Autor Thema: Je suis Berlin - ein Plädoyer  (Gelesen 3237 mal)

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Offline BlueOcean

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WIR KAPITULIEREN

An alle gewaltbereiten Terroristen!
Wir kapitulieren. Wir Menschen aller Hemisphären dieser großen Welt mit unseren Kulturen und Gesellschaften, die ihr als so verachtenswert empfindet, dass ihr sogar den Mord an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern als gerechtfertigt anseht, kapitulieren vor eurer Fähigkeit die tödliche Gewalt in unsere Mitte zu tragen und Akte auszuführen, die wir als zutiefst verbrecherisch ansehen und die wir mit keinerlei Rechtfertigung ertragen können und wollen.
Wir gestehen, dass wir trotz unserer großen Machtmittel nicht und niemals in der Lage sein werden, immer überall effektiv gegen die barbarischen Akte vorzugehen, die ihr plant und ausführt, um uns zu treffen. Ihr werdet es immer wieder schaffen unsere Herzen und unser Leben zu brechen. Kein Mittel kann verlässlich die Brutalitäten eures Handelns verhindern. Wir müssen und werden lernen diese Ungewissheit zu ertragen, ohne die Prinzipien zu verletzen oder zu beschädigen, die uns heilig sind. Unsere Freiheiten und Rechte sind das unabänderliche Wesen unserer Gesellschaften und Kulturen, das wir nicht preisgeben werden.

Der Krieg ist vorbei

Der "Krieg gegen den Terror" war eine von Anbeginn schiefe Metapher aber auch den Kampf gegen den Terror kann man nur in dem Bewusstsein erfolgreich führen, dass er auf lange Zeit nicht enden wird. Daher verabschieden wir uns von der Illusion eines Sieges und kapitulieren vor der Macht und Gewalt des Faktischen.
Diese Erfahrung ist für uns weder neu noch besonders schmerzhaft. So ertragen wir mit Würde und Gelassenheit auch die Toten, die es bei einem Ausbruch von Masern gibt. Wir ertragen die Todesopfer von häuslicher Gewalt. Wir ertragen auch aus Hass geborenen Mord und Totschlag an ausländischen Bürgern. Das sind in unseren Gesellschaften erfreulicherweise sehr seltene Trauer- und Unglücksfälle. Aber die reale Gefahr und Bedrohung durch euch Terroristen ist viel geringer als jedes der eben genannten Beispiele einzeln.
Auch den euch um gleich mehrere Größenordnungen überlegenen Gefahren wie Straßenverkehr, Grippe oder ärztlichen Kunstfehlern begegnen wir mit viel Gleich- und Langmut, weil das davon ausgehende reale Risiko für den Einzelnen sehr gering ist und uns zu Recht tolerabel erscheint. Auch dort haben wir uns längst von der Phantasie verabschiedet, diese Gefahren ganz aus der Welt schaffen zu können. Aber wir führen einen ständigen Kampf mit sehr langem Atem und haben über Jahre hinweg erstaunliche Erfolge erzielt. Genau so werden wir uns dauerhaft gegen euch zur Wehr setzen.

Das Risiko ist tolerabel

Die von euch Terroristen real ausgehende Gefahr für uns ist als Lebensrisiko sehr tolerabel und ohnehin mit keiner Maßnahme ganz aus der Welt zu schaffen. Wenn wir bereit sind dies zu akzeptieren, ist ein weiterer Wandel zu noch freiheitlicheren Gesellschaften möglich, die mit Augenmaß auf die Bedrohungen reagiert und den Kampf gegen die sehr unterschiedlichen Gefahren an der Effizienz und den Möglichkeiten ausrichtet.
Wir trauern um jedes Opfer eines terroristischen Angriffs und fühlen den durch nichts zu rechtfertigenden Schmerz der Familien und der Freunde. Wir müssen aber auch der weitaus größeren Zahl von Familien gedenken, die es nicht weniger getroffen hat, dass ihre Kinder durch Gefahren gestorben sind, von denen manche leicht hätten entschärft werden können. Wie bei allem ist es eine Frage des Einsatzes von Ressourcen und die Verteilung sollte sich zu einem guten Teil an der nüchternen Einschätzung der realen Risiken festmachen.
Wenn die immensen Geldmengen, die über die Jahre für die Terrorbekämpfung bereit gestellt wurden, statt dessen in Verkehrssicherheit investiert worden wären, hätte es vielleicht ein paar mehr erfolgreiche Terrorangriffe mit Toten gegeben; aber vermutlich wäre eine weit größere Zahl von Menschen vor einen letztlich genau so unschönen Tod im Straßenverkehr bewahrt worden. Wir müssen und werden daher darüber nachdenken und entscheiden, welche Risiken uns welchen Aufwand wirklich wert sind. Wir werden unsere Konsequenzen daraus ziehen.

Wir wählen die Freiheit

Wir werden die Rolle und Wirkung unserer Medien überdenken. Denn es ist zumindest zweifelhaft, ob ihre überragende Fähigkeit unsere Gefühle und Ängste zu mobilisieren in dem Kampf gegen Terrorismus bisher hilfreich war. Die Medien vermitteln eine Aktualität und eine fiktive Nähe sowie eine groteske Größe, die der realen Bedrohung von uns einzelnen überhaupt nicht angemessen ist. Und wir wissen, dass diese von den Medien erzeugte stark übertriebene Wahrnehmung der größte Wunsch und Traum von euch Terroristen ist.
Nur wenig würde euch tödlicher treffen als wenn eure Anschläge plötzlich dem Risiko entsprechend in der Medienwahrnehmung so abgehandelt würden wie ein Ausbruch von Masern. Also in einer Zeitung etwa auf der Seite 5 oder 7. Und im Fernsehen entsprechend nachrangig mit dem Fragezeichen, ob der Anschlag überhaupt einer Mitteilung wert ist. Denn es sind nur zu oft unsere Medien, die euch politischen Zwergen den Schein von riesenhaften Größe verleihen, an dem ihr euch so gern berauscht. Ein Kampf der 20 oder auch 200 gegen eine Bevölkerung vom 80 Millionen wäre nicht einmal eine erwähnenswerte Randnotiz wenn ihr nicht einzig durch eure menschenverachtende Brutalität auf euch aufmerksam machen könntet.
Wenn wir zu einem Umdenken bereit und fähig sind, werden unsere Medien uns folgen. Wenn wir die Unvermeidlichkeit akzeptieren und davor kapitulieren, dass ihr ein paar einzelne von uns immer treffen könnt, sehen wir euch wissend in die Augen und werden die von euch ausgehende Gefahr als eines der kleinsten Restrisiken in unserem Leben erkennen, bewerten und hinnehmen.
Wenn ihr in dieser Kapitulation einen Sieg erkennen könnt, dann feiert ihn. Wir hingegen werden feiern, dass ihr mittelfristig in der Bedeutungslosigkeit versinken werdet, die euch gebührt. Die Ziele von denen ihr vielleicht träumt werdet ihr auf diesen Wegen ohnehin niemals erreichen.
Unsere Kulturen und unsere Gesellschaften werden eurem Hass, eurer Dummheit und eurer Gewalt trotzen und sie werden noch stärker und noch freier werden. Und bis auf die sehr wenigen, die ihr uns nehmen könnt, werden unsere Kinder ohne Angst, glücklich und in Freiheit aufwachsen und leben.
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Offline hair mess

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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #1 am: 21. Dezember 2016, 07:43:33 »
Ich liebe diesen Text.
Du bringst es auf den Punkt.
Die Medien - ich mache ungern Medienschelte - fördern das, was sie eigentlich verhindern wollen.
Und die Grippe, Autofahren, Haushalts Arbeiten, Lastwägen schlechthin,
usw. und auch der Zugverkehr sollten dringend verboten werden.
Bringt irgendwie ein ähnliches Ergebnis wie die Folgen des Endsiegs.

Und zu was führen die Betonblöcke?
Bei einem Brand erschweren genau diese die Löscharbeiten der Feuerwehr.
Und wenn es neben dem Markt brennt?
Märkte in Stadtzentren, den Altstädten nicht mehr möglich?
Ach hört doch auf!

Und zu was führen die Betonköpfe?
Ach was soll´s. Für den Moment fühl ich mich als Rufer in der Wüste.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #2 am: 21. Dezember 2016, 11:01:53 »
Das ist doch nur ein Versuch, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Daß wir hier die Muslime, die aus Kriegsgebieten flüchten, freundlich und hilfsbereit aufnehmen, und daß es überhaupt keine religiösen Konflikte gibt, ist das schlimmste, was diesen religiösen Hetzern passieren kann, darauf hat ihre "wir gegen sie!"-Rhetorik keine Antwort.

Und daß wir die jungen Männer aufnehmen, die weder für Assad, noch für andere töten wollen, ist das schlimmste, was den Kriegstreibern passieren kann.

Ich grüße weiter freundlich die Flüchtlinge, die ich kenne. Komischerweise ist die unterschiedliche Religion unter normalen Menschen überhaupt kein Problem.

Angst und Haß kriegt ihr von mir nicht.  :snooty:
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #3 am: 21. Dezember 2016, 11:16:03 »
Ein frommer Wunsch ... die Medien werden nie auf diese Schlagzeilen verzichten wollen, sie leben davon.

Der absolute Negativrekord war der ARD bei dem München-Amoklauf. Häuptling Silberlocke (Thomas Roth) erzählte stundenlang immer dasselbe, weil es nichts neues zu berichten gab aber man unbedingt eine Mega-Sondersendung machen wollte. Die Konkurrenz könnte ja etwas mehr oder länger senden ...
 

Offline Sandmännchen

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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #4 am: 21. Dezember 2016, 11:38:09 »
Mir gibt der Verzicht auf Fernsehnachrichten und Brennpunkte, in denen sich die Reporter vor lauter Langeweile gegenseitig interviewen, viel Zeit für Vernünftigeres und Angenehmeres, und daneben läßt er mehr Raum für Gelassenheit.

Ich hab' seit vielen Jahren keinen Fernseher mehr.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #5 am: 21. Dezember 2016, 12:08:46 »
Der atemlose Fernseh-Journalismus, der rund um die Uhr innerhalb von Minuten von jedem Punkt der Welt zu berichten scheint, ist ein vergleichsweise sehr junges Medium. Und die gänzlich ungefilterten und ungeprüften Massen-zu-Massen-Medien wie Twitter, Facebook, YouTube etc. sind noch viel jünger.

Daher ist die gesellschaftliche Rezeption und Einordnung noch im Entstehen und im Wandel und ich bin durchaus optimistisch, dass es uns gelingen kann durch rationale Reflektion und Bildung zu einem viel abgeklärteren Umgang mit der hohen Informationsfülle (sowie den auch weiter beträchtlichen Informationslücken) zu gelangen.

Vergleichbare Entwicklungen hat es immer wieder gegeben und meist hat es Jahre oder sogar Jahrzehnte gedauert bis die Gesellschaften zu einem selbstbewussten und kritischen Umgang mit den neuen Medien gefunden haben. Dies führt aber dann zu Bewertungen, die wieder auf das Medium einwirken und dessen Bedeutung und Wahrnehmung verändern.

Es wird sicher weiter Sender geben in denen ununterbrochen (meist wiederholte) Bilder von verstörten Menschen vor Ruinen, berstenden Gebäuden und schierer Panik gezeigt werden. Aber der jetzt noch hohe Einfluss solcher Bilder auf das persönlich empfundene Sicherheitsgefühl wird sich abschwächen. Und dann werden solche Ereignisse nicht mehr zu unzähligen Sonderberichte auf allen Kanälen führen.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #6 am: 21. Dezember 2016, 12:57:49 »
Aber der jetzt noch hohe Einfluss solcher Bilder auf das persönlich empfundene Sicherheitsgefühl wird sich abschwächen. Und dann werden solche Ereignisse nicht mehr zu unzähligen Sonderberichte auf allen Kanälen führen.

Ich sehe da ehrlich gesagt keinen Einfluss, nur den fehlgeleiteten Versuch solchen zu erzeugen.
 

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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #7 am: 21. Dezember 2016, 13:59:31 »
Nach den mir bekannten Umfragen und Untersuchungen gibt es seit dem Millenium eine konstant steigende persönliche Furcht aller Bevölkerungsschichten einem Verbrechen oder Terrorakt zum Opfer zu fallen, obwohl nahezu alle Straftaten in dem gleichen Zeitraum rückläufig waren und in manchen Bereichen weit unter dem liegen was in einer "gefühlt guten alten Zeit" an der Tagesordnung war. (Wobei hinzu zu rechnen wäre, dass viele jetzt gezählte Delikte früher häufig gar nicht angezeigt wurden.)

Das nur gefühlte aber trotzdem oft laut propagierte "es wird alles immer schlimmer" ist von der Realität überhaupt nicht gedeckt, sondern basiert nach meiner Vermutung zu großen Teilen auf der heutzutage unablässigen medialen Dauerschleife, die aus einer kleinen Menge von spektakulären Einzelfällen das Zerrbild einer ständigen akuten Bedrohung vermitteln.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #8 am: 21. Dezember 2016, 14:30:58 »
@BuleOcean: Das ist häufig so, nicht nur beim Thema Terrorismus. Gefahren werden von vielen rein emotional und nicht sachlich-rational bewertet. Das sehe ich ja auch andauernd bei Fahrradhelm-Diskussionen oder Gesprächen zu Sportarten wie Wildwasserkajak oder Klettern. Oder auch eine mir bekannte Mutter, die mir mal erklärte, man könne heute Kinder kaum noch draußen spielen lassen, weil die Gefahr einer Entführung extrem hoch sei. Das in der Gegend wo sie wohnt das letzte Kind vor Jahrzehnten verschleppt wurde, spielt dabei keine Rolle, die gefühlte Gefahr überwiegt. Und dann ist es  wie bei unseren Kunden: Mit sachlichen Argumenten kannst du da kaum was ausrichten...
 
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #9 am: 21. Dezember 2016, 14:57:05 »
Nach den mir bekannten Umfragen und Untersuchungen gibt es seit dem Millenium eine konstant steigende persönliche Furcht aller Bevölkerungsschichten einem Verbrechen oder Terrorakt zum Opfer zu fallen

Ich bin bei solchen Umfragen immer skeptisch, ob da nicht etwas überinterpretiert wird.

Ich habe mal ein bißchen nach diesen Umfragen gesucht. Gefunden habe ich eine regelmäßig statt findende R+V-Umfrage, in denen nach Ängsten gefragt wird.

Die Frage zu Terrorismus war:

"Ich habe gar keine Angst ... sehr große Angst davor, dass terroristische Vereinigungen Anschläge verüben"

Wenn ich nach lauter Ängsten gefragt werde, geht mir das so, wie wenn mich jemand immer wieder fragt, ob es juckt. Irgendwann juckt es. Zur Not muß man sich nur besser auf die Frage, ob es juckt, konzentrieren. (Übrigens tatsächlich als Teilnehmer in einer seriösen medizinischen wissenschaftlichen Studie erlebt.)

Die Fragestellung setzt eine persönliche Betroffenheit nicht voraus. Von den diversen "Ängsten", die man in diesem Interview bewerten soll, ist die reine Wahrscheinlichkeit eines Terrorattentats weltweit tatsächlich höher als bei den anderen Ängsten, und die negativen Auswirkungen auf die Politik sind da, so daß ein gewisser Grund zur Angst nachvollziehbar ist. Zur Not, wenn man sich sehr auf die Frage konzentriert, ob man Angst davor hat.

Man kann die Frage also tatsächlich mit "habe viel Angst" beantworten, auch wenn man gar nicht befürchtet, selber Opfer zu werden.

Dann habe ich eine Umfrage des PEW Research Center's gesehen, die in der Auswertung auch hervorheben:

"Europeans Fear Wave of Refugees Will Mean
More Terrorism, Fewer Jobs"

Die Frage dazu war:

"Refugees will increase the likelihood of terrorism in our country"

Aus einer positiven Antwort darauf folgt nicht, daß man Furcht empfindet. Trotzdem wird es so ausgewertet.

Die übrigen Fragen dazu waren:

"Refugees are a burden on our country because they take our jobs and social benefits"

"Refugees in our country are more to blame for crime than other groups"

Positive Auswirkungen von Flüchtlingen standen nicht zur Auswahl (oder wurden nicht publiziert). Alleine diese Fragestellung führt zu einem Rahmen für die Beantwortung, die zu negativen Aussagen über Flüchtlinge führt.

Von all diesen Umfragen liest man dann in den Schlagzeilen, die Presse macht sich offensichtlich nicht die Arbeit, die Arbeit der Meinungsforscher zu hinterfragen. Und ich fand die Berichterstattung dazu nicht bei BILD, sondern bei der Zeit und der Süddeutschen.

Daneben wird das Thema ja in den Medien ständig angefaßt. Es ist also stärker im Bewußtsein als andere Ängste.

Bei mir und meinem Freundeskreis ist es so, daß sich die Anschläge in der Wahrnehmung kurzzeitig hochspielen, aber sie nicht wirklich das Lebensgefühl beeinflussen.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #10 am: 21. Dezember 2016, 16:06:53 »
Einem Newsticker habe ich gerade entnommen, dem tatverdächtigen Tunesier sei das Asyl abgelehnt worden.
Mögen die Hetzer fragen, warum er dann nicht gleich abgeschoben wurde - übrigens, Frau Merkel kann dafür nichts - , für mich bedeutet es, dass es mehr und nicht weniger Liebe braucht. Niemand konnte ihm zufriedenstellend erklären, wie es jetzt für ihn weitergeht. Das ist auch im Asylverfahren nicht vorgesehen. Auch wenn ihn das sicher nicht zur Gewalt berechtigt, so macht die Hilflosigkeit doch die Tür zur Radikalisierung auf, weit auf. Die gleiche Hilflosigkeit legitimiert Leute wie Plan oder Ursache zur Gewalt. Täter ist nicht dieser eine Tunesier, sondern der Hass und die Furcht, die uns die Möglichkeit nehmen, auf Andere rechtzeitig zuzugehen und unsere Verbundenheit zu zeigen.
Das Teilen kann uns als Einziges weiterhelfen. Aber Jeder muss bereit sein, Sachen, Informationen und Zuneigung zu teilen; nicht die eine Bevölkerungsgruppe von der anderen, unabhängig wie Regional oder international man das sieht.
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #11 am: 21. Dezember 2016, 19:03:22 »
Auch wenn ihn das sicher nicht zur Gewalt berechtigt, so macht die Hilflosigkeit doch die Tür zur Radikalisierung auf, weit auf.
:clap: 100 Punkte im Bullsh.it-Bingo. Tut mir leid, das ist relativierender Schwachsinn. Selten so ein Shice gelesen:
1. Welche (arabische) Gesellschaft rechtfertig es, dass einzelne Personen ihren Willen mit Gewalt und Massenmorde durchsetzen?
2. Wie Wahrscheinlich ist es, dass die Eltern des Terroristen ihm das Beigebracht haben, dass er einen Massenmord begehen darf um seinen Willen durchzusetzten?
3. Wo im Koran steht es, dass ein Gläubiger einen Massenmord durchführen darf,  nur weil er nicht bekommt was er begehrt?
Ich vermute:
1. keine
2. 0
3. Nirgens

Niemand konnte ihm zufriedenstellend erklären, wie es jetzt für ihn weitergeht.
Es handelt sich um einen erwachsenen Menschen, er kam nach Europa (über die Gründe können wir nur spekulieren) und sein Asylantrag wurde abgelehnet. Das er keine Zunkunft hier hatte ist  nicht unser Problem. Die Optionen sind nun mal deutlich. Denn niemand hat ihn aufgefordert (im Unterschied zu den "Gastarbeitern" in den 60er) nach Europa zu kommen.

Täter ist nicht dieser eine Tunesier, sondern der Hass und die Furcht, die uns die Möglichkeit nehmen, auf Andere rechtzeitig zuzugehen und unsere Verbundenheit zu zeigen.
Genau, ein armes Opfer der "bösen" gesellschaftlichen Umstände. Sorry das ist jämmerliches Sozialarbeitergequatsche aus den 80er... Einen Dreck muss ich, ich bin für ein faires rechtstaatliches Verfahren (ohne Todesstrafe) für diesen Kerl allerdings ohne Sozialarbeitergeblubber...

Angst und Unmöglichkeit sind aus meinem Wortschatz gestrichen
 

Offline A.R.Schkrampe

Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #12 am: 21. Dezember 2016, 19:14:47 »
...
Täter ist nicht dieser eine Tunesier, sondern der Hass und die Furcht, die uns die Möglichkeit nehmen, auf Andere rechtzeitig zuzugehen und unsere Verbundenheit zu zeigen.
Genau, ein armes Opfer der "bösen" gesellschaftlichen Umstände. Sorry das ist jämmerliches Sozialarbeitergequatsche aus den 80er... Einen Dreck muss ich, ich bin für ein faires rechtstaatliches Verfahren (ohne Todesstrafe) für diesen Kerl allerdings ohne Sozialarbeitergeblubber...

Sorry @hair mess, aber das erinnert mich ein kleines Bißchen an Kommentare, die die überforderten Admins von Spiegel-online durchgelassen haben. Der eine, zu dem vereitelten Kalaschnikov-Attentat im Thalys -"Ein junger Mann, der vor Hunger nicht ein noch aus weiß, greift zum Äußersten...", der andere zu dem Beil-Attentat im Regionalzug, sinngemäß "Die deutsche Willkommenskultur hat schuld. Niemand kümmert sich. Das war ein Hilfeschrei nach Beachtung und Beistand".
 
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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #13 am: 21. Dezember 2016, 19:34:50 »
Man kann sich diesen Taten von zwei Seiten nähern: Auf der einen Seite von der strafrechtlichen Verantwortung her und wie man das durch staatliche Maßnahmen unterbinden kann; auf der anderen von der inneren Motiviation des Täters her: Was treibt einen Menschen zu einer solchen Tat? Wie kann man eine solche Motivation erkennen und ändern oder von vorneherein ausräumen?

Diese Punkte behandelt man am besten deutlich getrennt. Wer versucht, die Handlungsweise des Täters zu verstehen, will damit nicht automatisch die Tat entschuldigen.

@hair mess habe ich so verstanden, daß er von der inneren Motivation schreibt: Es ist nicht gut, verzweifelte Menschen alleine zu lassen. Die Bedingungen, unter denen man als ausreisepflichtiger Ausländer lebt, der nicht abgeschoben werden kann, sind nicht nur materiell ziemlich bescheiden, vor allem fehlt jede Grundlage für eine Zukunft. Alles hängt in der Luft.

Ich bezweifle allerdings, daß das eine ausreichende Erklärung für eine Radikalisierung ist. Dagegen spricht, daß es nun schon einige Täter gegeben hat, die eine Zukunft hatten, zum anderen radikalisiert sich nur ein kleiner Teil der Menschen unter nicht vollziehbarer Ausreisepflicht. Aber es ist ein Baustein.
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Offline echt?

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Re: Je suis Berlin - ein Plädoyer
« Antwort #14 am: 21. Dezember 2016, 19:46:26 »
In Deutschland gibt es objektiv keinen Grund dafür sich aus einer Notlage heraus zu radikalisieren.
Ich bremse nicht für Nazis!
 
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