Hüstel, auch in meiner Heimat waren "Streber" eher unbeliebt. Auch dort gibt es die "rechten Leute", die "knochenhart" arbeiten und mit einer gewissen Verachtung auf Leute herabblicken, die studiert haben. Das scheint mir keine besonders typisch deutsche Eigenart zu sein, allenfalls die Eigenart von Proleten, um einmal dieses Wort zu verwenden und alternative Wortvorschläge zu vermeiden.
Was mir in Deutschland am Schulsystem auffällt, ist allerdings zweierlei: Erstens wird im gegliederten Schulsystem sehr früh selektiert. Ich bin in meiner Heimat zwar auch nach vier Schuljahren auf die höhere Schule gegangen, aber dort müssen alle erst einmal durch die Schulform hindurch, die in Deutschland etwa der Realschule entspricht. Erst nach ein paar Jahren Realschule kann man dann aufs Gymnasium gehen. Die Selektion findet also anders und später statt, heute übrigens erstmals nach dem sechsten Schuljahr. Zweitens ist es - trotz der eingangs erwähnten Animositäten gegenüber "Strebern" und "Schreibtischtätern" - üblich, dass ein Schulkind, das in einer Schulform gute Noten hat, gleichsam automatisch auf die nächsthöhere Schule geht, sobald der Wechsel möglich ist. Dann gibt es eine Art Probezeit, und wenn die Noten stimmen, bleibt ein Kind auf dieser Stufe. Ausnahmen, dass ein Kind oder seine Eltern den Wechsel zur höheren Schulform ablehnen, sind selten und rufen Gegenreaktionen hervor. Es ist also mehr oder weniger selbstverständlich, dass ein Kind die höchstmögliche Schulbildung erhält.
Trotzdem: Nachbessern kann man im Schulsystem aller Länder der Welt.
Was Politik betrifft, erlaube ich mir ausnahmsweise zwei Anmerkungen:
1.) In vielen Ländern hat sich bestätigt, dass Wähler nach dem Grundsatz entscheiden: "Warum sollte ich die Kopie wählen, wenn ich das Original wählen kann?" Es hat in keinem mir bekannten Fall in keinem Land, in dem freie Wahlen stattfinden, einer Partei gut getan, sich zu sehr an einer konkurrierenden Partei und deren Inhalten auszurichten. Das kommt bei den Wählern einfach nicht an.
2.) Fehlerkultur ist leider in der Politik der meisten Staaten nicht vorhanden, dabei kann man gerade aus Fehlern besonders viel lernen. In der Politik vieler Länder gilt aber der unausgesprochene Ehrenkodex, niemals eine einmal öffentlich gemachte Position zu ändern. "Ein Mann, ein Wort", lautet die (unausgesprochene) Devise. Sehr leicht wird jemand, der seine Meinung ändert, als "Wendehals" bezeichnet. Lernen scheint keine Fähigkeit zu sein, die von Politikern gefordert ist.