Na, da ist aber einer richtig glücklich. Er sieht wohl die Freilassung seines Idols schon in nächster Zukunft...
Spoiler
Prozess gegen Adrian Ursache 48. Verhandlungstag mit Punktsieg für den Angeklagten
Von Steffen Könau 23.01.19, 16:00 Uhr
Halle (Saale)/Reuden -
Alles ist wie immer, abgesehen von dem Dreitagebart, den sich Adrian Ursache gerade stehenlässt. Am 48. Verhandlungstag herrscht ansonsten Routine, wie sie in Verfahren üblich ist, in denen die Beteiligten zusammengerechnet schon Tage, ja, Wochen miteinander eingesperrt in einem Raum verbracht haben. Man grüßt sich freundlich, im Saal wie auf den Verteidiger- und Anklagebänken. Jeder kennt seine Rolle und spielt sie mit routinierter Gelassenheit.
Am Angeklagten und seinen Anwälten ist es, stets neue Beweisanträge zu stellen, wobei Adrian Ursache selbst seiner Fantasie keine Grenzen setzt. Aufgabe der Staatsanwaltschaft bleibt es dann, etwa wie heute das Begehren abzulehnen, das ganze Verfahren zu unterbrechen, um den Fall, so hat es Ursache beantragt, erst einmal dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Prozess gegen Adrian Ursache: Gutachten eines Schweizer Spezialisten ein Schlüssel zum Prozesserfolg?
„Unzulässig“ sei das, sagt der Staatsanwalt, der wegen der Einordnung Ursaches als „Reichsbürger“ nicht namentlich genannt werden will, weil er Furcht vor Nachstellungen hat. Ebenso unzulässig sei seiner Ansicht nach auch der Antrag der Verteidiger, ein Gutachten eines Experten für Schutzwesten ins Verfahren einzuführen. Das betreffende Papier sei Jahre vor der angeklagten Tat erstellt worden und könne damit kein Beweis im Verfahren sein.
Die drei Verteidiger sehen das anders. Für sie ist das Gutachten eines Schweizer Spezialisten ein Schlüssel zum Prozesserfolg. Kein Wunder, geht doch aus den Ausarbeitungen, die Anwalt Dirk Magerl bei einem früheren Prozesstermin verlesen hatte, hervor, dass es keine Schusswaffeneinwirkung auf eine Schutzweste gibt, die keine Spuren hinterlässt. Im Prozess aber hatte der laut Anklageschrift von Adrian Ursache verletzte SEK-Beamte ausgesagt, seine Weste sei nach dem Schusswechsel von Reuden (Elsteraue) im Sommer 2016 unbeschädigt gewesen.
Prozess gegen Adrian Ursache: Bisher ist die fragliche Schutzweste nicht kriminaltechnisch untersucht worden
„Wenn eine Beschusseinwirkung stattgefunden hat“, so insistiert Magerl nach der Ablehnung der Staatsanwaltschaft, „dann wäre auch eine Schusseinwirkung feststellbar“. Das belege das Gutachten.
Bisher ist die fragliche Schutzweste nicht kriminaltechnisch untersucht worden, das aber will die Verteidgung demnächst beantragen. „Wenn dann an der Weste nichts feststellbar ist, dann wäre das für uns wunderbar“, sagt Magerl. Es komme dann nicht mehr darauf an, ob das Gericht dem Zeugen glaube, sondern es wäre wissenschaftlich bewiesen, dass die These eines von der Weste abgeprallten Schusses, der den SEK-Mann in der Folge am Hals verletzte, nicht mehr zu halten ist.
Prozess gegen Adrian Ursache: Alle spielen ihre Rollen, nur das Gericht diesmal nicht
Alle spielen ihre Rollen, nur das Gericht diesmal nicht. Denn nach einer Beratungspause geschieht, woran vielleicht nicht einmal die Verteidigung wirklich geglaubt hat: Der Vorsitzende Richter Jan Stengel lehnt zwar namens der Kammer Ursaches Anliegen ab, die Fragen nach dessen Schuld und zur Zuständigkeit des Gerichtes nach Straßburg zu verweisen. Doch beim Gutachten schlagen sich die fünf Richter auf die Seite der Verteidiger: Ja, der Gutachter sei offenkundig ein Fachmann. Und ja, seine trockenen fachlichen Erörterungen könnten Beweiskraft erlangen.
Dirk Magerl hatte zuvor in einem Nebensatz den Hinweis gegeben, dass die Verteidigung demnächst um ein sogenanntes Rechtsgespräch mit dem Gericht bitten werde. Eine Praxis, in der Verteidigung, Anklage und Gericht üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach einer Verständigung über den Verfahrensfortgang und dessen möglichen Ausgang suchen.
Schlechter sind die Karten der Verteidigung am Tag 48 nicht geworden. (mz)
Leider bekommt man, nicht nur angesichts der Dauer des Prozesses, immer mehr den Eindruck, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Richter gänzlich schlecht vorbereitet und absolut unsouverän sind.