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Es war Bennie Thompson, der Vorsitzende des Ausschusses, der Trumps Amtseid als Erster erwähnte und damit das Thema setzte. "Der Ausschuss hat die Geschichte eines Präsidenten erzählt, der alles in seiner Macht tat, um eine Wahl umzustoßen", sagte Thompson, der sich wegen einer Covid-Erkrankung per Videokonferenz zuschalten musste. "Er hat gelogen, er hat eingeschüchtert, er hat seinen Amtseid verraten."
Der Ausschuss appelliert an das Pflichtgefühl der Amerikaner
Auf den Eid kamen auch Elaine Luria und Adam Kinzinger rasch zu sprechen: Den Eid, das Land, die Verfassung und die Gesetze gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Es war kein Zufall, dass gerade diese beiden Abgeordneten am Donnerstagabend durch die Befragung führten. Die Demokratin Luria hat 20 Jahre lang in der amerikanischen Marine gedient, der Republikaner Adam Kinzinger in der Luftwaffe und der Nationalgarde. Am 6. Januar sei die Demokratie nur gerettet worden dank Hunderten von Polizisten und Soldaten, die ihren Eid hochgehalten hätten, sagte Kinzinger.
Es war ein weiterer Versuch des Ausschusses, den Graben zu überbrücken, der sich zwischen Republikanern und Demokraten in dieser gespaltenen Gesellschaft aufgetan hat. Stundenlang hat er bereits Zeuginnen und Zeugen befragt und nachgezeichnet, wie Donald Trump auf mehrere Arten versuchte, die Präsidentschaftswahl vom 3. November 2020 zu kippen und sich an der Macht zu halten. Bei der republikanischen Basis ist davon bisher kaum etwas angekommen. Im achten Hearing konzentrierte sich der Ausschuss nun darauf, an das Pflichtgefühl der Amerikanerinnen und Amerikaner zu appellieren, besonders an die Angehörigen der Sicherheitskräfte, im Kalkül, so die parteipolitische Abwehrhaltung zu durchbrechen.
Erneut ließ der Ausschuss in erster Linie Republikanerinnen und Republikaner gegen Donald Trump aussagen. Diesmal saßen Sarah Matthews und Matthew Pottinger im Saal, eine frühere Pressesprecherin und der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater. Beide beschrieben sich als beinharte Republikaner, die selbst die umstrittensten politischen Entscheidungen der Trump-Regierung verteidigten. Doch am 6. Januar reichten beide ihre Kündigung ein. Für beide war der Auslöser ein Tweet Trumps gegen Vizepräsident Mike Pence an jenem Nachmittag, zu einem Zeitpunkt, an dem seine bewaffneten Anhänger bereits im Kapitol marodierten und "Hängt Mike Pence" skandierten.
Selbst die eindringlichen Bitten seiner Kinder ignorierte Trump
Minute um Minute zeichnete der Ausschuss nach, wie Donald Trump an jenem Nachmittag im Esszimmer des Weißen Hauses saß, an seinem üblichen Platz am Kopfende des Tisches mit Blick auf einen großen Fernseher an der gegenüberliegenden Wand, dieselbe Wand, an die Trump schon im Dezember seinen Teller voller Ketchup geworfen hatte, als Justizminister William Barr festgehalten hatte, es habe keine Wahlfälschung im großen Stil stattgefunden.
Den ganzen Nachmittag über lief auf dem Fernseher in Trumps Esszimmer Fox News, sein Lieblingssender, wie Elaine Luria trocken bemerkte. Doch selbst als die Reporter des rechten Fernsehsenders in helle Aufregung gerieten über die Gewalt im und um das Kapitol, reagierte Trump nicht darauf. "Niemand konnte ihn dazu bringen, etwas zu unternehmen, weder seine Mitarbeiter noch seine Verbündeten noch die Parolen der Gewalt der Demonstranten noch die verzweifelten Anflehungen jener, die den Aufruhr stoppen mussten", sagte Bennie Thompson. Selbst eindringlichen Bitten seiner eigenen Kinder, vor allem Ivanka und Donald Trump Junior, ignorierte Trump.
Um 13.10 Uhr hatte der Präsident seine Rede vor dem Weißen Haus beendet und seine Anhänger zum Kapitol geschickt; erst um 16.17 Uhr schließlich veröffentlichte er seine Videobotschaft, sie sollten nach Hause gehen. In der Zwischenzeit tat er nichts, um die Gewalt zu stoppen. Dafür telefonierte er zweimal mit Rudy Giuliani, seinem Kampagnenanwalt und Putschgehilfen, und versuchte mehrere republikanische Senatoren dazu zu überreden, die Zertifizierung des Wahlresultats im Kapitol zu verhindern.
Neue Erkenntnisse hatte der Ausschuss am Donnerstag kaum zu bieten. Den Mangel kompensierte er mit zahlreichen eindrücklichen Einspielungen und humorvollen Einlässen. Aufschlussreich waren etwa die Rohdaten der Videoaufnahmen von Donald Trumps Ansprachen am 6. und 7. Januar. Noch am 7. Januar, am Tag nach der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols, verweigerte Trump die Formulierung, dass die Wahl nun entschieden sei. "Das will ich nicht sagen", bemerkt er auf einer der Aufnahmen, während seine Tochter Ivanka aus dem Hintergrund mit sanfter Stimme versucht, ihn dazu zu bewegen, das eigentlich Richtige zu tun.
Die letzte Anhörung sollte Bekanntes noch einmal zusammenfassen
Großes Kino bot der Ausschuss auch mit einer Montage über den Trump-treuen Senator Josh Hawley: Mit im Triumph erhobener Faust feuerte er zuerst die Demonstranten an - um später vor denselben Demonstranten im Inneren des Kapitols eilig davonzurennen, wie auf Bildern einer Überwachungskamera deutlich zu erkennen ist.
Die achte und vorerst letzte Anhörung war nicht dazu bestimmt, Neuigkeiten zu liefern. Sie sollte zusammenfassen, wiederholen und eintrichtern, was eigentlich längst hinlänglich bekannt sein sollte: Trump rief seine Anhänger nach Washington im Wissen darum, dass sie kampfbereit und mit Waffen auftauchen würden. Bewusst schickte er sie zum Kapitol, um den gesetzlichen Wahlprozess zu stören, Zeit zu gewinnen und sich an der Macht zu halten, obwohl er die Wahl verloren hatte.
Inzwischen scheinen auch die Republikaner zu befürchten, dass ihnen die Anhörungen doch schaden könnten. Eine ganze Reihe ihrer Senatoren hat zusammen mit Demokraten eine Reform erarbeitet, die das unklar formulierte Gesetz zur Zertifizierung des Wahlresultats auf Bundesebene verbessern soll. Ob die Reform die Unterstützung von vielen Republikanern erhält, ist allerdings offen.
Der Ausschuss jedenfalls will sich nicht damit begnügen. Als Bennie Thompson die Anhörung schließlich am späten Donnerstagabend schloss, bestätigte er, dass es sich doch noch nicht um die letzte gehandelt hat. Der Ausschuss erhalte täglich weitere Informationen, sagte er, im September gingen die Hearings darum weiter. Das dürfte auch dann gelten, falls kaum neue Details ans Licht kommen: Repetition is the Mother of Learning.
Das wäre ja beinahe so, als ob ein Brandstifter riefe: „Haltet den Brandstifter!“