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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 22 K 2378/21
Datum: 15.06.2023
Gericht: Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 22. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 22 K 2378/21
ECLI: ECLI:DE:VGD:2023:0615.22K2378.21.00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Auf seinen Antrag wurde dem Kläger am 00. Dezember 2013 durch die Kreispolizeibehörde L. ein Kleiner Waffenschein nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG erteilt und eine entsprechende Erlaubnisurkunde (Nr. 0000) ausgestellt. Im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit wurde der Kreispolizeibehörde L. bekannt, dass ein gegen den Kläger geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft E. (Az. 000 Xx 000/00) wegen eines mit einem anderen Fahrzeugführer auf der Autobahn A 00 geführten nonverbalen Streits eingeleitet und nach Vernehmung des Klägers am 00. Dezember 2016 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde.
Am 00. Juli 2020 stellten Polizeibeamte fest, dass der im Straßenraum abgestellte Pkw des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen XXX – XX 00 Veränderungen auf dem vorderen und hinteren Fahrzeug-Kennzeichen aufwies, indem jeweils das EU-Emblem durch einen Reichsadler auf schwarz-weiß-rotem Hintergrund überklebt war. Die Polizeibeamten fertigen Lichtbilder von der Front- und Heckseite des PKW an und leiteten ein polizeiliches Ermittlungsverfahren ein. Ein Lichtbild der Heckseite des Pkw zeigt außer dem veränderten Kennzeichen auch einen Aufkleber mit der zweizeiligen Aufschrift „THE GREAT AWAKENING“ / „Q-ANON“ an der Heckscheibe des Fahrzeugs. Mit Schreiben vom 00. Juli 2020 wurde der Kläger durch das Verkehrskommissariat der Kreisbehörde L. aufgefordert, sich wegen der Aufkleber auf den Kennzeichen als Beschuldigter zum Vorwurf der Urkundenfälschung, des Kennzeichenmissbrauchs und eines Verstoßes gegen die Fahrzeug-Zulassungsverordnung zu äußern. Am 00. Juli 2020 fertigte die Polizei erneut Lichtbilder von der Front- und Heck-Seite des Pkw. Die Aufkleber auf den Kennzeichen waren entfernt, der beschriebene Aufkleber in der Heckscheibe unverändert. Der Kläger erklärte per E-Mail am 00. August 2020: Er könne sich nicht erklären, wie die Aufkleber auf die Nummernschilder gekommen seien; ihm sei dies erst auf gefallen, nachdem er das Schreiben der Polizei erhalten habe; er habe natürlich sofort alles entfernt. Daraufhin wurde das unter dem Az. 000 Xx 0000/00 eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft L. am 00. August 2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Verfahren wegen des Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit wurde zunächst von der Bußgeldstelle des Kreises L. fortgeführt (Az. 00000000000), jedoch am 00. August 2020 gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG eingestellt.
Am 00. Februar 2021 fand ein persönliches Gespräch von Mitarbeitern der Kriminalinspektion polizeilicher Staatsschutz des Polizeipräsidiums L1. mit dem Kläger an dessen Wohnanschrift statt. Dem Kläger wurde eröffnet, dass die Waffenbehörde Hinweise auf eine mögliche Reichsbürgerschaft des Klägers erhalten habe. Ausweislich des hierüber geführten Aktenvermerks äußerte sich der Kläger hierzu im Wesentlichen wie folgt: Er selbst sei kein Reichsbürger, man dürfe den Begriff Reichsbürger auch nicht verwenden. Bei der schwarz-rot-gelben Flagge der Bundesrepublik handele es sich um eine Handelsflagge, die echte deutsche Flagge sei schwarz-weiß-rot. Es gebe keine Bundesrepublik, dies sei alles Lüge. Er glaube auch nicht an die Gesetze und die Regierung. Man solle hierzu im Internet mal „R. “ anklicken. Dort werde alles erklärt.
Nach Anhörung des Klägers widerrief die Kreispolizeibehörde L. am 00. März 2021 den dem Kläger erteilten Kleinen Waffenschein Nr. 0000 (Ziffer 1 des Bescheides), forderte ihn auf, den Kleinen Waffenschein unverzüglich, d. h. innerhalb eines Monats nach Zustellung der Widerrufsverfügung zurückzugeben (Ziffer 2) und setzte in Ziffer 3 des Bescheides eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 250,00 Euro fest samt Zahlungsaufforderung bis zum 00. April 2021. Hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 2 des Bescheides ordnete die Waffenbehörde die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung wird ausgeführt, die waffenrechtliche Erlaubnis sei zu widerrufen, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung hätten führen müssen. Der Kläger besitze gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) bis c) WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr. Seine Aussagen am 00. Februar 2021 gekennzeichneten ihn als Angehörigen der Bewegung der Reichsbürger und Selbstverwalter. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheides Bezug genommen. Die Ordnungsverfügung ist dem Kläger nach eigenen Angaben am 00. April 2021 zugegangen.
Der Kläger hat am 00. April 2021 Klage gegen den Bescheid erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Er habe durch seine Äußerungen am 00. Februar 2021 deutlich gemacht, dass es eine Organisation der Reichsbürger nicht gebe bzw. er dieser nicht angehöre. Selbst wenn er die Bundesrepublik Deutschland als Staat ablehne sei dies keine ausreichende Grundlage für die Annahme in der Ordnungsverfügung, er sehe die Rechtsordnung nicht als bindend an. Seine Unzufriedenheit mit den Gesetzen und der Regierung der Bundesrepublik seien alleine noch kein Hinweis darauf, dass er bereit sei, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu begehen. Verstöße seinerseits lägen auch nicht vor. Unabhängig davon liege nur ein singuläres Ereignis vor, das alleine nicht zur Begründung der Unzuverlässigkeit geeignet sei.
Der Kläger beantragt,
die Ordnungsverfügung der Kreispolizeibehörde L. vom 00. März 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Ordnungsverfügung sowie die Ergebnisse des Ordnungswidrigkeitsverfahrens des Kreises L. (Az. 00000000000).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Bußgeldstelle des Kreises L. (Az. Az. 00000000000) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, da ihr der Rechtsstreit gemäß § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
Der streitgegenständlichen Widerrufsbescheid des beklagten Landes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I. Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis des Klägers in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides findet seine Rechtgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
Nach dieser Vorschrift sind waffenrechtliche Erlaubnisse – hier die dem Kläger erteilte Erlaubnis in Gestalt des Kleinen Waffenscheins nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG u.a. voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Im Fall des Klägers sind nachträglich – das heißt nach Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis – Tatsachen eingetreten, die zur Folge haben, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, das heißt bei Erlass des Widerrufsbescheides,
vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 -, juris,
die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) besaß.
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG umschreibt Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich in hohem Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung der Unzuverlässigkeit im Einzelfall nicht zugelassen wird. Es liegt die sog. absolute Unzuverlässigkeit vor.
vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54; VGH BaWü, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 S 1470/17 –, juris; VG Cottbus, Urteil vom 20. September 2016 - VG 3 K 305/16 -, juris Rn. 17; Runkel, in: Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, 73. EL 2017, § 5 WaffG Rn. 13.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG liegt ein absoluter Unzuverlässigkeitsgrund vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgeht oder diese Gegenstände von ihr nicht sorgfältig verwahrt werden. Dabei handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Prognose.
BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 -, juris, Rn. 10; OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 11 ME 181/17 -, juris, Rn. 8; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Oktober 2016 - 22 K 2135/15 -, juris Rn. 30.
Da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, kann das Gericht auch andere Unzuverlässigkeitsgründe annehmen als die Behörde in ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat.
Die erforderliche Prognose hat sich stets am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter genügt für die Prognose, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des Umgangs mit Waffen verbleibt. Ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17, und Beschluss vom 12. Oktober 1998 - 1 B 245/97 – juris, Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 11 ME 181/17 -, juris, Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Mai 2013 - 20 A 419/11 -, juris, Rn. 28, 30, 32, und vom 28. Februar 2013 – 20 A 2430/11 -, juris, Rn. 50; VGH Bayern, Beschluss vom 2. Oktober 2013 - 21 CS 13.1564 -, juris, Rn. 10.
Nach diesen Maßstäben rechtfertigt das Verhalten des Klägers im Juli 2020 und am 00. Februar 2021 die Annahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig umgehen wird.
Personen, die ihren Äußerungen und/oder ihrem sonstigen Verhalten nach erkennbar die Existenz und staatliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland und/oder ihrer Bundesländer und damit die geltende Rechtsordnung offensiv ablehnen und/oder ignorieren, bieten keine hinreichende Gewähr dafür, dass sie die bestehenden waffenrechtlichen Vorschriften beachten und insbesondere mit Waffen und Munition sorgsam umgehen werden. Wer erklärtermaßen bundes- oder landesgesetzliche Vorschriften nicht als für sich verbindlich anerkennt und sich deshalb nicht verpflichtet sieht, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Regelungen zu beachten, gibt Anlass zu der Besorgnis, dass er die geltenden Bestimmungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Oktober 2021 – 20 A 4362/19 ‑, vom 5. Juli 2018 ‑ 20 B 1624/17 ‑, juris, vom 15. September 2017 ‑ 20 B 339/17 -, juris, und vom 26. Juni 2019 ‑ 20 B 822/18 -, jeweils m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Oktober 2017 – 21 CS 17.1300 –, juris.
So liegt der Fall hier.
Zwar dürfte das Äußern abstruser politischer Auffassungen für sich genommen noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass der Betreffende insbesondere die Vorschriften des Waffengesetzes ignorieren oder eigenwillig auslegen könnte und damit als unzuverlässig zu gelten hätte.
Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 12; VG München, Beschluss vom 25. Juli 2017 - M 7 S 17.1813 -, juris Rn. 25, vom 8. Juni 2017 - M 7 S 17.933 -, juris Rn. 28, und vom 23. Mai 2017 - M 7 S 17.408 -, juris Rn. 34; VG Gera, Urteil vom 16. September 2015 - 2 K 525/14 Ge -, juris Rn. 21.
Vorliegend gibt es jedoch Tatsachen, die hinreichend erkennen lassen, dass der Kläger der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesregierung und dem Gesetzgeber die Legitimation abspricht und gültige Gesetze offensiv ablehnt.
Der Kläger gab sich mit seinem Verhalten und seinen Äußerungen offensiv als Anhänger der unter dem Begriff „QAnon“ verbreiteten Verschwörungsmythos zu erkennen. Er berief sich im Gespräch mit Polizeibeamten ausdrücklich auf Erklärungen, die im Internet unter diesem Stichwort zu finden seien und leitete für sich aus diesen Erklärungen die Erkenntnis ab, es gebe die Bundesrepublik nicht, dies sei alles Lüge und er glaube auch nicht an die Gesetze und die Regierung. Damit machte er sich wesentliche Aspekte dieses Verschwörungsmythos zu eigen einschließlich der damit verbundenen Delegitimierung der staatlichen Hoheitsgewalt, der Repräsentanten des Staates sowie der gültigen Gesetze.
Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2020 wird im Abschnitt „Verschwörungsmythen – eine Gefahr für die Demokratie“ ausgeführt (S. 48):
„Einige Akteure haben das Ziel, Unmut in der Gesellschaft zu schüren und die Legitimität der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Frage zu stellen, um dies für die eigene Agenda zu instrumentalisieren. Als Frühwarnsystem informiert der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen Politik und Gesellschaft über demokratiegefährdende Entwicklungen. Verschwörungsmythen sind zwar nicht grundsätzlich verfassungsfeindlich, können im Ergebnis aber dazu führen, dass Personen oder Organisationen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Frage stellen und versuchen sie ganz oder in Teilen abzuschaffen. Deshalb analysiert der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz kontinuierlich die demokratiegefährdenden Potenziale von Protestbewegungen, die diese Inhalte offensiv verbreiten.“
Zu dem unter Begriff „QAnon“ verbreiteten Verschwörungsmythos heißt es im gleichen Abschnitt (S. 55 ff):
„Aufgreifen der QAnon -Erzählung
Im Zuge der Corona-Proteste hat der aus den USA stammende Verschwörungsmythos um QAnon eine größere Verbreitung gefunden. Hinter „Q“ verberge sich angeblich ein hoher Regierungsbeamter, der Zugang zu geheimsten Vorgängen habe. Diese Erzählung behauptet die Verschleppung von Kindern in unterirdische Gefängnisse, um aus ihnen „Adrenochrom“ zu gewinnen, das verjüngend wirken soll. Betrieben würde dies im Auftrag einer von Angehörigen der US-amerikanischen Demokratischen Partei und Juden dominerten Elite. Der Sache nach handelt es sich um eine Aktualisierung der mittelalterlichen Ritualmordlegende, die Juden unterstellte, zu kultischen Zwecken christliche Kinder zu entführen und zu töten. In Social Media Beiträgen werden die Anhänger durch gezielte Andeutungen und Fragen zur Recherche von Sachverhalten und zum Teilen der Ergebnisse aufgefordert. Es handelt sich dabei um einen partizipativen Verschwörungsmythos, da jeder seine Resultate einbringen und mit neuen Folgefragen versehen kann. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde der Verschwörungsmythos durch den misslungenen Versuch eines Anhängers in den USA, Kinder aus einem nicht existenten Keller einer Pizzeria in Washington zu befreien. Dieser Tötungsversuch hat der Bewegung keinerlei Abbruch getan.
Eine strukturelle Nähe zeigt sich darin, dass bei der von Stuttgart ausgehenden sogenannten Querdenker-Bewegung nicht nur Bezüge zur Szene der sogenannten Reichsbürger festzustellen sind, sondern sich auch Elemente der QAnon -Bewegung wiederfinden. Der von der QAnon -Bewegung geprägte Slogan „Where we go one we go all / WWG1WGA“ (sinngemäß „Einer für alle, alle für einen“) ist beispielsweise durch den Gründer von „Querdenken 711“ verwendet worden und war auch bei Demonstrationen sichtbar. Die Querdenker-Bewegung hat im letzten Jahr auch in Nordrhein-Westfalen zunehmend Verbreitung gefunden.
Verschwörungsmythos als verbindendes Element
Der Widerspruch gegen den sognannten Mainstream und die Wahrnehmung, in der Öffentlichkeit pauschal als Extremisten und Verschwörungsideologen abqualifiziert zu werden, fördern die Gruppengemeinschaft, was sich nicht zuletzt in dem scheinbar konfliktfreien Nebeneinander gegensätzlicher Ansichten und Symbole äußert. Bei Veranstaltungen kommen beispielsweise Esoteriker, Impfgegner, Reichsbürger und Rechtsextremisten zusammen. Es findet eine neue Radikalisierung statt, gespeist aus einem Gefühl der Entfremdung gegenüber dem demokratischen System und der Nichtrepräsentanz der eigenen Positionen im gesellschaftlichen Diskurs. Das war beispielsweise auch schon im Kontext von PEGIDA registrierbar. Versuche, Medien und Staat zum Gegenstand von Hass und Protest werden zu lassen, fallen auf fruchtbaren Boden. Die Verbreitung von Desinformationen birgt Gefahren sowohl für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess, als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Verschwörungsmythen schüren gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und vermitteln ein vereinfachtes Weltbild von Gut und Böse, welches für Zwischentöne und damit Kompromissfähigkeit keinen Raum lässt. Es fördert nicht zuletzt eine Gewaltbereitschaft, sich gegenüber einer vermeintlichen Verschwörung gegen Leib und Leben wehren zu müssen. Bereits vor der Pandemie wurde diese Gefahr einer Gewaltanwendung durch die Anschläge von Halle im Jahr 2019 und Hanau im Jahr 2020 Realität. Beide Taten wurden auch aufgrund von Verschwörungsüberzeugungen verübt.“
Vor diesem Hintergrund liegen bei dem Kläger als Anhänger der QAnon -Bewegung - wie bei Personen, die der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sind,
vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Oktober 2021 - 20 A 4362/19 ¬, vom 5. Juli 2018 ‑ 20 B 1624/17 ‑, juris, und vom 26. Juni 2019 - 20 B 822/18 - m. w. N.; Bay. VGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2018 ‑ 21 CS 17.1964 ‑, juris, und vom 25. Januar 2018 - 21 CS 17.2310 -, juris –
hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass er den Staat, seine Repräsentanten und die gesamten Rechtsordnung fundamental ablehnt. Dies kommt in den Äußerungen des Klägers auch dadurch besonders zum Ausdruck, dass er Umstände, die nicht im Einklang mit dem von ihm vertretenen Verschwörungsmythos stehen, ausdrücklich als „Lüge“ bezeichnet.
Das Verhalten des Klägers war auch nicht durch eine singuläre Ausnahmesituation geprägt, die eine andere Bewertung erlaubte. Der Kläger machte sich nicht nur den QAnon -Verschwörungsmythos bei dem Gespräch mit Polizeibeamten im Februar 2021 zu eigen, sondern brachte auch schon im Juli 2020 mit dem QAnon -Aufkleber auf der Heckscheibe seines Pkw sein Bekenntnis zu diesem Verschwörungsmythos zum Ausdruck. Dass der Kläger auch diesen Aufkleber – wie er es in Bezug auf die Reichsadler-Aufkleber auf den amtlichen Fahrzeug-Kennzeichnen behauptete – nicht selbst angebracht und nicht einmal bemerkt hätte, wird von ihm nicht geltend gemacht. Hierfür liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr spricht schon die Größe des QAnon -Aufklebers im Verhältnis zur Größe der Heckscheibe sowie die Tatsache, dass dieser Aufkleber auch nach Entfernung der Reichsadler-Aufkleber unverändert vorhanden war, dafür, dass der Kläger sich hiermit bewusst im öffentlichen Raum zu dem QAnon -Verschwörungsmythos bekennen und diesen unterstützen wollte.
Die Möglichkeit, sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung zu erläutern und eventuell in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, hat der Kläger nicht genutzt. Vielmehr wird die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses durch Tatsachen gestützte Prognose durch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die ihm ausweislich der Zustellungsurkunde am 00. Mai 2023 durch Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden ist, bekräftigt. Indem der Kläger die Annahme der Postsendung verweigert und den Umschlag ungeöffnet in den Postrücklauf gegeben hat, zeigt er ein Verhalten, aus dem geschlossen werden kann, dass er auch dem Gericht die Legitimation und den Zustellungsgesetzen die Verbindlichkeit abspricht.
Ferner steht einer Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers nicht entgegen, dass sämtliche gegen ihn geführten staatsanwaltschaftlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ermittlungsverfahren eingestellt wurden. Auch eingestellte Ermittlungsverfahren können herangezogen werden.
BVerwG, Urteil vom 26. März 1996 - 1 C 12.95 -, juris, Rn. 24; Gade, WaffG, 2. Auflage, § 5 Rn. 19.
Denn einer Straftat kann ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen als in strafrechtlicher Hinsicht. Dabei ist von dem dargelegten ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes auszugehen, die Allgemeinheit vor dem Schaden zu bewahren, der aus einem Umgang mit Schusswaffen durch nicht in jeder Hinsicht hierfür vertrauenswürdige Personen droht. Dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, bedeutet demnach nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d.h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann.
Vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 21 ZB 13.415 –, juris und Beschluss vom 8. September 2011 - 21 ZB 11.1286 – juris; VG Köln, Urteil vom 22. März 2019 – 20 K 2216/17 –, juris.
II. Die Anordnung nach Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist auch rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Voraussetzungen der Norm sind erfüllt. Rechtsfehler sind im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich.
III. Die Gebührenfestsetzung in Höhe von 250,00 Euro ist ebenfalls rechtmäßig. Sie beruht auf Tarifstellen 26.36 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVerwGebO NRW) in der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses gültigen Fassung in Verbindung mit § 2 Abs. 1 GebG NRW und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.