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Berliner AfD-Politiker grillen mit Identitären
- Gartenparty mit möglichen Folgen
20.05.17 | 16:09 Uhr
Die Identitäre Bewegung gilt als politische Vorfeldorganisation der AfD. Das könnte ein Grund für den Verfassungsschutz sein, einzelne AfD-Funktionäre zu beobachten. Eine Grillparty von Berliner AfD und Identitären befeuert die Debatte. Von Agnes Taegener und Olaf Sundermeyer
Thorsten Weiß steht gerne in der ersten Reihe. So war es auch neulich an einem der ersten warmen Tage in Berlin auf seiner Gartenparty am Burschenschaftshaus der Gothia im beschaulichen Zehlendorf. Mit dem Bierglas in der Hand schart er eine Gruppe von rund 30 Leuten auf dem Rasen hinter sich, die gemeinsam mit ihm den Fotografen grüßen und ihm zuprosten. Neben dem Landesvorsitzenden der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternativen" (JA) waren da noch drei weitere AfD-Mitglieder des Abgeordnetenhauses dabei - sowie ein paar rechtsextreme Identitäre.
Darunter ist auch Robert Timm, Aktivist bei der "Identitären Bewegung" (IB) in Berlin und Brandenburg, der mit bildstarken Inszenierungen etwa auf dem Brandenburger Tor im vergangenen Jahr oder der versuchten Besetzung des Bundesjustizministeriums am Freitag Politik und Polizei nervt und Redaktionen mit wiederkehrend kalkulierten Skandalen füttert. Bei diesen Aktionen wirken wiederum zahlreiche junge AfD-Funktionäre aus ganz Ostdeutschland mit.
Das Bild von der Gartenparty allerdings, veröffentlicht durch den AfD-Abgeordneten Weiß auf dessen Facebook-Profil, hatte jüngst für Streit im Verfassungsschutzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses geführt: Die AfD-Vertreter wurden von den Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne dazu aufgefordert, sich endlich zur "Identitären Bewegung" zu bekennen, die der Verfassungsschutz längst unter Beobachtung hat.
Auch CDU und FDP verlangten dort eine deutliche Distanzierung von Extremisten. Der AfD-Vertreter konterte lapidar, dass man schließlich noch mit jedermann grillen dürfe, und außerdem sei gar nicht bekannt, wer denn nun ein Identitärer sei und wer nicht.
Abgeordneter Weiß ist "sehr besorgt"
Thorsten Weiß zumindest kennt sie alle. Der JA-Landesvorsitzende organisiert regelmäßig Treffen, zu denen Parteifunktionäre und Identitäre zusammen kommen: Offene Stammtische seiner JA, aber auch formelle Sitzungen in der "Bibliothek des Konservatismus" in Charlottenburg, in der Besucher die Bundesvorstandsmitglieder der AfD, Beatrix von Storch und Georg Pazderski, in engen Stuhlreihen mit Identitären sitzend begrüßen können, die längst durch den Verfassungsschutz beobachtet werden.
Es sei "überhaupt nicht verwerflich", dass Personen aus AfD und IB "Veranstaltungen gegenseitig besuchen oder gemeinsam an Demonstrationen teilnehmen", hatte Weiß dem rbb noch in einem Interview für die Fernsehdokumentation "Die Stunde der Populisten" gesagt. Bei der Mitgliedschaft gebe es zudem Überschneidungen. Die Mitglieder der Identitären "ticken gar nicht so unterschiedlich zu uns, sie drücken sich nur anders aus", so Weiß.
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Die Stunde der Populisten
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In einer schriftlichen Stellungnahme zu der Grillparty ließ er über einen AfD-Sprecher jetzt allerdings verlauten, dass ihn die "mutmaßliche Teilnahme von Mitgliedern der sogenannten Identitären Bewegung" an dem Gartenfest der JA "sehr besorgt" stimme. "Sollten die Vorwürfe zutreffen, müssen wir von einem vorsätzlichen Versuch der IB ausgehen, die JA und die AfD durch ihr unerkanntes Einsickern öffentlich für sich vereinnahmen zu wollen."
Vier Jahre später will er davon nichts mehr wissen
Ortstermin am Ort des Gartenfestes, Verabredung mit dem Berliner AfD-Bundestagskandidaten Jörg Sobolewski. Die alte Villa der Gothia ist so etwas wie eine Heimstatt für ihn. Sein Amt als Bundesvorsitzender der ultrarechten "Deutschen Burschenschaft" hat er mit seiner Kandidatur aufgegeben. Er organisiert den Wahlkampf für die gesamte Hauptstadt-AfD. Sobolewski ist ein enger Wegbegleiter von Thorsten Weiß, beide waren sie Zeitsoldaten, touren gelegentlich gemeinsam durchs Land, um vor Gleichgesinnten Vorträge über die Bundeswehr zu halten. Wie Weiß gilt auch er als Liebling des Landesvorsitzenden, Oberst der Bundeswehr a.D., Georg Pazderski.
Und Sobolewski war Identitärer. Bei der Frage, warum er bei der IB mitgemacht hat, wiegelt er allerdings mit dünner Stimme ab: "Ich war nie Mitglied bei den Identitären." Filmaufnahmen des rbb zeigen ihn, wie er 2013 gemeinsam mit einer Gruppe von Identitären mit einem entsprechend markierten Spruchbanner die Bezirksverordnetenversammlung von Reinickendorf stürmt - beim Protest gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in einem Altersheim. Unter Vorgabe eines Decknamens spricht er bei dieser Gelegenheit mit einer rbb-Reporterin. Vier Jahre später will er von seinem Fernsehauftritt nichts mehr wissen.
Jörg Sobolewski (Quelle: rbb)
Jörg Sobolewski: "Ich war nie Mitglied bei den Identitären."
Grenzt sich die AfD wirklich ab?
"Ich kann ihnen sagen, ich war schon allein deswegen kein Mitglied der Identitären, weil es keine Mitglieder bei den Identitären gibt", sagt Sobolewski. "Ich habe mir 2011/ 2012 irgendwann mal die Identitären angeguckt, vielleicht war es auch 2010." Auf jeden Fall sei es einmalig gewesen.
"Im Moment gibt es sowieso einen Abgrenzungsbeschluss und der ist mir sehr wichtig. Und da sehe ich auch ein, dass man den durchhält", antwortet der AfD-Kandidat ähnlich wie alle anderen in der AfD, die man in diesen Tagen auf die Identitären anspricht. Denn mit Nachdruck versucht sich der AfD-Bundesvorstand - zumindest öffentlich - von den Rechtsextremisten der AfD zu distanzieren. Der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke (FU Berlin) sieht darin lediglich eine Taktik im Werben um die Wählergunst. "Ich sehe nicht, dass der Bundesvorstand Beschlüsse fasst, die umgesetzt werden. Das ist mal so, das ist aber meistens nicht so", sagt Funke.
IB als "politische Vorfeldorganisation"
Auch beim Landeschef der bayerischen AfD, Petr Bystron, ist das nicht so. Auf einer AfD-Veranstaltung im März lobte er die IB ausdrücklich: "Identitäre ist eine tolle Organisation, das ist eine Vorfeldorganisation von der AfD und die müssen wir unterstützen." Seither wird er vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.
Politikwissenschaftler Funke sieht die IB in Berlin ebenfalls als eine "politische Vorfeldorganisation" der hiesigen AfD. Funke betont die "Zusammenarbeit" und Personenüberschneidungen. Er kommt deshalb auch für das Land Berlin zu dem Schluss, dass einzelne AfD-Funktionäre durch den Verfassungsschutz zu beobachten seien.
Dieser Forderung schließen sich unter anderem der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Berlin sowie Tom Schreiber an, der verfassungsschutzpolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus. Wegen der Verbindungen mit der IB rutsche die AfD automatisch in den Fokus des Verfassungsschutzes - wenn auch nicht die ganze Partei, aber einzelne Mitglieder. So etwa sein Kollege aus dem Abgeordnetenhaus, Thorsten Weiß, der Mann aus der ersten Reihe.
Beitrag von Agnes Taegener und Olaf Sundermeyer