Das Buch war nie ein Geheimnis, meine Großmutter hatte es vor den Franzosen versteckt. Aber nicht, weil sie so eine glühende Anhängerin Hitlers gewesen wäre, eher das Gegenteil war wohl der Fall. Bekommen hat sie es, zusammen mit einem Merkblatt über die Reinheit des Deutschen Blutes, zur Hochzeit, kurz bevor sich ihr Mann an der Ostfront dem Vaterland "opfern durfte". Sie wollte es wohl als Mahnung bewahren.
Sie hat sich mal über eine damalige Freundin ausgelassen, die ganz stolz berichtet hatte, sie hätte den Führer gesehen. Hat meine Oma nie verstanden.
Daß mein Großvater unfreiwillig im Krieg an der Ostfront war und dort geblieben ist, daß sie mit einer Tochter alleine in einem zugrunde gerichteten Land zurück blieb, ich denke, auch das hat sie dem "Führer" nie verziehen. Sie hat mir schon früh gesagt, daß das nie wieder passieren darf. Ich denke, sie hat mich zu der Antifaschistin erzogen, die ich heute bin. Dafür bin ich dankbar.
Jahrzehnte später haben wir dann immerhin vom DRK-Suchdienst Unterlagen bekommen, auf russisch. Jetzt wissen wir wenigstens ungefähr, was passiert ist und wo mein Opa seine letzte Ruhestätte hat finden müssen. Er kam in Gefangenschaft und verstarb da. Meine Oma hat das nicht mehr mitbekommen. Leider. Oder zum Glück? Ich weiß es nicht, aber vielleicht hätte sie doch zu Lebzeiten gerne mindestens Gewissheit gehabt über das, was eh klar war.
Was das Buch angeht, ich bin dankbar, daß ich reinlesen konnte, aber ehrlich, das ist echt schwer. Nicht mal wegen der gewählten Schriftart; es ist so schlecht geschrieben, so voller Hass, ich habe es nicht zu Ende lesen können. Letztlich ist es ein Psychogramm eines Wahnsinnigen, ein Spiegel der Persönlichkeit Hitlers. Und ja, wer es gelesen hatte, der wusste, was da kommt. Aber gut, heute könnte ich Wahlprogramme der AfD lesen, die sind ähnlich brutal und schlecht und es soll später niemand sagen, man hätte
das ja nicht ahnen können.
Psychopathen spielen ein Spiel. Sie sagen ganz offen, was sie wollen und sie wissen, daß das so absurd, so menschenverachtend und brutal ist, daß das kaum jemand für bare Münze nehmen wird. Aber sie vergiften den Geist, und manchmal finden sie willige Helfer. Der Rest, zumindest die meisten, das wissen sie, schaut einfach weg.
[geheim]
Achtung!
Geheim!
[…]
[/geheim]
Ja, ist ja gut, ich geh ja schon heim.