Tatbestand
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1. Der 1963 geborene Ruhestandsbeamte hat nach dem Abitur von 1982 bis 1985 Ökonomie - Fachrichtung Rückwärtige Dienste - an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte Z-Stadt studiert und war von August 1982 bis Oktober 1990 Offiziersschüler/Berufssoldat bei der Nationalen Volksarmee. Vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1990 war er als Berufssoldat (zuletzt mit dem Dienstgrad eines Oberleutnants) bei der Bundeswehr, Nachschubbataillon …, in P-Stadt eingesetzt. Ab dem 1. Januar 1991 war der Beklagte zunächst als Angestellter bei der Bundeswehrverwaltung tätig. Mit Wirkung zum 1. Mai 1993 ernannte ihn der Bundesminister der Verteidigung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsinspektor zur Anstellung. Seit dem 1. Mai 1996 ist der Beklagte Beamter auf Lebenszeit. Am 30. Mai 1997 ernannte ihn der Verteidigungsminister zum Regierungsoberinspektor. Zuletzt war der Beklagte im SpZentr (Sprachenzentrum) Ost in B-Stadt im Bereich „Sachbearbeitung Nebengebühren“ eingesetzt und erhielt Bezüge der Besoldungsgruppe A 10 in der Erfahrungsstufe 6. Seit dem 1. Januar 2013 war der Beklagte unter Vorlage von Attesten krankheitsbedingt dienstabwesend. Er befindet sich seit dem 1. April 2020 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand.
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Der Beklagte wurde in den letzten drei Beurteilungsdurchgängen zu den Stichtagen 31. Januar 2006, 31. Januar 2009 und 30. November 2011 jeweils mit der Note „C“ (übertrifft die Anforderungen) beurteilt.
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Der Beklagte ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er ist mit einem Grad von 50 v. H. schwerbehindert.
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Bislang ist der Beklagte weder dienst- noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.
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2. Der Präsident des Bundessprachenamtes leitete im Juni 2016 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und dehnte es mit Verfügung vom 15. Juni 2018 aus. Wegen der vorgehaltenen Dienstpflichtverletzungen hat die Klägerin den Beklagten mit Bescheid vom 30. August 2018 vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 % seiner Dienstbezüge angeordnet. Mit Bescheid vom 25. Mai 2022 hat die Klägerin die vorläufige teilweise Einbehaltung des Ruhegehalts in Höhe von 30 % angeordnet.
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3. Am 31. Januar 2019 hat der Präsident des Bundessprachenamtes Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht Dresden erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. März 2021 an das Disziplinargericht verwiesen hat.
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In der Disziplinarklageschrift wird dem Beklagten vorgeworfen, er habe seine Pflicht zur Verfassungstreue und seine allgemeine Wohlverhaltenspflicht verletzt und dadurch ein Dienstvergehen begangen habe, indem er
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1.) trotz attestierter Dienstunfähigkeit bei der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt für die NPD kandidiert habe,
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2.) unter seinem Facebook-Profil öffentlich Beiträge gepostet habe, welche eindeutig Bezüge zum Rechtsextremismus enthielten,
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3.) sein Kfz-Kennzeichen mit einem Aufkleber mit der Aufschrift „Freistaat Preußen“, „Provinz Sachsen“ überklebt habe und an der Demonstration „Gegen Kriminalität und Asylmissbrauch“ am 6. Dezember 2014 in A-Stadt teilgenommen habe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat geltend gemacht, das Disziplinarverfahren und die Disziplinarklage litten an nicht heilbaren, wesentlichen formellen Mängeln. Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens sei nicht der Präsident des Bundessprachenamtes zuständig gewesen. Der Disziplinarklage sei nicht zu entnehmen, dass der Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung und der Gleichstellungsbeauftragte vor der Erhebung der Klage beteiligt worden seien. Der Gleichstellungsbeauftragte, der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung seien jedenfalls nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, weil diesen Gremien nur die Sachverhaltsdarstellung des Dienstherrn und nicht die Stellungnahmen des Beklagten zu den Vorwürfen sowie lediglich eine Schwerbehinderung des Beklagten von 40 v. H. mitgeteilt worden seien. Er sei jedoch zu 50 v. H. schwerbehindert.
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Sein Facebook-Account sei nicht öffentlich einsehbar gewesen. Die ihm vorgehaltenen Beiträge habe er nicht selbst verfasst. Zugang zum Account hätten neben ihm auch sein Sohn und seine Ehefrau.
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Er bestreite nicht, dass er bei der Landtagswahl 2016 kandidiert habe. Seine politische Aktivität habe sich allerdings darauf beschränkt, sich auf der Landeswahlvorschlagsliste aufstellen zu lassen. Er habe an Wahlveranstaltungen weder als Redner noch als Organisator teilgenommen und sei auch sonst nicht öffentlich politisch in Erscheinung getreten. Er sei davon ausgegangen, dass seine Mitgliedschaft und seine Kandidatur für die NPD nicht gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstießen, solange die NPD nicht für verfassungswidrig erklärt und verboten sei und er ansonsten nicht politisch in Erscheinung trete.
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Er habe den Aufkleber für sein Fahrzeug ohne jede politische Motivation erworben. Es sei abwegig, ihn allein wegen der Verwendung des Aufklebers der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen, zumal Reichsbürger bekanntlich die Existenz des Staates „BRD“ leugneten und er sich dann sicher nicht als Kandidat zur Landtagswahl hätte aufstellen lassen.
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Zu den dem Beklagten zur Last gelegten Facebook-Beiträgen hat das Verwaltungsgericht Beweis erhoben durch die Vernehmung der Ehefrau und des Sohnes des Beklagten.
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4. Mit Urteil vom 19. Oktober 2021 hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
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a) Das behördliche Disziplinarverfahren leide an keinem wesentlichen Mangel i. S. d. § 55 BDG. Der Präsident des Bundessprachenamtes sei gemäß § 17 Abs. 1 BDG für die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Beklagten zuständig gewesen. Denn er sei im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens und seiner Ausdehnung Dienstvorgesetzter des Beklagten i. S. v. § 17 Abs. 1 BDG gewesen. Bis zur bestandskräftigen Versetzung in den Ruhestand sei der Beklagte nicht zu einer anderen Dienststelle versetzt worden, und bis zum Eintritt des Beklagten in den Ruhestand sei das Bundessprachenamt seine Beschäftigungsdienststelle geblieben, auch soweit der Beklagte dort wegen seiner langandauernden Dienstunfähigkeit außerhalb eines Dienstpostens geführt worden und das Bundesamt die für ihn personalbearbeitende Dienststelle gewesen sei.
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Der Präsident des Bundessprachenamtes habe vor der Erhebung der Disziplinarklage den Gleichstellungsbeauftragten (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d BGleiG) und den Schwerbehindertenvertreter (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) beteiligt. Er habe beide in hinreichender Weise über den entscheidungserheblichen Sachverhalt informiert. Zwar sei der Präsident des Bundessprachenamtes in der Sachverhaltsdarstellung im Entwurf der Disziplinarklageschrift unzutreffend von einem Schwerbehindertengrad des Beklagten von nur 30 v. H. ausgegangen, obwohl der Beklagte bereits damals mit einem Grad von 50 v. H. schwerbehindert gewesen sei. Es bestünden aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese unzutreffende Angabe auf das Ergebnis der Stellungnahmen des Gleichstellungsbeauftragten und des Schwerbehindertenvertreters ausgewirkt hätten, zumal für beide an Hand der im Rahmen der Beteiligung vorgelegten Unterlagen wohl erkennbar gewesen sei, dass der Schwerbehinderungsgrad von 30 v. H. wohl nicht zutreffe. Denn der Gleichstellungsbeauftragte habe in seiner Stellungnahme ausdrücklich um eine Überprüfung des Schwerbehindertengrades gebeten, weil aus den ihm vorgelegten Unterlagen unterschiedliche Angaben zum Grad der Schwerbehinderung des Beklagten zu entnehmen gewesen seien.
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Auf den Antrag des Beklagten habe der Präsident des Bundessprachenamtes vor der Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG auch den Personalrat beteiligt. Er habe auch den Personalrat in hinreichender Weise vom entscheidungserheblichen Sachverhalt informiert. Auch dem Gesamtpersonalrat seien die unterschiedlichen Angaben des Präsidenten des Bundessprachenamtes zum Grad der Schwerbehinderung des Beklagten aufgefallen. Gleichwohl habe der Gesamtpersonalrat der beabsichtigten Maßnahme zugestimmt. Es bestünden deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die unzutreffenden Angaben zum Grad der Schwerbehinderung auf das Ergebnis der Stellungnahme des Gesamtpersonalrates ausgewirkt hätten.
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b) Auch die Disziplinarklage leide an keinem wesentlichen Mangel i. S. v. § 55 BDG. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei der Präsident des Bundessprachenamtes auch gemäß § 34 Abs. 2 BDG für die Erhebung der Disziplinarklage zuständig gewesen. Das Verteidigungsministerium habe die Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 34 Abs. 2 BDG durch § 2 i. V. m. § 1 Nr. 3e der Anordnung zur Übertragung disziplinarrechtlicher Befugnisse im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVgBDGAnO) vom 5. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1596) auf den Präsidenten des Bundessprachenamtes übertragen. Nachdem der Beklagte während des gerichtlichen Disziplinarverfahrens in den Ruhestand versetzt worden sei, führe nunmehr die Präsidentin des Bundesamtes für Personalmanagement als Vertreterin der Klägerin die Disziplinarklage gegen den Beklagten. Da nach der neuerlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - jedenfalls bei Bundesbeamten - der Dienstherr Kläger der Disziplinarklage bleibe, sei die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Rubrumsberichtigung mit in das Aktiv-Rubrum aufzunehmen gewesen.
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c) Der Beklagte habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 BBG begangen, das die Aberkennung seines Ruhegehaltes rechtfertige (§ 12 BDG).
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Die ihm vorgeworfenen Dienstvergehen seien an § 77 Abs. 1 BBG und nicht an der für Ruhestandsbeamte geltenden Vorschrift des § 77 Abs. 2 BBG zu messen. Denn der Beamte habe die ihm zur Last gelegten dienstlichen Verfehlungen während der Zeit seines aktiven Dienstes zwischen Februar 2014 und März 2016 begangen.
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Der Beamte habe rechtswidrig und schuldhaft seine Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG sowie die allgemeine Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verletzt und dadurch ein Dienstvergehen begangen, indem er bei der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt für die NPD kandidiert habe, unter seinem Facebook-Profil öffentlich Beiträge gepostet habe, die eindeutige Bezüge zum Rechtsextremismus enthalten hätten, sein Kfz-Kennzeichen mit einem Aufkleber mit der Aufschrift „Freistaat Preußen“, „Provinz Sachsen“ überklebt habe und an der Demonstration „Gegen Kriminalität und Asylmissbrauch“ am 6. Dezember 2014 in A-Stadt teilgenommen habe.
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aa) Der Beklagte habe mit seiner Kandidatur für die NPD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 13. März 2016 gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG sowie gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG begangen.
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Unstreitig habe der Beklagte für die NPD bei der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt kandidiert. Die NPD sei eine politische Partei, die in ihren Zielen wesentliche Prinzipien der Verfassungsordnung ablehnt oder bekämpft. Sie missachte die Grundprinzipien, die für den freiheitlich demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar seien. Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstießen gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips und wiesen Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus auf. Ihre Programmatik sei auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Die Kandidatur für eine Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, zu einem Landtag oder zum Bundestag sei ein Verstoß gegen die Verfassungstreue.
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Die vom Beklagten geschilderten Umstände seiner Kandidatur für die NPD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt änderten an dem Verstoß gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue nichts.
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Bei seiner Kandidatur für die NPD zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2016 sei der Beklagte auch keinem Tatbestandsirrtum i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB unterlegen. Seinen Vortrag, er habe sich über die Verfassungsfeindlichkeit der Zielsetzung der NPD geirrt, werte das Gericht als nicht glaubhafte Schutzbehauptung. Ebenso wenig sei der Beklagte bei seiner Kandidatur für die NPD zur Landtagswahl einem unvermeidbaren Verbotsirrtum i. S. v. § 17 Satz 1 StGB unterlegen. Seinen Vortrag, er sei davon ausgegangen, seine Mitgliedschaft in der NPD und seine Kandidatur für die NPD seien kein Verstoß gegen seine Verfassungstreuepflicht, solange die Partei noch nicht verboten sei, sehe das Gericht ebenfalls als nicht glaubhafte Schutzbehauptung an. Aber selbst dann, wenn der Beklagte einem Verbotsirrtum unterlegen wäre, weil er seine Kandidatur für die NPD allein deshalb nicht als Verstoß gegen seine Verfassungstreuepflicht angesehen hätte, weil die NPD zu diesem Zeitpunkt nicht verboten gewesen sei, wäre dieser Irrtum für den Beamten vermeidbar gewesen. Ihm wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sich zu erkundigen, ob und unter welchen Voraussetzungen die politische Betätigung eines Beamten für eine verfassungsfeindliche, aber noch nicht verbotene Partei einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht darstellen könne.
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bb) Der Beklagte habe durch seine Äußerungen auf Facebook, die eindeutige Bezüge zum Rechtsextremismus enthalten hätten, gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG sowie gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen i. S. v. § 77 Abs. 1 Satz BBG begangen.
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Entgegen der Behauptung des Beklagten sei sein Facebook-Profil öffentlich einsehbar gewesen. Wie sich aus den Internetausdrucken des Facebook-Profils vom 31. August 2015 (Blatt 23 - 29 d. BA) ergebe, sei es möglich, die „Gefällt-mir“-Angaben und die Freundesliste des Beklagten einzusehen, ohne mit ihm auf Facebook verbunden zu sein. Unter seinen öffentlich einsehbaren „Gefällt-mir“-Angaben fänden sich Verbindungen zu diversen NPD-Kreisverbänden, zu Parteivorstandsmitgliedern der NPD und zu sonstigen Seiten/Organisationen bzw. Musikern mit teilweise rechtsradikalem Bezug.
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Das Disziplinargericht sei davon überzeugt, dass der Beklagte die unter seinem Namen auf Facebook veröffentlichten und ihm in der Disziplinarklage vorgehaltenen Äußerungen „die zionistischen Weltverbrecher“, „im besetzten Deutschland“, „Arbeit macht FREI“, „die etablierten Volksverräterparteien“, „Der Gutmenschen- und Tolerantenstaat“ und „ins Arbeitslager“ selbst verfasst und auf Facebook veröffentlicht habe. Zur Überzeugung des Gerichts hätten weder der Sohn noch die Ehefrau des Beklagten die ihm vorgehaltenen Äußerungen verfasst und veröffentlicht. Der Sohn des Beklagten habe bei seiner Zeugenvernehmung glaubhaft versichert, diese Äußerungen nicht verfasst zu haben. Die Ehefrau des Beklagten habe zur Überzeugung des Disziplinargerichts das Verfassen und Veröffentlichen der ihrem Mann zur Last gelegten Äußerungen auf sich genommen, um als Nicht-Beamtin ihren Ehemann vor den aus der Veröffentlichung dieser Kommentierungen resultierenden disziplinarischen Folgen zu schützen. Die Ehefrau des Beklagten habe in der der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts nicht die Wahrheit gesagt.
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Durch seine Beiträge zu 3. und zu 6., in denen er sich für die nicht an gesetzlichen Maßgaben orientierte Abschiebung („RAUS“) von straffällig gewordenen Flüchtlingen unter Rückzahlung aller entstandenen Kosten nach dem Motto „Arbeit macht FREI“ und sich für den Einsatz von Flüchtlingen in Arbeitslagern ausspreche, habe der Beklagte seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt. Mit der Äußerung „Arbeit macht FREI“ erinnere der Beamte an die Toraufschrift der nationalsozialistischen Konzentrationslager und verbreite damit nationalsozialistisches Gedankengut. Er erkläre mit seiner Äußerung seine Sympathie zu nationalsozialistischen Ideen und Vorstellungen sowie zu einem von diesen Vorstellungen geprägten Staat und bringe damit seine innere Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung zum Ausdruck. Auch mit dem Beitrag unter 6., in dem er den Einsatz von Flüchtlingen in Arbeitslagern fordere „bis der Einsatz/Schaden abgezahlt ist“, verletze der Beamte seine Pflicht zur Verfassungstreue. Mit dem Befürworten des Einsatzes von Menschen in Arbeitslagern entgegen Art. 12 GG, der Zwangsarbeit verbiete, spreche der Beklagte diesen Menschen die ihnen zustehenden Menschenrechte ab und mache deutlich, dass er die Achtung der Menschenrechte und ihre Respektierung als einen wesentlichen Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung ablehne. Er bringe damit seine verfassungsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck.
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Mit den Beiträgen zu 3. und zu 6. sei belegt, dass die verfassungsfeindlichen Ziele der NPD den eigenen Vorstellungen des Beklagten entsprechen. Seine Kandidatur für die NPD und seine rechtsextremistischen Äußerungen auf Facebook stellten bereits seine weitere Tragbarkeit für den öffentlichen Dienst grundsätzlich in Frage.
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Durch seine Äußerungen auf Facebook, die rechtsextreme Bezüge aufwiesen, habe der Beamte auch seine Wohlverhaltenspflicht gemäß § 61 Abs. 1 Satz BBG verletzt.
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Der Beklagte zeige mit seinen Einträgen - „zionistische Weltverbrecher“ (Blatt 15 d. EA), „Volksverräterparteien“ (Blatt 19 d. EA.), „Besatzer und Vasallen“ (Blatt 15 f. d. EA.), „Abschaum“ (Blatt 21 d. EA.) und „Merkel und die Hochverräter müssen weg“ (Blatt 23 d. EA.) - offen seine Ablehnung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland und seine rechtsradikale Gesinnung. Durch die Formulierung „zionistische Weltverbrecher“ und die Begleitumstände der Äußerung werde deutlich, dass er Juden als vermeintlichen Drahtziehern die Schuld an der angeblichen Destabilisierung Europas gebe. Der Beklagte bezeichne Ausländer als „Abschaum“ (Blatt 24 d. EA.) und erinnere im Kontext eines FAZ-Artikels über einen straffällig gewordenen Flüchtling mit dem Motto „Arbeit macht FREI“ an die Toraufschrift der nationalsozialistischen Konzentrationslager (Blatt 17 d. EA). Auch fordere er, dass Flüchtlinge in Arbeitslagern eingesetzt würden, „bis der Einsatz/Schaden abgezahlt ist“ (Blatt 95 d. EA.) und tituliere die etablierten Parteien als „Volksverräterparteien“ (Blatt 19 d. EA.).
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Das Verhalten des Beamten auf Facebook sei geeignet, das Ansehen der Beamtenschaft und der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Öffentlichkeit habe kein Verständnis dafür, dass die Bundeswehr oder eine andere staatliche Einrichtung einen Beamten in ihren Reihen dulde, der in einer solchen Art und Weise gegen Juden und Ausländer agitiere.
Randnummer40
cc) Der Beklagte habe durch das Überkleben seines Kfz-Kennzeichens mit einem schwarz-weißen Aufkleber mit der Aufschrift „Freistaat Preußen, Provinz Sachsen“ der sog. „Reichsbürgerbewegung“ nahestehendes Gedankengut nach außen kundgetan und somit gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verstoßen.
Randnummer41
dd) Der Beklagte habe auch durch die Teilnahme an der Demonstration „Gegen Kriminalität und Asylmissbrauch“ am 6. Dezember 2014 in A-Stadt gegen seine Wohlverhaltenspflicht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die Teilnahme des Beklagten stehe aufgrund eines im Internet veröffentlichten Fotos fest. Bei der Demonstration habe es sich um eine Versammlung gehandelt, die der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sei.
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ee) Schuldausschließungs- oder Schuldmilderungsgründe nach §§ 20, 21 StGB lägen nicht vor.
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ff) Milderungs- und Entlastungsgründe zu Gunsten des Beklagten seien nicht erkennbar.
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Allein der formale Austritt des Beklagten aus der NPD stelle keine ausreichende Distanzierung von der NPD und den rechtsextremistischen Äußerungen des Beklagten unter seinem Facebook-Profil dar. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte aus der NPD ausgetreten ist, weil er deren verfassungsfeindliche Ziele nicht mehr teilt. Soweit er seinen Austritt mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 begründe, sei dies nicht glaubhaft, weil die verfassungsfeindliche Orientierung der NPD ihm zur Überzeugung des Gerichts auch schon zuvor bekannt gewesen sei. Auch zeigten seine Äußerungen auf Facebook, dass seine persönlichen Ansichten sich mit den verfassungsfeindlichen Vorstellungen der NPD deckten. Vielmehr sei die drohende Entfernung des Beklagten aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehaltes als maßgeblicher Grund für den Parteiaustritt des Beklagten anzusehen.
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gg) Der beantragte Ausspruch der Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme sei angemessen und erforderlich.
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Durch die Verletzung seiner Pflichten zur Verfassungstreue und zum Wohlverhalten habe der Beklagte sich jeweils der Begehung eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht. Verletze ein Beamter durch sein Verhalten seine Pflicht zur Verfassungstreue (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG), könne das geeignet sein, das zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis unheilbar zu zerstören. Hierbei fielen insbesondere die Dauer und die Häufigkeit seiner Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue ins Gewicht. Verschärfend seien auch solche Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht des Beamten zu werten, die darauf zurückzuführen seien, dass der Beamte den Anschein erweckt habe, er sympathisiere mit verfassungsfeindlichen Organisationen und vertrete verfassungsfeindliche Ansichten.
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Die Schwere des Dienstvergehens des Beklagten zeige sich vorliegend an der Dauer und der Häufigkeit seines pflichtwidrigen Verhaltens. Er habe bereits 2014 bei der Kreistagswahl im Burgenlandkreis und 2016 bei der Landtagswahl für die NPD kandidiert und hierdurch deutlich gemacht, dass er über ein Weltbild verfüge, das mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes nicht im Einklang stehe. Dieses Weltbild habe er jedenfalls über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren nach außen kommuniziert und sich mit diesem identifiziert. Die verfassungsfeindliche Einstellung des Beklagten werde durch seine Äußerungen auf Facebook und seine „Gefällt mir“ Angaben deutlich und verstärke den gegen ihn gerichteten Vorwurf. Die ihm vorgeworfenen Verstöße gegen seine Wohlverhaltenspflicht kämen erschwerend hinzu, weil sie darauf zurückzuführen seien, dass der Beklagte den Eindruck erwecke, er sympathisiere mit verfassungsfeindlichen Gruppierungen und vertrete verfassungsfeindliche Ansichten.
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Die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EMRK stelle keinen bemessungsrelevanten Umstand dar, der es rechtfertige, von der Entfernung aus dem Dienst bzw. bei einem Ruhestandsbeamten von der sachlich gebotenen Aberkennung des Ruhegehaltes abzusehen.
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Zur Überzeugung des Disziplinargerichts ergebe die vorzunehmende Gesamtabwägung nach § 13 BDG, dass die bei dem Beklagten vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung und die hieraus resultierende fehlende dienstliche Verwendbarkeit des Beklagten und seine fehlende Vorbelastung wie auch die übrigen zu seinen Gunsten sprechenden Umstände im Verhältnis zu den wiederholten schweren Pflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum und dem endgültigen Verlust des Vertrauensverhältnisses nicht so schwer wögen, dass sie der Aberkennung des Ruhegehaltes als Höchstmaßnahme entgegenstünden.
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5. Gegen das - dem Beklagten am 16. November 2021 zugestellte - Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021 Berufung eingelegt, welche er wie folgt begründet:
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Entgegen der Ansicht der Disziplinarkammer leide das behördliche Disziplinarverfahren an einem wesentlichen Mangel i. S. d. § 55 BDG. Sowohl der Gleichstellungsbeauftragte als auch der Schwerbehindertenvertreter seien vor Erhebung der Disziplinarklage nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Sie seien nicht hinreichend über den entscheidungserheblichen Sachverhalt informiert worden. Zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt gehöre insbesondere der Grad der Behinderung des von der Disziplinarmaßnahme betroffenen Beamten. Unstreitig habe die Klägerin sowohl der Personalvertretung, der Schwerbehindertenvertretung als auch dem Gleichstellungsbeauftragten einen zu niedrigen Schwerbehindertengrad des Beklagten von 40 v. H. statt 50 v. H. mitgeteilt. Aufgrund des Umstandes, dass der Gleichstellungsbeauftragte die Überprüfung aufgrund dieser Unstimmigkeit angeregt habe, vermute die Disziplinarkammer, dass sich diese unzutreffende Angabe nicht auf der Stellungnahme des Gleichstellungsbeauftragten und des Schwerbehindertenvertreters ausgewirkt habe. Da aber unstreitig trotz dieses Hinweises keine Korrektur dieser Angabe von Seiten Klägerin erfolgt sei, hätten die beteiligten Gremien davon ausgehen müssen, dass die Angaben der Klägerin zur Schwerbehinderung des Beklagten korrekt waren. Bei einer Schwerbehinderung in Höhe von 50 v. H. liege eine erheblich geringere Vermittelbarkeit auf dem freien Arbeitsmarkt vor, so dass bei Kenntnis dieses Umstandes die beteiligten Gremien, zumindest der Personalrat sowie die Schwerbehindertenvertretung, sicherlich eine mildere Disziplinarmaßnahme in Erwägung gezogen und versucht hätten, auf die Willensbildung des Dienstvorgesetzten entsprechend einzuwirken.
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Entgegen der Disziplinarkammer habe der Beklagte kein schweres Dienstvergehen als noch aktiver Beamter begangen, das die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigen würde. Der Beklagte habe durch seinen Kandidatur für die NPD nicht schwerwiegend gegen seine politische Treuepflicht verstoßen. Sein Eintritt in die NPD sei nicht erfolgt, weil er sich mit deren politischen Zielen identifiziert habe, sondern weil ihm persönlich bekannte Mitglieder der NPD auf Gemeinde und Kreisebene sich im Unterschied zu den Mitgliedern der anderen Parteien um die Probleme vor Ort kümmern würden. Auch seine Kandidatur zur Landtagswahl 2016 sei nicht vergleichbar mit den von der Disziplinarkammer zitierten Entscheidungen zur schwerwiegenden Verletzung der politischen Treuepflicht bei Übernahme von Parteiämtern oder Kandidaturen für Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen. Der Beklagte habe sich lediglich einmal spontan für die Landtagswahl 2016 sowie für die Kreistagswahl 2014 aufstellen lassen. Die Übernahme von Parteiämtern oder Parteiwerbung für die NPD werde ihm hingegen unstreitig nicht vorgeworfen. Soweit die Disziplinarkammer ausführe, dass der formale Austritt des Beklagten keine ausreichende Distanzierung von der NPD und deren verfassungsfeindlichen Zielen darstelle, bleibe vollkommen unberücksichtigt, dass der Beklagte nach 2016 über Jahre keinen Anlass gegeben habe, weiterhin an seiner Verfassungstreue zu zweifeln. Auch seien von der Disziplinarkammer keine Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten vorgetragen worden, die den Rückschluss auf eine negative Prognose im Hinblick auf das künftige Verhalten des Beklagten, insbesondere im Hinblick auf seine Verfassungstreue, zuließen. Ferner sei von der Disziplinarkammer nicht ausgeführt worden, inwieweit die vorgeworfenen außerdienstlichen Verfehlungen des Beklagten in Anbetracht seiner mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung dazu geführt haben sollten, dass dieser das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe, insbesondere da der Beklagte bisher nicht vorbelastet gewesen sei und seine Leistungen als überdurchschnittlich bewertet worden seien.
Randnummer53
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nach §13 BDG sei von der Disziplinarkammer auch nicht berücksichtigt worden, dass der Beklagte aufgrund seiner eigenen gesundheitlichen Situation, der fehlenden Unterstützung des Dienstherrn bei der Ausgestaltung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes sowie aufgrund der Krebserkrankung seiner Eltern in dieser Zeit erheblich psychisch belastet gewesen sei und in dieser für ihn äußerst schweren Lebensphase zu unreflektiertem Handeln geneigt habe. So leide der Beklagte seit ca. 2006 an einem die Lebensqualität deutlich einschränkenden und nicht heilbaren primären Lymphödem beider Beine. Diese Erkrankung führe dazu, dass der Beklagte auf dem freien Arbeitsmark dauerhaft nicht vermittelbar sei mit der Folge, dass ihn die Entziehung des Ruhegehalts unverhältnismäßig hart treffe. Aufgrund dieser Gesamtumstände sei die Aberkennung des Ruhegehalts unverhältnismäßig.
Randnummer54
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Randnummer56
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Randnummer59
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil der Beklagte ordnungsgemäß geladen und auf diese Folge seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 3 BDG, § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO).
Randnummer61
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch nach Auffassung des erkennenden Senats gebietet das Verhalten des Beklagten die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 12 BDG.
Randnummer63
Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, sie rechtlich zu würdigen und unter Zugrundelegung der in § 13 BDG festgelegten Bemessungsfaktoren die angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhängen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG).
Randnummer64
I. Weder die Disziplinarklage noch das behördliche Disziplinarverfahren sind mangelbehaftet i. S. d. § 55 BDG.
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1. Die Klageschrift weist keinen wesentlichen Mangel i. S. d. § 55 BDG auf. Hierzu nimmt der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug (UA S. 12) und schließt sich diesen an.
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2. Auch das behördliche Disziplinarverfahren leidet unter keinem wesentlichen Mangel. Auch insoweit verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 10 ff.). Soweit die Berufung einen wesentlichen Verfahrensmangel darin erkennen will, dass die Klägerin vor Erhebung der Disziplinarklage die Personalvertretung, die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte nicht ordnungsgemäß beteiligt habe, weil diesen nicht der richtige Grad der Schwerbehinderung des Beklagten mitgeteilt worden sei, kann sie damit nicht durchdringen.
Randnummer67
a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers bzw. des Dienstherrn, die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in allen Angelegenheiten, die einen Einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören, gilt auch im Disziplinarverfahren. Eine Anhörung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen hat danach insbesondere vor dem Erlass einer Disziplinarverfügung bzw. vor der Erhebung einer Disziplinarklage sowie vor einer vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen zu erfolgen (vgl. Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. September 2018 - 14 MB 1/18 -, juris, Rn.
.
Randnummer68
Entsprechend dem Sinn und Zweck des Unterrichtungs- und Anhörungserfordernisses, die Schwerbehindertenvertretung in die Lage zu versetzen, die ihr nach § 178 Abs. 1 SGB IX auferlegten Pflichten wahrzunehmen, insbesondere die Interessen der schwerbehinderten Menschen sachgerecht zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen, genügt der Dienstherr seiner Unterrichtungspflicht nur, wenn er die Schwerbehindertenvertretung so informiert, dass diese ihre Aufgaben wahrnehmen kann. Eine Unterrichtung muss daher Angaben zu der Art der beabsichtigten Maßnahme und den hierfür maßgeblichen Erwägungen des Dienstherrn umfassen, die dieser im Zusammenhang mit der beabsichtigten Entscheidung erhoben hat. Die Schwerbehindertenvertretung muss aufgrund der konkret mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt werden, sich mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2017 - OVG 4 S 26.17 -, juris, Rn.
. Zu den mitzuteilenden Informationen gehört grundsätzlich auch der Grad der Behinderung des Bediensteten und ggf. die Gleichstellung (vgl. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 378/18 -, juris, Rn. 21).
Randnummer69
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird der mit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bezweckte Schutz der Schwerbehinderten und der diesen gleichgestellten Menschen allerdings nicht von Amts wegen gewährt. Vielmehr ist aus dem Erfordernis eines Antrags für die Feststellung einer Behinderung ebenso wie für die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zu schließen, dass der gesetzliche Schutz nicht ohne Weiteres eintritt, sondern von dem schwerbehinderten Menschen in Anspruch genommen werden muss. Die allein dem Betroffenen zuerkannte Befugnis, das Feststellungsverfahren in Gang zu setzen, dient dem Schutz seines Persönlichkeitsrechts, das den Status als Schwerbehinderter oder als einem Schwerbehinderten Gleichgestellten umfasst. Dem Schutzbedürftigen, der den ihm zustehenden Schutz - aus welchen Gründen auch immer - nicht in Anspruch nehmen will, ist aus diesem Grund der Schutz nicht aus Fürsorgegründen „aufzudrängen“. Eine Maßnahme, die vom Dienstherrn in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten diesem gegenüber getroffen wird, ist daher nicht wegen einer unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung rechtswidrig, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn von der Schwerbehinderung oder der Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten in Kenntnis zu setzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. April 2020 - 2 B 7.20 -, juris, Rn. 10).
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b) Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin der Schwerbehindertenvertretung nicht mitgeteilt hat, dass der Beklagte mit einem Grad von 50 v. H. schwerbehindert ist. Denn davon hatte die Klägerin keine Kenntnis, weil sie hierüber vom Beklagten nicht ordnungsgemäß informiert worden war. Hierzu war der Beklagte allerdings verpflichtet. Wenn es - wie ausgeführt - dem Schutzbedürftigen obliegt, dem Dienstherrn die Schwerbehinderteneigenschaft mitzuteilen, um den mit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung verbundenen Schutz überhaupt zu erlangen, so obliegt es ihm ebenso, den Dienstherrn über eventuelle Änderungen im Hinblick auf seine Schwerbehinderteneigenschaft - wie eine Änderung des festgestellten Grades der Schwerbehinderung - zu informieren. Der Dienstherr ist deshalb nicht verpflichtet, vor der Ausübung seiner Disziplinarbefugnisse wegen eventueller Veränderungen hinsichtlich der Schwerbehinderteneigenschaft bei dem Schutzbedürftigen nachzufragen. Vorliegend hat es der Beklagte unterlassen, der Klägerin hinreichend über die Änderung des Grades der Schwerbehinderung zu informieren. Insbesondere hat er es versäumt, den Bescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 10. September 2013 (Gerichtsakte 15 A 5/21, Bl. 40) vorzulegen, mit dem ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt wurde. Ausweislich der Personalakte hat der Beklagte bei der personalsachbearbeitenden Dienststelle lediglich einen Bescheid des Landesverwaltungsamts vom 2. Juli 2010 eingereicht, mit dem ihm ein Grad der Behinderung von 40 v. H. ab dem 23. Juni 2009 bescheinigt wird. Weiterhin lag der Bescheid vom 21. September 2010 über die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX vor. Dementsprechend hat die Klägerin bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung einen Grad der Behinderung von 40 v. H. angegeben (Gerichtsakte 15 A 5/21, Bl. 56).
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Soweit der Beklagte darauf verweist, dass der Klägerin spätestens seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand vom 11. März 2015 (5 A 123/13 HAL) die Schwerbehinderung des Beklagten mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. bekannt gewesen sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn in diesem Urteil wird ausdrücklich auf den - aus der Personalakte ersichtlichen - Grad der Behinderung des Beklagten von 40 v. H. sowie auf die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX verwiesen. Soweit ersichtlich hat lediglich die Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Schreiben vom 31. Januar 2017 (BA B, Bl. 81) in einem Beisatz den Grad der Behinderung des Beklagten mit 50 v. H. angegeben, allerdings ohne auf den Bescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 10. September 2013 zu verweisen oder diesen beizufügen. Dies gab der Klägerin keinen Anlass, entgegen der ihr vorliegenden Bescheide gegenüber der Schwerbehindertenvertretung den Grad der Behinderung des Beklagten mit 50 v. H. anzugeben.
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Soweit der Beklagte weiterhin geltend macht, dass bei einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. eine erheblich geringere Vermittelbarkeit auf dem freien Arbeitsmarkt vorliege, so dass die Schwerbehindertenvertretung bei Kenntnis dieses Umstands sicherlich eine mildere Maßnahme als die Entfernung aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts für angezeigt erachtet hätte, kann er auch damit nicht durchdringen. Zum einen war die Klägerin nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen - wie ausgeführt - schon nicht verpflichtet, gegenüber der Schwerbehindertenvertretung einen Grad der Behinderung von 50 v. H. anzugeben. Unabhängig davon war bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin die Schwerbehindertenvertretung beteiligt hat, erkennbar, dass bei dem Kläger entweder ein Grad der Behinderung von 50 v. H. (§ 2 Abs. 2 SGB IX) vorliegen müsse oder eine Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX. Damit war der Schwerbehindertenvertretung bei ihrer Entscheidung die besondere Schutzbedürftigkeit des Beklagten bewusst.
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Aus den genannten Gründen ist auch die personalvertretungsrechtliche Mitwirkung (§ 84 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG) und die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) nicht zu beanstanden. Auch diese Gremien hat die Klägerin entsprechend der ihr vorliegenden Bescheide über den Grad der Schwerbehinderung des Beklagten informiert. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob insoweit überhaupt eine Verpflichtung des Dienstherrn besteht, den Grad der Behinderung des Beklagten mitzuteilen (zur personalvertretungsrechtlichen Mitwirkung bei Erhebung der Disziplinarklage vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, juris, Rn. 14 ff.). Ebenso kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht darin zustimmen ist, die (objektiv) fehlerhafte Angabe des Grades der Schwerbehinderung des Beklagten sei bereits deshalb unerheblich, weil der Gesamtpersonalrat und die Gleichstellungsbeauftragte trotz von ihnen erkannter widersprüchlicher Angaben zum Grad der Behinderung des Beklagten der Maßnahme zugestimmt bzw. keine Einwände hiergegen erhoben haben.
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II. Die Disziplinarklage ist auch begründet. Der Beklagte hat ein schwerwiegendes Dienstvergehen i. S. d. § 77 Abs. 1 BBG begangen, das die Aberkennung des Ruhegehalts zur Folge hat (§ 12 BDG). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für das Vorliegen eines Dienstvergehens nicht die für Ruhestandsbeamten geltende Vorschrift des § 77 Abs. 2 BBG maßgeblich ist, weil der Beklagte die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen in der Zeit zwischen Februar 2014 und März 2016 und damit während seines aktiven Dienstes begangen hat.
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1. Der Senat geht von folgenden Sachverhalten aus:
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a) Der Beklagte hat unbestritten bei der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt für die NPD kandidiert.
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b) Der Beklagte hat unter seinem Facebook-Profil folgende Beiträge veröffentlicht:
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(1) Am 10. Februar 2014 um 17.16 Uhr hat der Beklagte als Antwort auf ein von einem anderen Facebook-Nutzer eingestelltes Video „Gaddafis Testament - Menschen wacht auf“ gepostet: „Erst der nahe Osten und Nordafrika und nun wird der alte Kontinent Europa destabilisiert, alles im Auftrag der zionistischen Weltverbrecher durchgeführt von den USA, Israel und den europäischen Vasalen“.
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(2) Am 10. September 2014 um 05.38 Uhr hat der Beklagte den Beitrag eines Facebook-Nutzers zu einem Festumzug im Jahr 2012 zur Erinnerung an die nationale Geschichte in Moskau und das Werden des russischen Staates zu den Warägern mit den Worten kommentiert: „im besetzten Deutschland noch undenkbar, dies würden unsere Besatzer und ihre Vasalen nicht zulassen. Noch nicht.“
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(3) Am 12. September 2014 um 15.34 Uhr hat der Beklagte auf den Beitrag der NPD Sachsen über einen straffällig gewordenen Asylbewerber mit dem Titel „Für solche Leute gibt es noch auf Steuerzahler-Kosten noch Anwälte und Gerichtsprozesse??? Die einzige Antwort auf solches Verhalten darf heißen: Gute Heimreise“ folgenden Beitrag gepostet: „Das Wort ‚Gute‛ in Verbindung mit Heimreise würde ich ersatzlos streichen. RAUS! Reicht vollkommen, zuvor Rückzahlung aller entstandenen Kosten nach dem Motto ‚Arbeit macht FREI‛.“ Drei Facebook-Nutzer haben diesen Kommentar mit „Gefällt mir“ markiert.
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(4) Den Beitrag von F., dem Bundesvorsitzenden der NPD, mit dem Titel „Der Autor windet sich etwas, kann aber schlussendlich nur zu der gleichen Bewertung wie wir kommen. Nein die NPD kann nicht verboten werden, weil sie nichts Verbotenes tut“ zu einem in der FAZ veröffentlichten Artikel „Rechtsextremismus: Kann die NPD verboten werden?“ hat der Beklagte am 16. November 2014 um 23.09 Uhr mit den Worten kommentiert: „Man kann uns in einem s.g. rechtsstaatlichen Verfahren nicht verbieten, das wissen auch die etablierten Volksverräterparteien nur zu gut. Es geht ihnen ausschließlich um die Verdummung eines ganzen Volkes zur Sicherung ihrer politischen Machtansprüche“.
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(5) Am 15. Februar 2015 um 23.58 Uhr hat der Beklagte den Beitrag der NPD mit dem Titel „Wir Deutsche sind doch längst nicht mehr Herr im eigenen Haus! Jetzt werden Traditionsveranstaltungen wie Karnevalsumzüge abgesagt, weil Moslem-Fanatiker und andere Ausländer-Extremisten damit kulturell nicht umgehen können und Anschläge planen. Wann kommt endlich der bitter nötige Zuwanderungsstopp und die Abschiebung krimineller, arbeitsloser und kulturfremder Ausländer???“ mit den Worten kommentiert: „Der Gutmenschen- und Tolerantenstaat hat vor dem Abschaum kapituliert, und der Oberspinner hielt die Büttenrede in Dresden.“
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(6) Am 6. April 2015 um 23.12 Uhr hat der Beklagte einen Beitrag der NPD mit dem Titel „Kämen die gleichen Informationen von uns, würde es sich ja bloß um Propaganda handeln. So müssen wir sagen: Vielen Dank, WDR“ zu einem YouTube-Video „Massenschlägerei in Flüchtlingsheim. B-Bach in W.. Asylbetrag“ wie folgt kommentiert: „Verlegen! Gute Idee, aber nicht mit dem Bus, sondern zu Fuß ins Arbeitslager bis der Einsatz/Schaden abgezahlt ist, dann ab in den Busch“.
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Soweit der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren eingewendet hat, die Beiträge auf seinem Facebook-Profil seien nicht öffentlich einsehbar gewesen, wurde dies vom Verwaltungsgericht überzeugend widerlegt. Der Senat macht sich die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen (UA S. 19). Auch der im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Behauptung des Beklagten, sein Sohn oder seine Ehefrau hätten die inkriminierten Beiträge verfasst, folgt der Senat nicht. Unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht erhobenen Beweise (§ 65 Abs. 4 BDG), namentlich der Zeugenvernehmungen des Sohnes des Beklagten und der Ehefrau des Beklagten, geht der Senat davon aus, dass der Beklagte die Beiträge selbst verfasst hat. Mit dem Verwaltungsgericht (UA S. 20) ist auch der Senat davon überzeugt, dass die Äußerung des Sohnes des Beklagten, er habe die Beiträge nicht verfasst, glaubhaft ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb er unter dem Account seines Vater Beiträge veröffentlicht haben sollte, obwohl er auf Facebook über einen eigenen Account verfügte. Dagegen ist die Behauptung der Ehefrau des Beklagten, sie habe die Beiträge verfasst, nicht glaubwürdig. Sie konnte auf entsprechende Nachfragen des Verwaltungsgerichts weder nähere Angaben zum Erscheinungsbild des Accounts des Beklagten machen, noch den Inhalt der inkriminierten Beiträge - auch nicht in groben Zügen - wiedergeben. Sie hat sich insofern auch nicht plausibel auf Erinnerungslücken berufen, sondern behauptet, sie „habe halt das Übliche reingeschrieben, was so kommentiert wird“. Der Senat geht nach eigener Würdigung der Zeugenaussage mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Ehefrau des Beklagten die Urheberschaft der Beiträge auf sich genommen hat, um den Beklagten vor den disziplinarrechtlichen Folgen zu bewahren.