Komische Frage! Bremen ist doch total linksrotgrünmüslimiversifft!!!eins!!!!ölf!!!!
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Die Spurensuche beginnt bei dem Epidemiologen Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (Bips). „Wir haben sehr früh darüber gesprochen, dass es gewisse Gruppen gibt, die traditionell nicht so gut zu erreichen sind, die nicht Bescheid wissen. Da soziale Ungleichheit in Bremen kein Fremdwort ist, haben wir – gemeinsam mit der Politik – auch sehr schnell mit innovativen Antworten auf unsere spezielle Situation reagiert“, sagt Zeeb gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
So habe man etwa Gesundheitsfachkräfte in die Quartiere geschickt – und zwar vor den Impfungen, um Vertrauen aufzubauen. „Es macht schon was aus, dass man sich da vor Ort zeigt“, sagt Zeeb. „Diese Teams sind teilweise auch in Kitas gegangen und haben dort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inspiriert, die Eltern der Kinder anzusprechen, was Impfungen anbelangt. Und dann hat Bremen auch schon sehr früh mit seinem Impfzentrum begonnen – und unsere Impfmobile in die Quartiere geschickt.“
Die gute Organisation rund um das Impfzentrum, eines der größten Deutschlands, ist für Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) der Schlüssel für die hohe Impfquote bei der vulnerablen Bevölkerungsgruppe. Nur etwa 5 Prozent der über 60-Jährigen sind ungeimpft. Bremen habe es den älteren Menschen sehr leicht gemacht, die Impfung zu erhalten, und nicht nur alle angeschrieben, erklärt der Bürgemeister.
Bereits im Januar 2020, so erinnert sich Zeeb, habe man mit den Aufbauarbeiten für das Impfzentrum begonnen. „Ende März waren wir einsatzbereit. Wir haben in Bremen auch viele Mitarbeiter aus der Gastronomie rekrutiert – die Zusammenarbeit zwischen privatem und öffentlichem Sektor funktionierte jedenfalls ausgezeichnet, etwa was die Bereitstellung von Computersystemen anbelangte. Das Impfzentrum war einsatzfähig, bevor es überhaupt ausreichend Impfstoff gab.“
„Wir erreichen die Gruppen, die man normalerweise eben nicht erreicht“
Den Weg zu Impfungen zu vereinfachen, Ängste und Vorbehalte vor Ort abzubauen – das ist die Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (LVG & AFS). Sie ist der hauptamtliche Arm der Bremer Landesvereinigung. Marcus Wächter-Raquet ist zuständig für die Koordinierung der Einsätze der Gesundheitsfacharbeiter. „Das Projekt der Gesundheitsfachkraft wird von Bremens Gesundheitssenatorin gefördert“, erläutert Wächter-Raquet.
„Wir sind in den benachteiligten Stadtteilen unterwegs und kümmern uns unter anderem um die Impfaktionen, wenn das Deutsche Rote Kreuz seine beiden Impftrucks in die einzelnen Viertel schickt. Unsere Arbeit setzt aber viel früher an“, sagt er. Schon eine Woche vor dem Impftermin sei man in den Stadtteilen unterwegs und versuche wirklich alle Kommunikationskanäle, die zur Verfügung stehen, anzuzapfen, um möglichst viele Fragen schon im Vorfeld zu klären. „Das ist sicherlich einer der vielen Bausteine, die in Bremen dazu beitragen, dass wir die Gruppen erreichen, die man normalerweise eben nicht erreicht – also Menschen, die gar kein Deutsch können, Geflüchtete, Menschen, die in Wohnquartieren leben, in denen es praktisch keine Infrastruktur gibt.“
„Jedes Quartier hat ja seine Besonderheiten“
Drei der Menschen, die sich dieser Aufgabe mit viel Geduld und Engagement stellen, sind Lisann Focke, Danny Can-Naique und Arzu Isik. Lisann Focke arbeitet als Gesundheitsfachkraft in der Grohner Düne und im Stadtteil Marßel. Danny Can-Naique ist als Gesundheitsfachkraft in Huckelriede tätig, Arzu Isik in derselben Funktion in Kattenturm – allesamt Stadtteile oder Quartiere, die auf die eine oder andere Art benachteiligt sind.
„Es ist sehr unterschiedlich, was wir da machen. Jedes Quartier hat ja seine Besonderheiten“, erzählt Focke. „Aber natürlich leisten wir einige Vorarbeit, damit die Leute überhaupt vom Impfmobil wissen und dann auch bestenfalls zur Impfung kommen. In der Grohner Düne haben wir uns verschiedene Anwohnerinnen und Anwohner geholt, die auch übersetzen konnten. Wir hatten eine Art Infotisch aufgestellt. Anfangs haben wir sogar mit einem Megafon informiert: ,Hey, Leute, kommt her, wir haben Informationen für euch.‘“ In den sozialen Medien gebe es unglaublich viele Fake News, durch die die Ängste der Menschen geschürt würden, sagt Focke. „Wir versuchen deshalb immer, auf die Menschen einzugehen, sie nicht gleich abzuwerten, weil sie sich nicht impfen lassen wollen, sondern zu fragen, woher die Ängste bei ihnen rühren.“
Geldstück an den Arm gehalten
Auch die kostenlose Ausgabe von Schutzmasken und Desinfektionsmitteln, etwa vor Einkaufszentren, erwies sich als vertrauensbildende Maßnahme. Gespräche übers Impfen schlossen sich an. „Am wichtigsten ist es, die Menschen nicht in Schubladen zu stecken“, sagt Focke. „Stattdessen zeigen wir Mitgefühl für die Ängste und informieren dann sachlich. Das ging teilweise so weit, dass ich mir ein Geldstück an den Arm gehalten und gesagt habe: ‚Schaut mal, ich bin nicht gechipt, da ist nichts magnetisch.‘“
Danny Can-Naique betreut den wesentlich kleineren Ortsteil Huckelriede: „Da ist ein Wohnkomplex, in dessen Mitte sich eine große Wiese befindet. Da habe ich einen Pavillon aufgebaut und Handreichungen zur Impfung in verschiedenen Sprachen hingelegt. Dann habe ich erst mal abgewartet.“ Am ersten Tag schauten die Leute von ihren Fenstern und Balkonen auf den Pavillon, am zweiten Tag seien sie dann gekommen und hätten Masken und Desinfektionsmittel abgeholt, erzählt Can-Naique. „Da kamen dann die Gespräche auf, auch mit Impfskeptikern und ‑gegnern. Da ist es wichtig, nicht gleich mit seiner eigenen Meinung überzeugen zu wollen, sondern Empathie zu vermitteln – es ist ja bei jeder Entscheidung wichtig, die Gedanken- und Gefühlswelt seines Gegenübers miteinzubeziehen.“
Grundhaltung der Teams ist es, keinerlei Zwang zu vermitteln, sondern nur ein Angebot zu machen, über das jeder Einzelne dann frei entscheiden könne. Dadurch fühlen sich die angesprochenen Menschen offensichtlich so ernst genommen, dass die Impfangebote dann eben auch angenommen werden. „Wenn der Impftruck dann da ist, bilden sich immer lange Schlangen. Und in diesen Schlangen stehen dann nicht nur Anwohner, die wir direkt informiert haben.“ Einige Menschen allerdings seien einfach nicht zu überzeugen und würden nur mit Verbalattacken reagieren – aber, so Can-Naique, das seien wenige.
Arzu Isik ist in dem von ihr betreuten Stadtteil zunächst „immer auf die Leute zugegangen. Das war tatsächlich so eine Hochhausberatung. Wir haben einen Infostand aufgebaut und die Anwohner angesprochen. Dann habe ich Elternabende von Grundschulen und Kitas besucht und habe teilweise auch Eltern- oder Gesundheitscafés etabliert. Dann habe ich Kinderferienkurse und VHS-Sprachkurse oder Nähgruppen besucht, um niedrigschwellig kommunizieren und informieren zu können.“
Für die Bremer gilt es auch ein grundsätzliches Fazit aus der Arbeit zu ziehen, wie Focke im Sinne ihrer Mitstreiter formuliert: „Mein Appell wäre, dass man versucht, die Ängste zu verstehen, denn viele richtige Informationen lassen sich nur auf Deutsch besorgen. Nicht verteufeln, sondern Empathie zeigen – das hilft bei der Informationsvermittlung.“
Der Erfolg gibt den Gesundheitsfachkräften und ihrem Konzept recht. Deshalb soll deren Zahl demnächst auch weiter erhöht werden. Man müsse jetzt immer wieder darauf hinweisen, dass das Impfen in Bremen auch weiterhin niederschwellig möglich ist, sagt Zeeb. „Auch für die Boosterimpfung sollte gelten, dass es weiterhin leicht ist, an eine Impfung zu kommen.“