Und die erste sonnenstaatländische Rezension ist auch schon eingetroffen:
"Die grellsten Erfindungen sind Zitate" (Karl Kraus)
Es schien durchaus passend, dass eines der kleinsten Theater in Halle an der Saale ein Stück über den kleinsten König Deutschlands auf die Bühne brachte. Gänzlich unerwartet war jedoch der von der BILD-Zeitung inszenierte Vorfall, der bei der Vorpremiere geschah: Denn ein seit Jahren notorisch Fitzek-affiner Redakteur hatte seiner Majestät hinterbracht, dass seine Emanationen auf die Bühne gestellt werden sollten.
Und so tauchte zur allgemeinen Überraschung seine Fitzeligkeit höchstpersönlich in Begleitung der Staatsflotte im Theater auf. Mit einer royalen Verspätung, die souveränen Fürsten wohl gebührt. Hocherfreut rieb sich die Hofberichterstattung der BILD-Zeitung die Hände während den Theaterleuten ein gewisser Schock in die Glieder fuhr.
Fitzek sonnte sich aber nur kurz in der Rolle des jovialen Kunstliebhabers, der großmütig lobte wie wortgetreu seine Verfassung zitiert wurde. In der nicht von der Hand zu weisenden Befürchtung, dass Fitzek nun ihre Bühne zu der seinen machen würde, hatte eine Frau von dem Theater eine großartige Idee: Sie baute sich vor Fitzek auf und fragte ihn nach seinem Visum für ihr Königreich. Denn das hatte Fitzek ob seines späten Eintreffens nicht!
Ups... als der nachlässige Souverän dann ein paar der preiswerten Karten für die Vorpremiere bezahlen wollte, musste ihm beschieden werden, dass der Nacheinlass zu diesem Stück gemäß Aushang ausdrücklich untersagt worden sei. "Na, wenn das so ist," murmelte seine Majestät, nahm seine Flotte an den Arm und verließ das Etablissement zur allgemeinen Erleichterung.
Die BILD-Zeitung aber hatte ihren Aufmacher, eine DPA-Meldung lief über den Ticker und die Medien der gesamten Republik begannen mit der Berichterstattung. Während die Leute von dem netten aber wirklich überschaubaren Theater begannen sich zu wundern. Die ganze Republik schien ihre Augen auf den Kaulenberg zu richten. Selbst in bayrischen Medien standen die Nachrichten über die Aufführung der "Volksbühne am Kaulenberg" prominent neben der neusten Rezension der "Münchener Kammerspiele".
Premiere
Am Premierenabend drängten sich viele Besucher in den verwinkelten Eingang des Theaters. Die Presse gab sich ein Stelldichein und es wurden immer nur drei Personen nacheinander eingelassen, die dann ein Visum für das Königreich auszufüllen hatten. Ein Ausweis mit Lichtbild war Pflicht und alle Handys wurden ausgeschaltet in Briefumschläge gesiegelt und mit einem KRD-Logo gestempelt.
Es gab eine kurze Einführung und dann konnte man durch mehrere Räume streifen in denen viele KRD-Materialien inkl. der Verfassung, den Schöpfungsgesetzen, Urteilen etc. sowie Veröffentlichungen über das KRD und allgemeine Reichsbürger-Literatur ausgestellt waren. Häufig segelten Papierflieger durch die Luft, die dann zu Kurzauftritten führten bei denen ausgewählte Chat-Verläufe der Pudel des Königreichs verlesen wurden. Die Spiegel-TV-Doku über das Königreich lief in Dauerschleife und ein PC ermöglichte den direkten Zugriff auf koenigreich-deutschland.org.
Langsam füllten sich die Räume bis plötzlich heraldische Klänge ertönten. "Kommen sie mit! Mitkommen!" wurde gerufen. Und zu klassischer Musik zog das Publikum in die fein ausgestaltete Krönungshalle ein. Der Tisch, die Insignien des Königreichs, Schwert, Zepter und Reichsapfel - alles war da (und nur äußerst Feinsinnige hätten bemängeln können, dass Fitzeks Polyester-Hermelin farblich nicht ganz getroffen wurde).
Die Rückwand der Bühne war eine Leinwand auf der Teile des Videos der Krönung zu sehen waren; kongenial mit den davor drapierten Devotionalien verwoben. Und nachdem der von einer Frau gespielte Fitzek und seine Mitstreiter die Frage über Krönung oder Nichtkrönung sowie die nicht unwesentliche Frage wer überhaupt nichtgekrönt werden sollte in Fitzekscher Logik geklärt hatten (also er!), mussten sieben Souveräne aus dem Publikum auf die Bühne.
Eine herrliches Nachspiel zu den originalen Klängen mit den originalen Texten, das einem wieder einmal vor Augen führte, wie absurd und abstrus diese Aufführung einer Reichsgründung war. Das Publikum mühte sich um Ernsthaftigkeit, brach aber immer wieder in Gelächter aus bis dann wieder Zitate kamen bei denen einem der Atem stockte.
Nach dem Auszug der Souveräne folgte der Auszug des Publikum-Volks in den großen Innenhof. Dort wurde feierlich die Gründung des Königreichs verkündet sowie ein paar amüsante sowie einige erschreckende Teile der Verfassung verlesen (unter zuerst überraschender Auslassung von Fitzeks Ermächtigungsparagraphen §92). Große Fahnen wurde entrollt und gehisst. Und dann wurde die Nationalhymne des KRD mit dem schrägen Text von dem NDP-Liedermacher Frank Rennike angemessen schräg intoniert. Und nachdem das letzte "Deutschland, Deutschland über alles!" verklungen war, gab es eine frostige Stille ohne Applaus.
Worauf das Publikum in zwei Hälften geteilt wurde und die erste Hälfte an ein großes Lagerfeuer im Hof gruppiert wurde. "Setzt euch, setzt euch doch", "Wollt ihr Marshmallows?", "Hat jemand eine Gitarre?". Die strengen Züge der vormaligen Fitzek-Darstellerin wandelten sich in ein gewinnend fröhliches Lächeln. Die zuvor frostige Atmosphäre löste sich in einer glückseligen Lagerfeuerromantik auf, die an die Abende nach einer Vision-wird-Tat-Veranstaltung erinnerte.
Eine begeisterte Anhängerin des KRD, die an Anne Heilstoff erinnerte, sang die altbekannten Lob- und Preislieder auf das Reich und seinen kongenialen Führer. Versatzstücke wie "Ich weiß endlich, dass ich jetzt auf dem richtigen Weg bin", "Hier werden richtige Strukturen geschaffen", "Was soll das eigentlich sein? Rechtsradikal?" und "Dies ist der Weg, um das System zu überwinden" gaben sich ein Stelldichein. Mit einer unverbrüchlichen Munterkeit und leckeren frisch gerösteten Marshmallows irgendwie vielleicht doch ein Argument?
Danach gab es keinen Bevölkerungs-, sondern einen Publikumsaustausch und der Teil vom gemütlichen Lagerfeuer schlug nun in dem Raum mit den schriftlichen KRD-Materialien auf deutllich härtere Realitäten. Ein unschwer als Richard Gantz zu identifizierender frustrierter Ex-Anhänger erzählte wie er sechsstellige Geldbeträge zum Teil als Spende und zum Teil als Anlage in das Königreich eingebracht hatte. Wie sein Geld entgegen allen Zusicherungen von Transparenz einfach verschwand. Wie Fitzek ihm später nur unter der Bedingung der Überlassung an die Reichsbank anboten hat, Beträge von weniger als eintausend Euro im Monat zurück zu zahlen.
Der dargestellte Ex-Anhänger nahm dann die zahlreichen Schriften von Fitzek zu Hilfe. Er wies anhand von Zitaten nach, dass das muntere gute-Laune-Königreich in Wirklichkeit die Basis für die auf eine Person ausgerichtete totalitäre Diktatur ist. Fitzek ist König, Autor der Verfassung, oberster Ankläger und Richter und Oberbefehlshaber. Während Fitzek seinerseits absolut niemand eine Rechnung schuldig ist. In die Schuld geraten vielmehr alle seine Anhänger.
PAUSE
Nun ging es (unter cleverer Ausnutzung der zahlreichen Räumlichkeiten) mit dem wiedervereinten Publikum zu einer KRD-Informationsveranstaltung. Allen Selbständigen wurde die KRD-Unternehmerschaft angedient. Steuerfrei und ohne Maskenpflicht. Für gesundheitliche Fragen gab es die Deutsche Heilfürsorge - mit natürlichen Heilmethoden und Neuer Germanischer Medizin. Denn: "Wer heilt, hat recht!"
Seminare zu dem Erwerb der Staatsbürgerschaft sowie der Online-Shop des Königreichs KaDaRi wurden feilgeboten. Das Eurosparbuch der Königlichen Reichsbank wurde angepriesen wie auch die E-Mark und der elektronische Zahlungsausgleich. Auch das bald stattfindende Seminar für Medialität wurde nicht vergessen.
An dieser Stelle muss man den Schauspielern attestieren, dass sie diese Rolle oft besser erfüllten als die KRD-Pudel, die bei so etwas nur allzu leicht ins Stocken geraten. Aber trotz dieser Professionalität und der manchmal ironischen Übertreibung war diese "Happy Hour" nicht weit von den KRD-typischen
Kaffeefahrten, äh Messen mit Verkaufsveranstaltung entfernt. Dann aber...
...ging es über eine nicht so ganz vertrauenserweckende Wendeltreppe in den ersten Stock in einen komplett schwarzen Raum auf dessen Boden Matten und Stühle standen. "Setzt euch," "Legt euch," "Macht es euch bequem." Das Hochamt des Königreichs stand an und begann, wie gewohnt, auch prompt mit:
"Beispielsweise..."Fitzek wurde nun in schwarzer Kluft von dem ältesten Schauspieler dargestellt und er begann einen langen Monolog, der seinen Dienst an der Menschheit pries; alle bestehende Strukturen verächtlich machte und den von ihm gewiesenen Weg als den einzig wahren und richtigen für die Zuhörer, für die Deutschen, ach, für die gesamte Menschheit beschrieb. Fitzek hatte "Beweise" für die auf ihn verübten Mordversuche der satanischen Familienclans. Ehrfürchtig bestaunt gingen Farbkopien von dem Steinschlagloch an seinem Wagen durch die Reihen. Fitzek sprach und sprach und redete und salbaderte. Sein nicht enden wollender Singsang und die Ellipsen der Argumentationen wurden gut getroffen. So wie auch der abgedunkelte Raum in dem nur die Lichtgestalt Fitzek leuchtete, seine ganz eigene Wirkung tat.
Erst als das Publikum schon begann in das Delirium der Überwältigung zu dämmern, rief plötzlich ein wütender Richard Gantz wo denn sein Geld geblieben sei und wann er es wieder bekäme. Was Fitzek zuerst kühl und dann höhnisch lächelnd konterte. Der Richard sei doch nur selbst daran schuld, dass er sein Geld nicht wieder erhalten habe. Wie der kleine Wicht sich erdreisten könne, die Sphären seines Dienstes an der Menschheit zu stören.
Richard schrie in seiner Wut während Fitzek äußerlich völlig ruhig blieb und dann die Anweisung gab, die Türen zu schließen. Der Zugang zu dem einzig sichtbaren Ausweg, der Wendeltreppe, wurde klappernd versperrt. Manchen wurde jetzt sichtlich unbehaglich während Wissende sich freuten, dass nun auch Fitzeks "Aufbau stabiler Gemeinschaften" in das Stück integriert wurde.
Fitzek wollte dann gleich "gemäß seiner Verfassung" eine öffentliche Gerichtsverhandlung gegen den Störenfried durchführen. Was nach Protesten und Streit aber darin mündete, dass Gantz telefonisch die Polizei und die Feuerwehr um Hilfe bat. "Ich bin hier eingesperrt!"
"Was willst du denn," entgegnete Fitzek, "Die Tür ist offen. Die Tür ist doch offen. Ihr könnt gehen. Ihr könnt alle gehen."
So wurde das Publikum die Treppe herab in den Hof gescheucht. Wo sich die drei Protagonisten unter der Fahne des Königreichs wieder fanden. "Moment! Eine Nachricht" rief die wohl wieder zu Fitzek gewandelte Schauspielerin laut. Und verlas dann den amtlichen Beschluss zur sofortigen Räumung von Apollensdorf. Gefolgt von einer Menge jäher Stille und betretenem Schweigen.
"Was machen wir dann?" fragte einer unschlüssig. "Ich könnte die Fahne einholen," meinte einer und ging zum Mast. "Ich geh' nach Bärwalde," sagte Anne Heilstoff freudig. "Dann geh' ich nach Wolfsgrün. Seminare machen und so." "Ich glaub', ich geh' nach Lychen."
Das Licht erlosch... und der danach einsetzende Applaus fand kaum ein
ENDE