Juni 1995 ‐ Rechtsschutz für Beschäftigte der Landesverwaltung ‐ (MBl. LSA 1995, S. 1343). Die Ergänzung durch den Gem. RdErl. des MJ und MF vom 29. Juni 2018 (MBl. LSA S. 296) hat Regelungen zu Staatsleugnern in den Gem. RdErl. aufgenommen.
Das Landesdemokratiezentrum (LDZ), angesiedelt im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, bezieht die Reichsbürgerszene in seine Präventionsmaßnahmen ein. Das LDZ setzt das Bundesprogramm „Demokratie‐Leben!“ um und ergänzt die Bundesförderung mit dem Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit. Aus diesen Programmen werden Maßnahmen gefördert, die alle extremistischen Bestrebungen in den Blick nehmen und insbesondere aufklärend und präventiv tätig werden. In diesem Zusammenhang wird auch über Ziele und Handlungsweisen der Reichsbürger
aufgeklärt.
Auch künftig wird die Landesregierung ihren Bediensteten und den Bediensteten der Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern zur Reichsbürgerproblematik als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Die wirtschaftlichen Aktivitäten von Gruppierungen aus der Reichsbürger-/Selbstverwalterszene scheinen nicht auf dem Radarschirm zu sein. Die Landesregierung sieht Handlungsbedarf auf dem Feld der allgemeinen politischen Bildung, der Information von Behörden, des Schutzes von Personen, die im öffentlichen Dienst arbeiten und der Kontrolle von Waffenbesitz.
Die Strategie scheint so auszusehen, daß man diese Gruppen gewähren läßt, wenn sie nur vor sich hinspinnen, hin und wieder die Behörden ärgern und ansonsten nicht als Gewaltpotential in Erscheinung treten.
Daß man sich mit diesem Gewährenlassen die Probleme, die man bekämpfen will, am Leben erhält, wird seltsamerweise übersehen.
Die Frage, warum Behörden eher zögerlich gegen solche Gruppen vorgehen, liegt m. E. zum einen daran, daß sie sich mit schwer durchschaubaren Behauptungen auseinandersetzen müssen, d. h. Argumentationen, die sich auf das Verfassungs- und Völkerrecht, die deutsche Geschichte, die internationale Politik usw. beziehen. Das ist nicht das Terrain, auf dem sie sich normalerweise bewegen.
Zum anderen sind die gesetzlichen Vorschriften im Hinblick auf staatsgefährdende oder verfassungs-feindliche Aktivitäten (§§ 81-90 StGB) mit bestimmten Bedingungen verknüpft, die nicht immer erfüllt sind. Das rechtliche Instrumentarium greift häufig nicht.