Autor Thema: Licht und Schatten in Wittenberg  (Gelesen 4481 mal)

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Offline BlueOcean

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Licht und Schatten in Wittenberg
« am: 16. August 2014, 13:07:19 »
Die Ehre Wittenbergs sich als Lutherstadt bezeichnen zu können hat auch so ihre Schattenseiten. Denn das evangelische Mekka des Ostens scheint unweigerlich Personen anzuziehen, die zwischen Protestantismus und Protest nicht unterscheiden können. Da tauchen alle paar Monate Gestalten oder Gruppen auf und ab, die sich berufen sehen die Welt mit ihren schon vorab vernagelten Thesen zu beglücken.
Kenner der Szene schätzen, dass es neben "Seiner Souveränität" in Wittenberg und dem Umland konstant an die zwanzig weitere, teils sehr fragwürdige Personen und Vereinigungen gibt, die zu ihrem eigenen Ärger viel erfolgloser als das KRD um Aufmerksamkeit und Wahrnehmung buhlen. Wobei die Einwohner wie wohl auch die Behörden über die Jahre gelernt haben, dass ein mildes Lächeln in den meisten Fällen die erfolgreichste Strategie ist, nervtötende Belästigungen und größere Probleme zu vermeiden.
Denn viele der "Spinner" sind zwar arg verschroben und unbelehrbar aber andererseits weitgehend harmlos, solange sie ihrem jeweiligen Wahn frönen können. Nur bei Widerspruch oder auch so empfundenen behördlichen Akten sind manche schnell gereizt und können im Einzelfall schwer kalkulierbar reagieren weswegen eine gewisse Vorsicht im Umgang mit solch einer Klientel allgemein verbreitet ist.
Dieser Umgang hat sich schon seit Jahren bewährt, weil sich die meisten Ideen mangels Sinn, Zuspruch und Aufmerksamkeit einfach von selbst totlaufen und dann ohne weiteres Aufheben wieder von der Bildfläche verschwinden. Und seitens der Behörden ist davon auszugehen, dass man meist wahrlich wichtigeres zu tun hat als sich zeit- und energieraubend mit Querulanten und Quartalsgestörten zu beschäftigen.

Alle Jahre wächst aber dann wieder doch eine wahrnehmbare Sumpfblüte aus dem Morast der Dummheit und erlangt ab einem gewissen Bekanntheitsgrad und je nach Intention die kritische Masse, die es erforderlich macht von der sonst üblichen und durchaus wirksamen Strategie der mild lächelnden Ignoranz abzuweichen.
Da gab es schon vor Jahren den Krebs-Wunderheiler Karl Pilsl, der erst erfolgreich aus dem Verkehr gezogen werden konnte, als einige seiner Gläubiger auf ihn aufmerksam wurden. Danach ein paar eher religiös auffällige Gestalten, die sich aber weitgehend selbst erledigt haben. Und dann die sehr gefährliche Gestalt Matthias Rath, der Krebs und AIDS (sowie jetzt aktuell angeblich auch noch Ebola!) mit Vitaminen "heilt"; bis zum mehrfachen Exitus. :(
Ganz großer Auftritt in Wittenberg mit Niederlassungen, Stiftung, Akademie (letztere ist dort wohl noch immer aktiv!), Massenveranstaltungen etc. Es wurde immer wieder berichtet, dass Fitzek sich damals schon in dem Umfeld bewegt hat und sich vieles von Rath abgeschaut und abgekupfert hat, was durchaus wahrscheinlich ist. Denn auch vermeintliche Halbgötter erben voneinander gern die Eigenschaften und die Gläubigen.

Das jetzige Problem Wittenbergs mit Herrn Fitzek ist vermutlich auch, dass er einerseits nicht so gefährlich ist wie die vermeintlichen Wunderheiler und sich andererseits vorrangig mit Bundesbehörden wie der BaFin anlegt, was dann überhaupt nicht in den Kompetenzbereich der Stadt Wittenberg fällt. Und staatliche Großeinsätze wegen eher lapidarer Petitessen wie Fassadenwerbung etc. könnten doch leicht "nach hinten losgehen".
Ein für die lokalen Behörden sehr abschreckendes Beispiel war bestimmt das Verfahren um die Kfz-Kennzeichen. Da hat Fitzek zuerst öffentlich vor laufender Kamera die Polizei blamiert. Und als der Landkreis als Reaktion darauf dagegen vorgegangen ist, kam das Gericht letztlich zu der von Fitzek weidlich ausgeschlachteten Feststellung, dass die Kennzeichen nicht verwechselungsfähig gewesen seien. Für die sonst fällige Ordnungswidrigkeit oder andere Maßnahmen war es dann zu spät und die Behörden standen in der öffentlichen Wahrnehmung als nunmehr doppelt begossene Pudel und Lachnummer im Regen. Was den Eifer sich mit Herrn Fitzek anzulegen sicher nicht gefördert hat.

Aber aktuell sieht es gottlob wohl doch eher danach aus, als ob dem Minisouverän sein Mikrokönigreich unter den Fingernägeln zusammen schrumpelt.
"Teurer als die bittere Wahrheit ist uns der erhabene Wahn." (Alexander Puschkin)
 
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Re: Licht und Schatten in Wittenberg
« Antwort #1 am: 17. August 2014, 23:42:17 »
Und dann die sehr gefährliche Gestalt Matthias Rath, der Krebs und AIDS (sowie jetzt aktuell angeblich auch noch Ebola!) mit Vitaminen "heilt"; bis zum mehrfachen Exitus. :(
Ganz großer Auftritt in Wittenberg mit Niederlassungen, Stiftung, Akademie (letztere ist dort wohl noch immer aktiv!), Massenveranstaltungen etc. Es wurde immer wieder berichtet, dass Fitzek sich damals schon in dem Umfeld bewegt hat und sich vieles von Rath abgeschaut und abgekupfert hat, was durchaus wahrscheinlich ist. Denn auch vermeintliche Halbgötter erben voneinander gern die Eigenschaften und die Gläubigen.

Dr. Rath http://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Rath hat seit Jahren keine so sehr große Lust mehr an der Kleinstadt. Das hat damit zu tun, dass er von Anfang an ernst genommen wurde: Dr. Rath spielt Champions League, Herr Fitzek vielleicht Landesliga, da aber auf den Abstiegsplätzen.

Seine Gesundheitsakademie http://www.dr-rath-akademie-wittenberg.de existiert formal noch, möglicherweise werden dort seine Verkäufer geschult, der Verkauf der Vitaminpräparate funktioniert nach dem MLM-Modell. Die Gesundheitsakademie befindet sich in der Alten Cancley direkt am Schlossplatz: http://www.alte-canzley.com/de/history . Das von der Schwester  geführte Bio-Restaurant genießt einen guten Ruf. Christa Rath ist inzwischen zudem Kreischefin der DEHOGA. Selbst Wittenbergern ist weniger bekannt, dass sie im Ortsteil Reinsdorf zudem eine Naturheilpraxis betreibt: http://www.naturheilpraxis-christa-rath.de

Was hat das alles mit Herrn Fitzek zu tun?
Als Dr. Rath in Wittenberg seine großen Auftritte hatte, waren das durchorganisierte Shows, die absolut professionell waren. Ein Fernsehsender könnte das nicht besser. Direkt danach versuchte sich auch Herr Fitzek an solchen Shows. Allerdings war das eher stümperhaft: In dem Saal für 170 Personen verloren sich 30 Menschen. Ähnlich Dr. Rath erklärte er, dass wir alle vergiftet würden. Man müsse destilliertes Wasser trinken. Man müsse, damals hing er Jan van Helsing an, ziemlich üble rechte Ecke. Die Juden. Sind Schuld. So in dieser Art war das.

Das Spiel mit dem Wohnsitz hat Herr Fitzek vielleicht auch von Dr. Rath gelernt:
Die deutsche Justiz der eher oberen Ebene hätte Dr. Rath das eine oder andere gern zugestellt. Das ging nicht, da der Herr keinen Wohnsitz in Deutschland hat und zudem eher selten und nur kurz einreiste.

Zum Beitrag meines Vorredners:
Eine sehr gute Beschreibung. Es fehlt: Wittenberg ist Pilgerziel von Konfirmanden. Die meisten sind sehr lieb, manche üben sich in Demokratie und halten Brandreden vor dem Lutherdenkmal. Andere fallen negativ auf: Kaum sind die Fassaden gesäubert, werden Thesen geklebt. Oder Farbbeutel auf die Thesentür, das Lutherdenkmal oder das Rathaus geworfen.

Dann kommt die Stadtreinigung. Und putzt alles wieder sauber. Ein Tag wie jeder andere in der Kleinstadt mit den vielen Thesenträgern.
 
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