Wenn davon mal nicht die Hälfte gelogen ist...
Spoiler
Calw "Rattenfänger" gibt sich zu erkennen
Von Bianca Rousek 05.09.2019 - 18:31 Uhr
Er hat als erstes seine Bewerbung für den Oberbürgermeister-Posten eingereicht und doch weiß kaum jemand etwas über ihn. Die Rede ist von Samuel Speitelsbach. Wer ist dieser Mann? Und was hat er für Ziele?
Calw. In Calw mag Samuel Speitelsbach noch ein Unbekannter sein. Blickt man jedoch in andere Städte, in denen er sich schon als Bürgermeister beworben hat – er gilt in einigen Medien bereits als Dauerkandidat – dürfte das nicht mehr lange so sein. Kurz zusammengefasst: Durch krude Aussagen sorgte er nicht nur für Aufsehen, sondern handelte sich auch schon mehrere Strafanzeigen ein.
Aber von vorn. Speitelsbach ist 32 Jahre alt, Diplom-Ingenieur und stammt aus Ravenstein. Laut seines Lebenslaufs, der dem Schwarzwälder Boten vorliegt, hat er sein Abitur mit 1,0 geschafftt. Anschließend studierte er Technologiemanagement. Nach mehreren Praktika und kurzzeitigen Jobs arbeitet er mittlerweile an einer eigenen Programmiersprache. Einen festen Job hat Speitelsbach nicht.
Dafür zeigt er sich umso engagierter in Sachen Bürgermeister-Kandidaturen. In den vergangenen Jahren bewarb er sich zum Beispiel in Baiersbronn (Landkreis Freudenstadt), in Gutach (Ortenaukreis), Kernen (Rems-Murr-Kreis) und in Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis). Überal wo er kandidierte, sorgte er für Ratlosigkeit und zuweilen auch für Entsetzen.
Der Grund: Flyer und ein Wahlprogramm mit abstrusen und in manchen Fällen sogar Hitler verherrlichenden Aussagen. So stand auf einem Flyer, den der Kandidat in Baierbronn verteilte, Eva Braun sei der einzige Gott und Adolf Hitler der Prophet. Aus seinem Wahlprogramm, das er für die Stadt Gutach vorlegte, geht hervor, dass Speidelsbach alle Knochen, die gefunden werden, taufen möchte. Ebenso spricht er sich dafür aus, die Gräber von jenen zu taufen, die im Namen Allahs getötet haben. "Islamistische Attentate werden nachlassen, wenn die Attentäter danach zwangsgetauft werden", ist er überzeugt.
Schädlingsbekämpfung taucht wiederholt auf
So weit, so kurios. Doch in Adelsheim wurde gar Anzeige wegen "Verdachtsmomenten auf Volksverhetzung", Beleidigungen und "Störung öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten" erstattet, wie im April berichtet wurde. Speitelsbach soll damals per Flugblatt die Sprenung des Gymnasiums gefordert haben. Auch in Baiersbronn kam er in Konflikt mit dem Gesetz – wegen jener Aussagen, die sich auf Hitler beziehen.
Nun tritt der 32-Jährige also auch in Calw an. Was können die hiesigen Bürger von ihm erwarten? Der Kandidat unterteilt sein Wahlprogramm auf Anfrage des Schwarzwälder Boten in drei Themenbereiche.
Erstens: die Ansiedlung sowie den Aufbau von Industrie. Speitelsbach möchte eine "unbürokratische Vergabe von städtischen Krediten an Unternehmensgründungen und die Abschaffung der Arbeitslosigkeit durch städtische Projekte zum Mindestlohn", wie aus der E-Mail hervorgeht. Als Beispiel hierfür nennt er die Schädlingsbekämpfung, die im Laufe des Schreibens immer wieder auftauchen wird. Es gebe neuartige Verfahren, die es laut ihm unnötig machen, Rattengift auszulegen. "Es ist wirksamer in großem Stil weiße Mäuse auszusetzen, welche die wilden Mäuse verdrängen und die Population nachhaltig dezimieren, völlig ohne Chemie", schreibt er. "Das Verfahren eignet sich auch für andere Schädlinge."
Thema zwei: Dezentralisierung. Jeder Ortsvorsteher soll ein eigenes Budget bekommen, um soziale Projekte selbst zu regeln. Stammheim bildet laut Speitelsbach aber eine Ausnahme: "Für Stammheim trete ich nicht als Oberbürgermeister an, sondern meine Stimmen in Stammheim zählen als Bürgerreferendum darüber, ob Stammheim ausgemeindet wird."
Im dritten Themenbereich des "Wahlprogramms" fordert der OB-Kandidat, dass die öffentlichen Verkehrsmittel doppelt so oft fahren, bei der Hälfte der Kosten. Dann greift er erneut die Schädlungsbekämpfung auf – denn dadurch sollen mehr Arbeitsplätze entstehen, als Calw Einwohner habe. Speitelsbach möchte als Oberbürgermeister auch dafür sorgen, dass sich Arbeit wieder lohnt. "Unter meiner Herrschaft wird Calw bald wieder die reichste Stadt von Deutschland sein und für Schädlingsbekämpfung weltberühmt werden", so sein Abschluss-Plädoyer.
Was er hinzufügt, klingt beinahe wie eine Drohung: "Im Grunde habt ihr es alle gewusst, dass ein Rattenfänger kommen würde. Hier bin ich. Und vergesst nicht, mich gut zu entlohnen, was sonst passiert, könnt ihr bei den Gebrüdern Grimm nachlesen."