Reichsbürger-Prozess Wo ist das SEK-Video vom Adrian-Ursache-Einsatz hin?
Von Steffen Könau 04.03.18, 11:00 Uhr
Auf einmal steht an der Stelle, an der eben noch das Video war, nur noch ein grauer Kasten. Per Klick gibt es die Information „dieses Video ist nicht verfügbar“ - die Internetplattform Youtube hat gesperrt, was eben noch für Aufregung in einem der spektakulärsten Gerichtsverfahren in Sachsen-Anhalt und für Anfragen bis in den Landtag gesorgt hat:
Einen Film, der zeigt, wie ein Einsatzkommando der Polizei des Landes ohne sich verbal zu erkennen zu geben das Grundstück des als Reichsbürger bekannten Adrian Ursache aus Reuden stürmt, dabei anwesende Frauen und Männer zu Boden zwingt und mit Kabelbindern fesselt.
Das geleakte Video, Bestandteil der Gerichtsakten und von Unbekannten veröffentlicht, ist ein Dokument, dessen Veröffentlichung nach Ansicht der Verteidigung „zur Aufklärung der Öffentlichkeit“ beiträgt.
Geleaktes Video von Reichsbürger Adrian Ursache von Youtube entfernt
Dem Beweiswert des Filmes im Prozess schadet die Publizität zudem nicht - er war schon zuvor als Beweismittel ins Verfahren eingeführt worden. Deshalb hatte sich die Mitteldeutsche Zeitung entschlossen, die knapp 14 Minuten Video im Internet öffentlich zu machen.
Dann allerdings sperrte die Google-Tochter Youtube den Zugriff für Zuschauer aus Deutschland. Und auf der Suche nach dem Urheber der Sperre stellte sich heraus, dass auch die Polizeidirektion Süd bei Youtube darauf hingewirkt hatte, den Film aus dem Angebot zu löschen.
Zwar gab der Onlineriese an, dieses Ansinnen abgelehnt zu haben, weil das Video bereits aufgrund der Anfrage einer Privatperson auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gesperrt worden sei.
Geleaktes Video von Adrian Ursache gelöscht: Behörde regt an, Youtube entscheidet
Doch in Zeiten zunehmender Netzsperren, Geoblockaden und der Säuberung von Suchmaschineneinträgen stand natürlich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Polizeidirektion Süd eine Sperrung oder Löschung des geleakten Filmes beantragt hat.
Habe man gar nicht, heißt es dort jedoch. Einzig „angeregt“ worden sei, dass Youtube das Video nicht mehr zeigen möge. Grundlage sei das „Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG LSA)“ gewesen, doch verantwortlich sei die Polizei letztlich nicht für eine Sperrung. „Das YouTube-Supportteam für Rechtsfragen entscheidet in eigener Zuständigkeit.“
So einfach ist das. Eine staatliche Behörde regt an. Und eine private Firma aus den USA „entscheidet in eigener Zuständigkeit“ was in Sachsen-Anhalt unter die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit fällt.
Video von SEK-Einsatz in Reuden gelöscht: „Sicherheitsbehörden und Polizei können erforderlichen Maßnahmen treffen, um Gefahr abzuwehren“
Kommt es zu einer Einschränkung des Artikels 5 Grundgesetz, ist das nicht schön. Aber die Behörde kann immerhin sagen, dass sie bis auf eine „Anregung“ nichts damit zu tun hat.
Abgesehen davon, dass das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG LSA), auf dessen Paragraf 13 sich die PD Süd bei ihrem Versuch stützte, Zuschauern in Deutschland den Zugang zu dem SEK-Video zu verwehren, das gar nicht hergibt.
Dort steht zwar, dass „die Sicherheitsbehörden und Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen können, um eine Gefahr abzuwehren“. Nur schränkt Paragraf 11 desselben Gesetzes die Möglichkeiten, das unter Inkaufnahme der Einschränkung von Grundrechten zu tun, auf fünf konkrete Artikel des Grundgesetzes ein, unter denen sich Artikel 5 eben gerade nicht findet.
Video von SEK-Einsatz auf Youtube gelöscht: Private Nutzer reagieren und laden es erneut hoch
Entsprechend dünn ist die Verteidigungslinie des Innenministeriums in Magdeburg. „Sollte eine Behörde einen Antrag auf Löschung eines auf einer Social-Media-Plattform veröffentlichten Beitrages stellen, obliegt es dem Betreiber der Plattform, wie mit dem gemeldeten Beitrag zu verfahren ist“, heißt es dort.
Ein „gegebenenfalls möglicher Eingriff in die grundgesetzlich verankerte Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG“ finde im Ergebnis denn auch „nicht durch den Antragsteller statt, da dieser nicht über die Löschung des gemeldeten Inhaltes“ entscheide.
Eine weitergehende rechtliche Begründung, ob im Fall des geleakten SEK-Videos „eine etwaige Einschränkung der Pressefreiheit erfolgt sein könnte“, sei weder durch das Ministerium für Inneres und Sport noch durch die Polizeidirektion Süd vorzunehmen. Inzwischen haben mehrere private Nutzer das umstrittene Filmmaterial neu zu Youtube hochgeladen. Dort ist es nun wieder uneingeschränkt zu sehen.
››Direkt zum Video:
www.bit.ly/sekeinsatz