Autor Thema: Ein "Unternehmensberater" vor dem Finanzgericht  (Gelesen 1859 mal)

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Offline Ceilo

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Ein "Unternehmensberater" vor dem Finanzgericht
« am: 20. Juli 2015, 19:32:40 »
Einem Unternehmensberater irgendwo im Regierungsbezirk Arnsberg, Detmold oder Münster passte es nicht, dass er Einkommensteuer zahlen und Umsatzsteuer abführen bzw. entsprechende Steuererklärungen abgeben sollte. Also klagte er dagegen mit einem bunten Strauß an Reichsdeppen-Ideen. Die Bundesrepublik Deutschland sei kein Staat, vielmehr gebe es ein "2. Deutsches Reich" mit einer Kommissarischen Reichsregierung. Das Finanzamt sei ein privates gewerbliches Unternehmen. Er stehe der Bundesrepublik Deutschland exterritorial gegenüber. James Baker habe den Art. 23 GG gestrichen, womit "die Bundesrepublik Deutschland handlungsunfähig erloschen" sei. Auch das Land Nordrhein-Westfalen existiere nicht, da es keine Gründungsurkunde gebe und die Verfassung nicht durch Volksentscheid bestätigt worden sei. Die Schreiben des Finanzamts seien mangels Unterschriften nichtig, was sich aus dem BGB ergebe. Das Steuerrecht verstoße "gegen SHAEF-Gesetz Nr. 1, gegen UN Resolution 217 A III vom 10.12.1948 sowie gegen die EU Charta für Menschenrechte". Das Umsatzsteuergesetz verstoße gegen das Zitiergebot. Insgesamt stellte er 8 Anträge, interessanterweise allesamt Feststellungsanträge.

Beim FG Münster (Urteil vom 14.04.2015 - 1 K 3123/14 F) hat man sich verhältnismäßig ausführlich mit dem Geschreibsel befasst, sogar in mündliche Verhandlung:

"[E]s ist Aufgabe der Justiz im Allgemeinen und der Finanzgerichtsbarkeit im Besonderen, den Bürgern effektiven und damit auch zeitnahen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. beispielhaft BFH, Urteil v. 07.11.2013, X K 13/12, juris). Diese Aufgabe aber wird erschwert, wenn sich die Gerichte mit Eingaben zu befassen haben, denen im Kern kein sachlicher Vortrag, sondern rechtsfeindliche, staatsfeindliche sowie politisch abwegige Verlautbarungen zu Grunde liegen. Da der Kläger den Senat jedoch erstmalig mit seinem Begehren angerufen hat und der Justizgewährleistungsanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich unabhängig von der Person und den Ansichten des rechtsschutzsuchenden Bürgers Geltung beansprucht (§ 38 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz), hat der erkennende Senat die Verfahren in das Prozessregister aufgenommen, dem Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung entsprochen und sich mit den Feststellungsbegehren im Einzelnen auseinander gesetzt."

Es hat die Klage dann aber als "in mehrfacher Hinsicht unzulässig und hilfsweise auch unbegründet" abgewiesen:

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2015/1_K_3123_14_F_Urteil_20150414.html
 
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Offline aargks

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Re: Ein "Unternehmensberater" vor dem Finanzgericht
« Antwort #1 am: 20. Juli 2015, 20:05:13 »
Hui, ist der abgewatscht worden. Aus dem Urteil:

Zitat
Eingaben, die ausschließlich auf querulatorischen Motiven beruhen, sich in Beleidigungen erschöpfen oder denen aus anderen Gründen kein ernsthaftes Begehren in der Sache zu entnehmen ist und bei denen gerichtlicher Rechtsschutz nur für unnütze, sinnlose und unlautere Zwecke in Anspruch genommen wird, sind rechtsmissbräuchlich

Zitat
Die vom Kläger in seinen Anträgen und Schriftsätzen wiederholt geäußerten Rechtsansichten, mit denen er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat, die Geltung des Grundgesetzes und des einfachen Rechts sowie die Legitimität der handelnden Behörden und Gerichte bestreitet, sind juristisch derart unhaltbar, dass eine Befassung mit dem Klagebegehren durch das Gericht schon gar nicht notwendig erscheint

Schließlich bekommt er noch ausführlich due Souveränität Deutschlands um die Ohren gehauen, daraus:
Zitat
Die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, die nicht zuletzt im Abschluss einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge zum Ausdruck kommt, ist sowohl von der internationalen Staatengemeinschaft als auch in der internationalen Rechtsprechung anerkannt.

Die Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen von 1990 ist sowohl rechtlich als auch faktisch der gegenwärtige deutsche Nationalstaat. Einen anderen gibt es nicht. Weder existiert das Deutsche Reich noch ein anderer deutscher Staat. Gleichermaßen gibt es nur eine deutsche Staatsangehörigkeit. Der anders lautenden Auffassung des Klägers, der für sich die Staatsangehörigkeit des 2.ten Deutschen Reiches und darüber hinaus den Status eines Reichsbeamten bzw. eines Reichswirtschaftsministers reklamiert und daraus den Schluss zieht, der Bundesrepublik Deutschland sowie ihren Institutionen exterritorial gegenüber zu stehen, ist nicht zu folgen. Der Kläger stellt damit in eklatanter Weise die (Verfassungs-)Wirklichkeit in Abrede.

Schön formuliert:
Zitat
Die Annahme, ein US-Außenminister sei faktisch in der Lage und vor allem rechtlich befugt die Aufhebung eines Artikels des Grundgesetzes wirksam anordnen, geht schon für sich betrachtet an der Realität vorbei [...] Die weitergehende Annahme, mit dem Wegfall dieses Artikels (Art. 23 GG a.F.) sei dann quasi automatisch das Grundgesetz in Gänze außer Kraft gesetzt worden, was wiederum zur Folge gehabt hätte, dass danach die gesamte Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ungültig geworden sei, ist schlichtweg abenteuerlich.

Zitat
Ein wie auch immer gearteter Beschluss des Reichsministers der Finanzen vom 07.07.2010 hat weder Rechtskraft erlangt noch gehen von ihm irgendwelche rechtlichen Wirkungen aus, da es zu diesem Zeitpunkt weder ein Deutsches Reich, noch eine (kommissarische) Reichsregierung und damit auch keinen Reichsfinanzminister gab, die/der rechtswirksame Beschlüsse hätten fassen können.

Ich komm ja bei diesen drölfzig Kommissarischen Reichsregierungen immer total durcheinander. Wer und was ist nochmal das zweite Deutsche Reich?

PS: Danke, @Ceilo für die Infos & willkommen im Wahnsinn im SSL!