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Lügen über Lügen - und woher kommt eigentlich sein Geld?
Manchmal denkt man sich, ein einzelner Mensch kann sich das alles gar nicht ausgedacht haben. Bei seiner Inszenierung verwendete er Stichworte, die wirklich niemanden kalt lassen. Der Wahlkämpfer behauptete, dass er jüdischer Herkunft sei, dass seine Großeltern den Holocaust überlebt hätten, dass seine Mutter die Terroranschläge am 11. September 2001 im World Trade Center überstanden habe und er selbst brillanter Investmentbanker an der Wall Street, erfolgreicher Unternehmer und grandioser Volleyballer gewesen sei. Alles erfunden, genauso wie seine vermeintliche Schulbildung und sein Einsatz für kranke Tiere.
Stattdessen soll der talentierte Mr. Santos unter anderem für einen bedürftigen Hundebesitzer gesammelt und das Geld unterschlagen haben - das FBI ermittelt. In Pennsylvania war er 2017 außerdem wegen Diebstahls angeklagt, nachdem ungedeckte Schecks in seinem Namen an Hundezüchter ausgestellt wurden, wie die Zeitung Politico berichtet.
Richter wiesen die Anklage offenbar ab, nachdem Santos erklärt hatte, ihm sei das Scheckbuch gestohlen worden. Derzeit laufen fünf Ermittlungen gegen diesen Volksvertreter, auch in einem brasilianischen Betrugsfall sowie wegen eines Schneeballsystems, das Anleger mit Santos' Hilfe um eine Menge Geld gebracht haben soll.
Die Wahlkommission interessiert sich außerdem für die Frage, wo die 700 000 Dollar für seinen Wahlkampf herkamen. Aus einem Familienunternehmen, wie er zunächst erläutert hatte, kam das Gros der Spende nicht. Dafür stießen Rechercheure der Washington Post auf finanzielle Verbindungen zum Cousin eines sanktionierten Oligarchen aus Russland. Santos' kleinere Wahlkampfausgaben betrugen häufig 199,99 Dollar, ab 200 Dollar werden Quittungen verlangt. Aber das ist bestimmt nur ein Zufall. Gleichzeitig gab er 30 000 Dollar für Hotels, 40 000 Dollar für Flüge und 14 000 Dollar für einen Fahrservice aus, wie die New York Times schreibt.
Seine finanziellen Verhältnisse sind allgemein etwas diffus. Bei seiner Bewerbung für einen Platz im Kapitol deklarierte er 2020 ein Gehalt von 50 000 Dollar und einen Besitz von 5000 Dollar. Im September 2022 dann waren es plötzlich so um die elf Millionen Dollar, im Besitz enthalten sollte ein Luxusapartment in Rio de Janeiro sein, und ein dickes Bankkonto.
"Ich werde niemals die Klappe halten und nach hinten gehen."
Vielleicht gehören zu seinen Vorbildern Bernie Madoff, Elizabeth Holmes oder Anna Sorokin, die in New York vorgab, eine reiche Erbin aus Deutschland zu sein, was bei ihr nicht gut ausging. Fake it until you make it. Täusche, bis du es geschafft hast. Im Sommer 2021 nannte George Santos Präsident Biden einen "pathologischen Lügner", aber der Titel dürfte deutlich besser zu ihm selbst passen. Dass er früher mal Drag Queen am Strand von Rio gewesen und bei einem New Yorker Gesangswettbewerb aufgetreten sein soll, zählt zu den heiteren Episoden.
Seine Saga hat sich längst zu einer Reality Show entwickelt, zu einer Art Dschungelcamp auf dem Capitol Hill. In einer Washingtoner Karaokebar soll Santos kürzlich immerhin darauf verzichtet haben, "I will survive" von Gloria Gaynor zu singen. Vor ein paar Tagen kündigte er dann an, dass er nicht mehr an den von den Medien inszenierten "Täterspaziergängen" - wie er es nennt - zwischen seinem Büro im Longworth House Office Building und dem Kapitol teilnehmen werde.
Auch trat er aus den beiden Ausschüssen zurück, in die ihn der Sprecher Kevin McCarthy trotz allem gesetzt hatte. Für einen freiwilligen Rückzug oder Ansätze von Bescheidenheit ist der Schwindler aber nicht zu begeistern: "Ich werde niemals die Klappe halten und nach hinten gehen." Inzwischen kursiert allerdings auch noch ein Vorwurf von sexueller Belästigung.
Wenn die Ethik-Kommission etwas finde, werde man handeln, verspricht McCarthy. Bisher braucht der Speaker aber für seine knappe Mehrheit jede Stimme. Andere Republikaner wären Santos lieber gleich los. George Santos sei ein Soziopath, findet der New Yorker Kollege Nick LaLota. Selbst negative Aufmerksamkeit treibe ihn an, Santos sei eine Peinlichkeit und Ablenkung für die Partei. Für Mick Romney ist er "ein krankes Hündchen", aber bekanntlich hat der Tierfreund Santos selbst ja ein Herz für kranke Hunde.