Spoiler
Unliebsame Neuigkeiten für Matteo Salvini: Das US-Internetportal Buzzfeed hat am Mittwoch heimlich aufgenommene Tonaufnahmen eines Treffens in Moskaus von drei Russen mit drei Italienern veröffentlicht. Die Aufnahmen legen nahe, dass die rechte italienische Regierungspartei Lega über einen windigen Erdöldeal mit Russland Dutzende von Millionen Dollar an illegalen Spenden erhalten sollte.
Der Plan: Russische Ölfirmen sollten an den italienischen Energieversorger Eni für 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Mrd. Euro) drei Millionen Tonnen Rohöl liefern; über Rabatte und zwischengeschaltete Banken sollten dabei heimlich 65 Millionen Dollar auf Konten der Lega abgezweigt werden.
Einen Beweis, dass der Deal tatsächlich zustande gekommen und das Geld tatsächlich geflossen ist, blieb Buzzfeed aber schuldig. Und so kam prompt das Dementi von Salvini: "Ich habe nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Wodka an Finanzierung von Russland genommen!"
Erste Berichte schon im Februar
Das Nachrichtenmagazin L’Espresso hatte über das Treffen vom 18. Oktober 2018 im Moskauer Hotel Metropol schon im Februar berichtet – und über die Verbindungen des Innenministers zum Umfeld von Wladimir Putin sind auch schon zwei Enthüllungsbücher erschienen. Die Tonaufnahmen von Buzzfeed liefern zu Salvinis brisanter Moskau-Connection lediglich den bisher fehlenden Soundtrack.
Schlüsselfigur dieser Connection – und vor allem des Treffens in Moskau – ist Salvinis Vertrauter Gianluca Savoini (56), ehemaliger Journalist bei der Lega-Zeitung La Padania. Nach der Wahl Salvinis zum Chef der Lega im Dezember 2013 wurde er dessen Sprecher. Savoini, der mit einer Russin verheiratet ist, ist Präsident der Vereinigung "Lombardia-Russia"; laut ehemaligen Arbeitskollegen bei La Padania sympathisiert der Salvini-Vertraute mit faschistischem und neonazistischem Gedankengut.
Salvini tatsächlich in Moskau
Salvini hat an dem von Savoini eingefädelten Treffen selber nicht teilgenommen, hielt sich aber an diesen Tagen ebenfalls in Moskau auf, wo er unter anderem bei einem Treffen von Wirtschaftsvertretern auftrat (siehe Foto).
Auf den Tonaufnahmen preisen die Italiener Salvini als "Europas Trump" an, der die EU mit anderen europäischen Parteien der extremen Rechten von Grund auf verändern wolle. "Dieses neue Europa muss viel enger mit Russland zusammenrücken", hört man Savoini sagen.
Salvinis Bewunderung für den russischen Präsidenten ist in Italien ein offenes Geheimnis. "Putin ist ein Leader mit klaren Ideen, der für eine geordnete, saubere und harmonische Gesellschaft steht. Ich wäre schon zufrieden, wenn ich nur einen Bruchteil seines Niveaus hätte", sagte Salvini, als er noch nicht Innenminister Italiens war. Die Russland-Sanktionen seien "♥♥♥isch, verrückt, verantwortungslos, masochistisch".
Ermittlungen laufen seit Februar
Salvini betonte am Mittwoch, dass er gegen die Unterstellung, aus dem Umfeld Putins Geld entgegengenommen zu haben, klagen werde. "Ich habe schon Anzeige erstattet, werde es auch heute tun, morgen und übermorgen." So ganz stimmt dies laut dem Chef von L’Espresso, Marco Damilano, nicht: "Die Lega hat uns zwar wegen Diffamierung geklagt und mehrere unserer Beiträge zitiert, aber nicht jenen über das Treffen vom 18. Oktober in Moskau." Denn Salvini könne nicht bestreiten, dass es zumindest solche Verhandlungen gegeben habe.
Wie erst am Donnerstag bekannt wurde, hatte die Staatsanwaltschaft von Mailand schon im Februar, nach den Enthüllungen von L’Espresso, begonnen zu ermitteln. Die Opposition fordert natürlich eine rasche, lückenlose Klärung der Angelegenheit. "Entweder sind das Fake-News – oder aber eine unfassbare Enthüllungsgeschichte", erklärte Senator und Ex-Premier Matteo Renzi vom sozialdemokratischen Partito Democra tico. "Russisches Öl, um die Lega zu finanzieren? Das wäre ja verrückt." (Dominik Straub, 11.7.2019)
Spoiler
Eine „Botschaft des Hasses“ in den sozialen Medien
Salvini kommentierte die Ereignisse um die „Sea-Watch 3“ seit der Rettung von insgesamt 53 Migranten Mitte Juni vor Libyen in den Medien und auf seinen Accounts bei Twitter und Facebook. In Tweets und Live-Videos griff er Rackete mehrfach direkt an und bezeichnete sie unter anderem als „reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin“, „Gesetzlose“ und „Kriminelle“ und beschuldigte sie der versuchten Tötung. Die Verleumdungsklage dokumentiert die Äußerungen Salvinis ausführlich.
Salvini verbreite auf Twitter und Facebook eine „Botschaft des Hasses“ und nutze dafür sein Amt, heißt es in der Klage weiter. Mit seinen Äußerungen habe Salvini wiederum „unzählige“ weitere Äußerungen ausgelöst – zum Beispiel sei Rackete von dessen Followern als „deutsche ♥♥♥“ oder „verdorbene ♥♥♥“ bezeichnet worden. Kommentiert worden sei auch: „Betoniert sie ein“.
MEHR ZUM THEMA
Salvinis Aussagen seien „weit davon entfernt, Äußerungen legitimer Kritik“ zu sein, vielmehr habe es sich dabei um „grundlose und beleidigende Aggressionen gegen meine Person“ gehandelt, heißt es in der Klage. Seit Wochen betreibe er zudem eine „Hetzkampagne“ gegen Sea-Watch, die Salvini als „illegale und gesetzlose Organisation“ bezeichnete, die „illegale Migranten“ von Bord eines „illegalen Schiffs“, eines „Piratenschiffs“, eines „gesetzlosen Schiffs“ gehen lasse und deren Mitglieder „Komplizen von Schleppern und Menschenhändlern“ seien.
Racketes Verteidiger Gamberini hatte schon bei der Ankündigung der Klage in einem Interview gesagt, dass es schwierig sei, dem Hass entgegenzutreten. Man wolle aber ein Zeichen setzen.