Oder die "castle doctrine" und "stand your ground"-Gesetze. Sie erlauben, über Notwehr hinaus, tätig zu werden. Man hat also das Recht (nicht in allen Bundesstatten) bei vermuteter Gefahr fürs eigene Leben, und teils auch zur Verteidigung des Besitzes, tödliche Gewalt anzuwenden.
Aber „Stand Your Ground“ ist doch nicht anderes als der in Deutschland geltende Grundsatz „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“? Der Verteidiger muß also nicht zunächst fliehen, um sich dann erst zu verteidigen, wenn gar keine andere Möglichkeit mehr besteht, nachdem er vom Angreifer in die Ecke gedrängt wurde (wie es in Bundesstaaten ist, die Stand Your Ground nicht anerkennen, sondern er darf einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff sofort begegnen. Das ist also nichts besonderes. Das mit dem „vermuteten“ Angriff betrifft auch nicht alle Bundesstaaten, kann man also so generell auch nicht sagen.
Zur Sache: Besser als die Meinungsforscher zu befragen, ist es in einer Demokratie, die Wähler selbst zu befragen:
KANSAS STIMMT FÜR ABTREIBUNGEN
Die Mär von der schweigenden Mehrheit
EIN KOMMENTAR VON ANDREAS ROSS-AKTUALISIERT AM 03.08.2022-13:04
Ausgerechnet Kansas! Die Republikanische Partei erfährt auf die harte Tour, dass ihr Kulturkampf große Teile der eigenen Wählerschaft abschreckt. Warum die Partei vorerst dennoch auf Kurs bleiben dürfte.
Viele Politiker der Republikanischen Partei dürften zutiefst erschrocken darüber sein, dass die Wähler im verlässlich konservativen Bundesstaat Kansas nun mit so deutlicher Mehrheit das weitgehende Recht auf Abtreibung in ihrem Staat verteidigt haben. Überrascht dürften sie allerdings nicht sein. Denn das Ergebnis der Volksabstimmung spiegelt recht exakt wider, was Meinungsforscher seit vielen Jahren wieder und wieder festgestellt haben: Es gibt in der Bevölkerung der Vereinigten Staaten keine Mehrheit für Abtreibungsverbote der Art, wie viele republikanische Politiker sie seit langer Zeit lauthals fordern.
Anders als ein Referendum geben gute Meinungsumfragen auch Hinweise auf die Beweggründe. Bisher deuten die Befunde der Demoskopen nicht darauf hin, dass sich allzu viele Anhänger der Republikaner für ein noch liberaleres Abtreibungsrecht starkmachen wollten. Es gibt aber auch in der konservativen Hälfte Amerikas viele Bürger, die am Status quo nicht rütteln wollten. In Kansas bedeutet das nun, dass ein höchstrichterliches Urteil Bestand hat, wonach die in der Verfassung des Staates festgelegten Grundrechte ein Recht auf Abtreibung umfassen.
Spoiler
Eine Insel im Mittleren Westen
Ausgerechnet dieser Staat im sogenannten Bibelgürtel mit einer großen evangelikalen Gemeinde und einem von Abtreibungsgegnern gefeierten katholischen Erzbischof, mit erdrückenden Republikaner-Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments und einem 15-Prozentpunkte-Vorsprung von Donald Trump vor Joe Biden bei der Wahl 2020 bildet nun eine Art Insel im Mittleren Westen. Frauen aus Nachbarstaaten wie Oklahoma oder Nebraska werden nicht bis in einen linksliberalen Küstenstaat reisen müssen, um eine Schwangerschaft abzubrechen.
Der Fall Kansas hat viele Besonderheiten: Die sehr weitgehende Interpretation der Verfassung durch das Oberste Gericht des Staates führte dazu, dass nur ein Verfassungszusatz dem Parlament eine substanzielle Einschränkung des Abtreibungsrechts ermöglichen würde. Die vorgeschlagene Formulierung der Abtreibungsgegner war sehr kompliziert, damit werden sich konservative Wortführer herausreden, um über die Niederlage hinwegzugehen. Doch in der Republikanischen Partei muss die Erkenntnis reifen, dass ihr Kulturkampf zwar viele Amerikaner mobilisiert, dass er aber auch viele Wähler verschreckt, die eigentlich offen sind für die republikanische Weltsicht.
Das anzuerkennen, würde den meisten der tonangebenden Republikanern allerdings eine Kehrtwende abverlangen, die angesichts der apodiktischen Argumentation der Lebensschützer schwer vorstellbar ist. Der Druck dafür dürfte vorerst nicht groß genug sein. Denn ein weiteres Referendum mit unmittelbaren Rechtsfolgen wie in Kansas „droht“ den Republikanern derzeit nicht, und bei allgemeinen Wahlen war Abtreibung bisher für kaum einen Amerikaner im rechten Lager entscheidend. Zwar könnte sich das ändern, nachdem das Oberste Gericht das bundesweite Recht auf Abtreibung gekippt und die Regelung somit den fünfzig Bundesstaaten überlassen hat. In Zeiten von Inflation und Kriegssorgen dürfte das aber ein überschaubares Phänomen sein.
Das Abtreibungsrecht in den (dem Namen nach) Vereinigten Staaten dürfte vielmehr auf lange Sicht uneinheitlich, verwirrend und volatil bleiben. Eine Verständigung auf eine einheitliche bundesgesetzliche Regelung wäre nur denkbar, wenn beide Parteien ideologisch abrüsteten. Doch dazu müsste ausgerechnet die Republikanische Partei, die sich in wesentlichen Teilen stolz zum Populismus bekennt, eine Fehleinschätzung zugeben: Sie spricht nicht für eine „schweigende Mehrheit“, sondern sie singt seit Jahrzehnten das Lied einer lärmenden Minderheit.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kansas-mehrheit-fuer-abtreibungsrecht-entlarvt-die-republikaner-18218440.html(Endlich mal ein Medium, das auf die vom USSC festgestellte Wahlmöglichkeit der Bundesstaaten in diesem Zusammenhang hinweist.)