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Gehört er zur AfD?
Paradoxerweise ist inzwischen aber vor allem umstritten, ob Franz Bergmüller zur AfD gehört. Ausgerechnet vor den Landtagswahlen in Bayern, der nächsten und wichtigsten Etappe des AfD-Marschs durch die Institutionen, zerlegt sich die Partei vor aller Augen so, dass sie derzeit in Umfragen lediglich bei 11 Prozent – statt den erhofften 20 Prozent – liegt, weit hinter den Grünen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei mit einer gespaltenen Fraktion in den Landtag in München einzieht.
Innerparteiliche Gegner Bergmüllers, von denen es außerhalb Oberbayerns sehr viele gibt – und zwar sowohl aus dem rechten Flügel als auch von der moderateren Alternativen Mitte –, hatten vor dem bayerischen AfD-Landesschiedsgericht geklagt. Der Vorwurf: Bergmüller sei bei seinem Eintritt 2013, also vor fünf Jahren, noch Mitglied der Freien Wähler gewesen. Er gehöre deshalb gar nicht dazu. Bergmüller hielt dagegen und klagte vor dem Landgericht Berlin, das ihm kürzlich auf ganzer Linie recht gab.
Aber seine Gegner, allen voran der AfD-Bundesschatzmeister Klaus-Günther Fohrmann, geben keine Ruhe. Das Bundesschiedsgericht der Partei droht dem AfD-Bundesvorstand jetzt mit kollektivem Rücktritt – ein Schritt, den der Bundesvorstand ganz dringend vermeiden will. Die Partei hat ganz andere Probleme: Sie ist mitten im Wahlkampf und hat außerdem noch eine Debatte um die Nähe der Partei zum Rechtsextremismus und eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz am Hals. Im AfD-Bundesvorstand ist daher mit Blick auf das Gebaren des Bundesschiedsgerichts die Rede von "Erpressung". Man ist äußerst genervt.
Die bayerische Rechtsanwältin Monica-Ines Oppel, Präsidentin des neunköpfigen AfD-Bundesschiedsgerichts, hält dagegen. Man habe niemanden genötigt – lediglich auf den Vorrang der Parteigerichte vor Zivilgerichten hingewiesen. Der Staat habe sich aus Parteiinterna rauszuhalten. "Wenn dieses Urteil des Landgerichts Berlin Schule macht, können die Schiedsrichter der Partei nach Hause gehen." Sie seien dann nur noch "Puppen im Schaufenster".
CSU-Spitzel und Verschwörungstheorien
Bergmüller – also der Betroffene selbst – glaubt über manche seiner innerparteilichen Gegner, was die über ihn glauben: dass die CSU mehrere "U-Boote" in die Partei eingeschleust hat, die dort Unruhe und Zwietracht stiften sollen. Die anderen seien eine "eingeschworene Seilschaft", die in demokratischen Wahlen unterlegen sei und nun an die "Futtertröge der Macht" zurückwolle. "Anders ist ein so destruktives Verhalten doch gar nicht zu erklären, ausgerechnet gegen den oberbayerischen Spitzenkandidaten vorzugehen!", sagt Bergmüller.
"Wer mich einen Nazi nennt, der ist verrückt"
Die U-Boot-Theorie wird dieser Tage von der AfD auf viele Problemlagen angewandt: Hitlergrüße aus einem gemeinsamen Demonstrationszug? Extremistische Chats, die an die Öffentlichkeit gelangen? Alles Agents Provocateurs. "Sie müssen nur mal die Republikaner fragen, was sie damals kaputtgemacht hat", sagt der bayerische Bundestagsabgeordnete Petr Bystron, der selbst eine Zeit lang vom Verfassungsschutz beobachtet wurde und erfolgreich dagegen klagte. "Der (bayerische Innenminister) Hermann muss doch bloß beim Verfassungsschutz anrufen und die Anweisung geben, dann läuft das."
Es ist nicht ganz einfach, den politischen Gehalt der Causa Bergmüller auszumachen. Wenn der Oberbayer seine politischen Urgründe ausleuchten soll, kommt er auf seine Familiengeschichte: auf den Großvater, der wegen unbotmäßigen Verhaltens von den Nazis in Dachau interniert wurde, und auf seine Mutter, die mitten im Krieg den von der Waffen-SS desertierten Onkel versteckte. "Wer mich einen Nazi nennt, der ist verrückt."
Die vor einer Weile aufgekommene Beschuldigung, er habe seinen Gasthof der Identitären Bewegung zur Verfügung gestellt, weist er zurück: Er habe nicht gewusst, zu welcher Organisation die Leute gehörten. Fest steht, dass Bergmüllers wichtigste Gegenspielerin, Katrin Ebner-Steiner aus Deggendorf, aus ihrer Freundschaft und Nähe zum Parteirechtsaußen Björn Höcke keinen Hehl macht, mit dem sie dieser Tage oft gemeinsam auftritt. Ebner-Steiner, Buchhalterin und Mutter von vier Kindern, holte in Deggendorf fast 20 Prozent, das beste westdeutsche Ergebnis aller AfD-Kandidaten. Ebner-Steiner wäre für den heiß begehrten Vorsitz der künftigen AfD-Fraktion im bayerischen Landtag ebenso eine Kandidatin wie Bergmüller. Nicht ausgeschlossen, dass die AfD ihren wichtigsten Triumphzug ins Herz des deutschen Restkonservatismus mit einer Spaltung beginnt.