Die Frage stellt sich halt, wie man das Vorgehen der "unabsetzbaren Präsidentin" einschätzt: Ist unter gar keinem Gesichtspunkt denkbar, dass sie damit Erfolg haben konnte? Dann müsste - entsprechend dem "untauglichen Versuch" des deutschen Strafrechts - sie vom Vorwurf des versuchten Hochverrates allerdings freigesprochen werden. Hält man es hingegen nur für extrem unwahrscheinlich, dass sie Erfolg hätte haben oder zumindest einen kleinen Aufstand, realen Putschversuch o. dgl. auslösen können, dann muss man sie wohl auch verurteilen.
Aber diese Fragen wird das Gericht klären müssen. Und der OGH ist ja auch noch da.
Naja, also, wie der Kollege Rechtsfinder immer so schön sagt: Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Im "großen Kanton" (liebe Ösis: so nennen die Schweizer die Piefkes) heißt es zur Strafbarkeit des Versuchs im Strafgesetzbuch (StGB):
§ 22 Begriffsbestimmung
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
§ 23 Strafbarkeit des Versuchs
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
Dazu ein paar Anmerkungen: Es gehört schon zum Grundprinzip des Versuchs, dass etwas nicht klappt. Hätte beim Versuch alles geklappt, dann wäre es ja nicht beim Versuch geblieben, sondern zur vollendeten Tat gekommen. Die Frage ist also nur, was warum nicht klappt.
Insbesondere aus § 23 Abs. 3 StGB können wir ersehen, dass der sog. "untaugliche Versuch", d.h. der Versuch, bei dem schon vorher fest stand, dass er nur schiefgehen konnte, grundsätzlich strafbar ist. Die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ist auch in der Rechtswissenschaft unstrittig (statt aller: Beckemper/Cornelius in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.) Beck'scher Online-Kommentar StGB, 37. Edition Stand 01.02.2018, § 22 Rn. 63). Abs. 3 eröffnet nur für den Fall, dass der Täter "aus grobem Unverstand verkannt" hat (vulgo: einfach zu blöde war), dass es nur schiefgehen konnte, die
Möglichkeit zu mildern oder von Strafe abzusehen.
Beispiel: Will also der T den O erschießen, lauert des Nachtens am Waldweg und erschießt das Wildschwein, das er für den O hält, dann handelt es sich vorliegend um einen untauglichen Versuch. Denn unter keinen vorstellbaren Umständen konnte der Schuss auf das Wildschwein zum Tode des O führen. Da T aber glaubte, dass er tatsächlich auf O schieße, handelt es sich um einen strafbaren Mord- oder Totschlagsversuch.
Was allerdings auch nach deutschem Strafrecht straflos bleibt ist der sog. "irreale" bzw. "abergläubische" Versuch. Gemeint damit ist vor allem Magie. Es ist straflos, jemanden totbeten zu wollen. Oder zu versuchen, durch schwarze Magie oder Teufelsanbetung jemanden zu verhexen. Die Schwelle ist hier aber ziemlich hoch angesetzt. Hätte Österreichs selbsternannte Königin der Herzen Briefe ans Christkind oder den Weihnachtsmann zum Nordpol geschickt und diese um Beistand bei der Übernahme der Regierungsgewalt gebeten, dann würde ich das annehmen. Bei Briefen an die Militärpolizei würde ich das allerdings anders sehen. Denn grundsätzlich kann es schon klappen, die Militärpolizei auf seine Seite zu ziehen und damit den Putschversuch zu unternehmen. Soll es ja Gerüchten zur Folge schonmal gegeben haben, sowas…
Fazit: Der "untaugliche" Versuch ist zumindst in Deutschland mitnichten automatisch straflos. Im Gegenteil reicht die böse Gesinnung des Täters tatsächlich aus, ihn empfindlich zu bestrafen. Vorliegend bestünde für eine Straffreiheit wegen grob unverstandener Untauglichkeit des Versuchs (im deutschen Recht) sicher eine Möglichkeit der Milderung, die aber keinesfalls garantiert wäre. Und schließlich: Keine Ahnung, was die Alpenrepublik in dieser Frage so umtreibt. Ich hab zwar einen nicht unerheblichen Teil meiner Strafrechtskenntnisse von einer Österreicherin erworben, die hat aber dennoch deutsches Strafrecht gelehrt.
Zur Illustration ergänze ich nochmal einen sehr plakativen Fall:
M ist mit seiner Frau F im Urlaub. Er hasst sie insgeheim, ist aber scharf auf ihr Geld, bei einer Scheidung würde er nichts bekommen. Als beide am Strand liegen, will F den schlafenden M animieren, zu ihr ins Wasser zu kommen. Daher schreit sie in gespielter Todesangst laut um Hilfe. M glaubt tatsächlich, dass sie in Todesgefahr ist, sieht aber die Gelegenheit gekommen, sich ihrer zu entledigen und zu erben. Also bleibt er liegen und tut, als schliefe er. F kommt irgendwann aus dem Wasser, der Tag verläuft irgendwie, beide kehren zurück, M erzählt die ganze Geschichte bei einem Bier einem zufällig ebenfalls anwesenden Staatsanwalt.
Der Staatsanwalt wird, nach Deutschland zurückgekehrt, Ermittlungen wegen Mordversuchs aufnehmen und den Fall zur Anklage bringen. M war als Ehemann der F ein sog. "Beschützergarant", hatte also das ihm zumutbare zu unternehmen, sie vor Schaden zu bewahren. Sein Unterlassen wird daher (da er sich eben in einer sog. "Garantenstellung" befand) gleichwertig zu aktivem Tun verstanden. Nach seiner Vorstellung musste die F durch unveränderten Geschehensablauf zu Tode kommen. Sein Motiv war das reiche Erbe, das nennt man auch "Habgier". M hat also einen Mordversuch unternommen.
Das illustriert vielleicht, das zumindest nach deutschem Recht der Versuch recht weitreichend sein kann…