Autor Thema: AG Weimar, 6 OWi - 523 Js 202518/20+BayVGH M 13 S 21.337  (Gelesen 4180 mal)

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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #15 am: 23. Januar 2021, 13:45:26 »
Zumal Gerichte bzw. die Rechtssprechung sich gern wandelt. In meinen Augen ist sie mitunter sogar mehr am Puls der Zeit als der Gesetzgeber. Allerdings kann es auch nerven, wenn die Maßstäbe sich verschieben und man auf einmal mit der Ungültigkeit ganzer Satzungssammlungen kämpfen darf (Auslegung des Zitiergebotes bei kommunalen Gebührensatzungen in SH). Zum Glück gilt auch da: Zunächst bekommt nur der Recht, der geklagt hat, alle anderen Bescheide sind rechtskräftig...

Wenn man mehr liest als die ersten paar Zeilen und sich die üblichen Jura-Zauberformeln wegdenkt, bleibt eine ziemlich sachliche Grundlage des Urteils übrig: Die seinerzeit angewendete Rechtsgrundlage lässt umfangreiche und lang andauernde Kontaktverbote für alle nicht zu.

Zitat
§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020 lauten:

(Satz 1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

(Satz 2) Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen."

Was ist ein Ansteckungsverdächtiger? Die drei anderen könnte man medizinisch definieren (über Test und/oder Sympthome). Darüber hinaus wird nicht definiert, dass ein Ansteckungsverdächtiger selbst beweisen muss, dass er nicht ansteckend ist. In dem Fall (in dubio pro reo) gilt, dass die Behörde in meinen Augen diesen Ansteckungsverdacht belegen oder die Annahme desselben glaubhaft darlegen muss. Gibt es eine Quarantäneanordnung wegen Kontaktperson 1./2. Grades ist die Annahme in meinen Juralaienaugen glaubhaft dargelegt. Bei "random people" eher nicht.

Soweit und solange: Wenn es nun schon keine Glaubhaftmachung einer INfektion oder gar einer Weiterverbreitung der Krankheit durch die Personen gibt, dann kann anhand des Gesetzestextes auch nicht begründet werden, warum Kontaktverbote die Ausbreitung verhindern. Allenfalls zum Eigenschutz der Personen, aber das wäre nun wirklich grundrechtlicher Overkill und so im Text auch nicht vorgesehen. Der Gesetzestext geht richtigerweise von einer Grundrechtsbeschneidung zum Wohle der Allgemeinheit bei Personen aus, die infektiös sind. Darin spiegelt sich auch wider, dass man bisher die Ausbruchsherde relativ schnell und begrenzt erkennen und eindämmen konnte. Das Gesetz in seiner alten Fassung ist daher Resultat einer bis dahin relativ wirkungsvollen Epidemie-Bekämpfung, weil man davon ausging, dass Herde schnell erkannt und mit wenig Einschränkungen für die Allgemeinheit isoliert werden könnten. Corona mit seiner globalen Ausbreitung und seinem Eintrag nach Deutschland über mehrere Achsen hat diese Gewissheit zerstört. Ich nenne nur mal als Beispiel den "Ausbruch" durch die Mitarbeiter einer süddeutschen Firma vor fast genau einem Jahr, die in Wuhan waren. Hier war der Kreis bekannt, die Kontakte konnten schnell ermittelt werden, die Leute wurden isoliert, alles schick. Dann kam Ischgl und dort haben die Fäkalien den Ventilator getroffen...
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #16 am: 23. Januar 2021, 16:01:14 »
...
Wenn man mehr liest als die ersten paar Zeilen und sich die üblichen Jura-Zauberformeln wegdenkt, bleibt eine ziemlich sachliche Grundlage des Urteils übrig: Die seinerzeit angewendete Rechtsgrundlage lässt umfangreiche und lang andauernde Kontaktverbote für alle nicht zu.

...

Die alte Fassung des IfSG ging offenbar nicht von einer exponentiell verlaufenden Pandemie, sondern von einem mäßigen Infektionsgeschehen aus, bei dem man die gesundheitlichen Beeinträchtigungen einzelnen Individuen zuordnen kann. Folglich war der § 28 IfSG nicht eindeutig und überzeugend formuliert. Die Frage, ob man unter "ansteckungsverdächtig" ganze Bevölkerungen subsummieren kann, hätte in Anbetracht der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Übertragungswegen der Pandemie bereits im Frühjahr einer Antwort des Gesetzgebers bedurft.

Wobei sich die Frage stellt, ob der Gesetzgeber mit der Formulierung des § 28 Abs. 1 IfSG tatsächlich einen konkreten Zusammenhang zwischen den als "Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider" identifizierten Personen und denen, denen er die im weiteren Verlauf aufgezählten "notwendigen Schutzmaßnahmen" auferlegen läßt, herstellen wollte.

Denn der Rechtsfreund liest weiter: "... sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. ... Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt."

Da steht halt nichts davon, daß Veranstaltungen nur verboten werden sollen, wenn "Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider" daran teilnehmen wollen oder Badeanstalten erst dann geschlossen werden sollen, wenn "Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider" unmittelbar im Anmarsch sind ...

...
Was ist ein Ansteckungsverdächtiger?

...

Jemand, der in einer Situation war, in der er sich nach epidemiologischen Gesichtspunkten betrachtet anstecken konnte? Gäbe es Infektionen in einem Ferienlager, würde man demnach alle Teilnehmer unter Quarantäne stellen und nicht nur die Mibewohner von den betroffenen Bungalows.

...
Die drei anderen könnte kann man medizinisch definieren (über Test und/oder Sympthome).

...

...
Darüber hinaus wird nicht definiert, dass ein Ansteckungsverdächtiger selbst beweisen muss, dass er nicht ansteckend ist. In dem Fall (in dubio pro reo) gilt, dass die Behörde in meinen Augen diesen Ansteckungsverdacht belegen oder die Annahme desselben glaubhaft darlegen muss. Gibt es eine Quarantäneanordnung wegen Kontaktperson 1./2. Grades ist die Annahme in meinen Juralaienaugen glaubhaft dargelegt. Bei "random people" eher nicht.

...

Das ist eben der Punkt, an dem das Konzept des IfSG ausweislich der §§ 29 bis 31 IfSG nicht auf Covid 19 und womöglich auch nicht auf zukünftige Pandemien ähnlicher Art zu passen scheint. Man hätte erwarten dürfen, daß der Gesetzgeber die Pandemie zum Anlaß nähme, Mängel zu beseitigen. Warum man sich beim schon beim beginnenden Abklingen dieser Pandemie (wenn es keine bundesweite Ausbreitung, aber noch lokale "Glutnester" gäbe und von "nationaler Tragweite" nicht mehr die Rede sein könnte) oder spätestens bei der nächsten wieder in dieselbe Situation bringen will

Zitat
§ 28a IfSG

(1) Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere sein

...

ist mir ein Rätsel. Es bräuchten nur die im UK oder die in Südafrika beschriebenen Mutanten wissenschaftlich als "Covid 20" bezeichnet werden und schon hätte der Gesetzgeber in den 14 Monaten seit Beginn der Pandemie faktisch nichts auf die Reihe gebracht.

...
Allenfalls zum Eigenschutz der Personen, aber das wäre nun wirklich grundrechtlicher Overkill und so im Text auch nicht vorgesehen. Der Gesetzestext geht richtigerweise von einer Grundrechtsbeschneidung zum Wohle der Allgemeinheit bei Personen aus, die infektiös sind. Darin spiegelt sich auch wider, dass man bisher die Ausbruchsherde relativ schnell und begrenzt erkennen und eindämmen konnte.

...

Man hat es zumindest geglaubt. In Wirklichkeit dürfte sich das bisherige Virus dreist in der jüngeren Bevölkerung verbreitet haben, ohne die Gesundheitsämter bei seiner Entscheidung zu beteiligen.

...
Das Gesetz in seiner alten Fassung ist daher Resultat einer bis dahin relativ wirkungsvollen Epidemie-Bekämpfung,

...

Nein. Wobei sich die Frage nach dessen Entstehungsgeschichte nicht stellt. Tatsache ist, daß die Bundesrepublik mit ihrer Rechtsgrundlage ebenso wenig wie Schweden auf eine Erkrankung dieser Art vorbereitet war, obwohl sie das nach den Erfahrungen der Asiaten mit Sars 1 vermutlich hätte sein können. Nach dem, was die "allwissende Müllhalde" dazu schreibt, wären nach 2002 allgemeine Kontaktbeschränkungen kein fernliegendes Mittel zur Eindämmung einer Epidemie gewesen. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Schweres_akutes_Atemwegssyndrom

Man hätte nur § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG neu zu fassen gehabt, indem man das Tragen von PSA in die Aufzählung der Maßnahmen aufnimmt und den Kreis zu schließender Einrichtungen nicht mehr nur auf Badeanstalten beschränkt.

« Letzte Änderung: 23. Januar 2021, 16:08:35 von dtx »
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #17 am: 23. Januar 2021, 17:20:23 »
Man hat auch aus dem Planspiel 2018 (?) nicht die Konsequenzen gezogen. Einheitliche Software bei den Gesundheitsämtern und so....

Wobei der Richter gegen Ende dann schon eigenartig formuliert. Das ist nicht mehr entscheidungstragend, aber da ist die Kritik von @califix berechtigt.
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #18 am: 23. Januar 2021, 18:14:34 »
"Nicht entscheidungstragend" ist sehr freundlich formuliert, der Kritik von @califix würden sich wohl auch Leute innerhalb des Thüringer Justizbetriebs anschließen wollen, meine ich.

Inwieweit der Richter auch im Übrigen Quellen mißverstanden oder falsche Schlüsse gezogen, das Geschehen in Hotspots anderswo sowie wissenschaftliche Erkenntnisse außer Betracht gelassen hat, wäre eine andere Frage.

Schließlich ist zu bedenken, daß die Länder Thüringen und Sachsen in der ersten Welle (aus leicht nachvollziehbaren Gründen) insgesamt kaum Infektionen aus Ischgl importiert bekamen und weitestgehend abseits üblicher Geschäftsreiserouten lagen. Anhand des örtlichen Geschehens, also unter der Prämisse "erstmal die Belegung der Krankenhäuser anziehen und ein paar Leute sterben lassen, dann kann man immer noch schauen, wie man damit umgeht", ließen sich Pandemiemaßnahmen in Weimar nicht so recht nachvollziehen. In Jena vielleicht schon ...

@Sandmännchen

Zitat
Rz. 26

Soweit eingriffsintensive Maßnahmen, die an sich einer besonderen Regelung bedürften, unter Rückgriff auf Generalklauseln nur im Rahmen "unvorhergesehener Entwicklungen" zulässig sein sollen, ist diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt.

Bereits im Jahr 2013 lag dem Bundestag eine unter Mitarbeit des Robert Koch-Instituts erstellte Risikoanalyse zu einer Pandemie durch einen "Virus Modi-SARS" vor, in der ein Szenario mit 7,5 Millionen (!) Toten in Deutschland in einem Zeitraum von drei Jahren beschrieben und antiepidemische Maßnahmen in einer solchen Pandemie diskutiert wurden (Bundestagsdrucksache 17/12051).

Der Gesetzgeber hätte daher im Hinblick auf ein solches Ereignis, das zumindest für "bedingt wahrscheinlich" (Eintrittswahrscheinlichkeit Klasse C) gehalten wurde, die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes prüfen und ggf. anpassen können.


Es ist schon heftig, daß die Erstellung dieser Risikoanalyse etwa zehn Jahre gedauert hat. Wenn die Politik dann noch abwartet, bis sie "Gefahr im Verzug" schreien kann, muß man sich nicht wundern, wenn Argumente, die Pandemie und ihre Auswirkungen seien für sie unvorhersehbar gewesen, beim Leser die Hutschnur zum Bersten bringen. Dafür wäre man früher als Prozeßpartei an die Gerichtskasse verwiesen worden.

https://dejure.org/Drucksachen/Bundestag/Bundestagsdrucksache%2017/12051
(17. Wahlperiode, 03.01.2013 - nicht 2017!)
« Letzte Änderung: 23. Januar 2021, 18:17:41 von dtx »
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #19 am: 23. Januar 2021, 22:34:27 »
Zitat
Im 19-seitigen Urteil zerlegt Amtsrichter Matthias Guericke die im Frühjahr 2020 erlassene Thüringer Corona-Verordnung bis ins Detail.

Zitat
Oberstaatsanwalt: „Urteil schnell gerade rücken”

Nach der ersten Euphorie über das Thüringer Urteil kam am Freitag der große Ablöscher für alle, die den noch nicht rechtskräftigen Richterspruch bereits gefeiert hatten: Die Staatsanwaltschaft Erfurt will das Urteil offenbar aufheben und den Fall an einen anderen Richter übergeben. Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen sagte der Bild: „Das Urteil ist falsch, schlägt hohe Wellen und sollte schnell gerade gerückt werden. Denn es wirkt sich auch auf andere Fälle aus.” Unerträgliche Unterschiede in der Rechtssprechung müsse man verhindern, gerade weil die Kontaktbeschränkungen weiter gelten. Die Entscheidung, ob das Urteil gekippt wird, obliegt jetzt dem Oberlandesgericht Jena.

https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/sensationelles-corona-urteil-soll-rueckgaengig-gemacht-werden-2342173101.html


Zitat
Sicher nur Zufall, dass in Thüringen offenbar jemand mit dem Namen des Richters am Amtsgerichts [Matthias Guericke] vors OVG gezogen ist, um Abstandsregeln und Maskenpflicht in Thüringer Verordnung zu kippen.








Matthias Guericke: "Wenn mir ein Urteil nicht gefällt, schreibe ich halt mein eigenes." (Fake)
« Letzte Änderung: 23. Januar 2021, 22:52:52 von Schrohm Napoleon »
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #20 am: 23. Januar 2021, 23:40:59 »
Hier der zugehörige Beschluss des Thüringer OVG

Zitat
Insgesamt verbleibt es für den Senat dabei, dass sich der Antragsteller selbst eine Fachkehntnis und Erkenntnisgewissheit zumisst, die ersichtlich so nicht besteht.

 ;D
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #21 am: 24. Januar 2021, 00:29:28 »
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Zitat
§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020 lauten:

(Satz 1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

(Satz 2) Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen."

Was ist ein Ansteckungsverdächtiger? Die drei anderen könnte man medizinisch definieren (über Test und/oder Sympthome). Darüber hinaus wird nicht definiert, dass ein Ansteckungsverdächtiger selbst beweisen muss, dass er nicht ansteckend ist. In dem Fall (in dubio pro reo) gilt, dass die Behörde in meinen Augen diesen Ansteckungsverdacht belegen oder die Annahme desselben glaubhaft darlegen muss. Gibt es eine Quarantäneanordnung wegen Kontaktperson 1./2. Grades ist die Annahme in meinen Juralaienaugen glaubhaft dargelegt. Bei "random people" eher nicht.

Da das hier kein Juraforum ist, will ich die Diskussion nicht zu weit treiben, sondern nur ganz kurz zweri Punkte erwähnen:

1. §§ 28, 32 IfSG ist bis weit in den Herbst hinein bewusst als hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Corona-Verordnungen behandelt worden, obwohl die Problematik bekannt war: Für eine vorübergehende Zeit wurde der Rückgriff auf diese Norm in der Situation der Pandemie aber als zulässig angesehen, weil eine andere Regelung erst geschaffen werden musste. Erst als dies im Spätherbst immer noch nicht geschehen war, ist ersten Gerichten der Geduldsfaden gerissen. Das AG Dortmund hat daher ebenfalls einen Ordnungswidrigkeiten-Bußgeldbescheid kassiert und der Bayerische VGH Ende November erklärt, er lasse das jetzt das letzte Mal durchgehen. Daraufhin wurde § 28a IfSG geschaffen. Die Annahme, dass § 28 IfSG im Frühjahr keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage gewesen sei, mag daher denkbar sein, widerspricht aber der durchgängigen Rechtsprechung aller anderen Gerichte.

2. Das IfSG ist besonderes Gefahrenabwehrrecht. Es gelten daher die allgemeinen Kategorien, zu denen neben der Möglichkeit der Heranziehung von Personen, die für eine Gefahr verantwortlich sind oder diese verursachen, auch die Möglichkeit der Inanspruchnahmne sog. "Nichtstörer" (unter engen Voraussetzungen) gehört. Professor Ch. Winterhoff von der Uni Göttingen hat dies mal wie folgt formuliert:

Spoiler
"Die Eingriffsermächtigung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist sehr weit gefasst und erlaubt der zuständigen Behörde die Anordnung aller notwendigen Schutzmaßnahmen. Adressaten dieser Maßnahmen können nicht nur Kranke und die anderen in der Vorschrift genannten Personen (im Folgenden entsprechend der gefahrenabwehrrechtlichen Diktion bezeichnet als Störer), sondern auch Dritte (im Folgenden: Nichtstörer), also Personen sein, von denen selbst keine Gefahr ausgeht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012, Az.: 3 C 16/11, NJW 2012, 2823, 2825 Rn. 25)". 
[close]
       

Es ist daher grundsätzlich auch möglich, Maßnahmen gegen Personen zu richten, die selbst nicht infektiös (oder infektiosnverdächtig) sind.
 
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dtx

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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #22 am: 24. Januar 2021, 00:50:09 »
...

 ;D

Der Beschluß des Thüringer OVG stammt vom 26. August 2020 und ist nach dem vom 03. Juli 2020 der zweite in derartiger Sache. Es entsteht zunächst tatsächlich der Eindruck, daß sein Arbeitspensum im Zuge geringerer Mobilität der Bevölkerung erheblich nachließ. @califix ' Entsetzen über das ineffektive Arbeiten dieses Richters dürfte sich insofern legen, als es keine hohe Kunst ist, den einmal ausgearbeiteten bzw. aufgeschnappten Text mit Copy und Paste sowohl in eigene Anträge an das OVG, als auch in die Urteilsbegründungen von ihm entschiedener Fälle zu werfen.

Und auch wenn ihm das OVG nun mehrfach erklärt hat, wie wenig es davon hält, mit dem EDEKA-Etikett an der Robe kann er kaum noch etwas falsch machen.

 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #23 am: 24. Januar 2021, 01:01:45 »
Ich habe mir jetzt noch ein paar spätere Teile des Urteils durchgelesen.

Entscheidende Denkfehler in der Urteilsbegründung des AG Weimar sehe ich ab Absatz 60, wo er beständig die Entscheidungen des Verordnungsgebers im April kritisiert, wo in Deutschland noch kaum Erfahrungen vorlagen und die Daten aufgrund des hohen Dunkelfeldes unklar waren, während gleichzeitig im Ausland die Zahlen explosionsartig nach oben gingen. Die Erfahrungen des Auslands hat der Richter nicht einbezogen, ebensowenig die Unsicherheit.

Der Richter spielt sich hier als Sachverständiger auf, obwohl er über die Kompetenz dazu gar nicht verfügt, und da befindet er sich in guter Nähe zu den üblichen Schwurblern. Er denkt auch nicht besonders angestrengt darüber nach, ob seine Argumente stichhaltig sind, und viele der Argumente kennt man so ähnlich aus der Szene ...

Ein schönes Beispiel:

Zitat
Auch die Grafik betreffend den Verlauf der Neuerkrankungen zeigte eine nahezu gleichmäßig abfallende Kurve ohne erkennbare Stufung, so dass auch an ihr ein Effekt des Lockdowns nicht ablesbar war. Dafür

Warum eine Stufe auftreten sollte, ist unklar. Die Maßnahmen wirken zeitverzögert, sie werden nicht überall gleich befolgt und auch die Befolgungsrate ändert sich im, Laufe der Zeit. Zudem war die Covid-19 ja nicht erst seit dem 23.3. bekannt, und die Gefahr wurde von der Bevölkerung erkannt, die entsprechend - je nach wahrgenommener Gefährdung - auch ohne Verordnung aktiv wurde. Damit lässt sich ein gleitender Übergang problemlos erklären.

Ein weiteres schönes Beispiel - zur Erinnerung, die Verordung ist vom 23.4. und das Tatgeschehen am 24.4.

Zitat
Inzwischen gibt es mehrere wissenschaftliche Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die in der Corona-Pandemie in verschiedenen Ländern angeordneten Lockdowns nicht mit einer signifikanten Verringerung von Erkrankungs- und Todeszahlen verbunden waren. Eine im August in der Fachzeitschrift EClinicalMedicine veröffentlichte Beobachtungsstudie (...)
(meine Hervorhebung)

Die Verordnung beruht auf der Einschätzung vom April und ist aus den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten zu beurteilen, und nicht aus Publikationen Monate später. Zudem kann man sich nicht einfach aus der Vielzahl der Publikationen nur diejenigen herauspicken, die gerade eine bestimmte Seite stützen, sondern müsste sich einen Überblick über die Publikationen verschaffen.

Auch weiter vorne die Ausführungen zur Menschenwürde und der Kontaktbegrenzung sind merkwürdig. Im Urteil wird stets von einem "Kontaktverbot" gesprochen, welches gar nicht ausgesprochen wurde. Die meisten Menschen haben soziale Kontakte auch per Telefon und Internet, und die Kontakte im engen Familienverband sind ja gar nicht betroffen - allenfalls könnte man sich bei Menschen darum streiten, denen diese Mittel nicht zur Verfügung stehen. Darüberhinaus sind Kontakte ja möglich, nur nicht zu vielen Menschen gleichzeitig. Dass jede Form von Kontakteinschränkungen eine Verletzung der Menschenwürde sein soll, erscheint völlig unvertretbar. Strafgefangenen steht ja auch keine freie Wahl der Kontakte zu, und auch deren Menschenwürde darf nicht verletzt werden - und letztlich fehlt hier auch eine Auseinandersetzung mit der Sondersituation einer Pandemie, wie sie zumindest der Verordnungsgeber in Übereinstimmung mit dem RKI, der WHO und den Daten überall auf der Welt annimmt.

Das ist schon im Bereich von Quatschjura.
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #24 am: 24. Januar 2021, 07:16:59 »
OVG Thüringen, Beschluß vom August 2020, Seite 10 unten:

Zitat
...
Insgesamt verbleibt es fur den Senat dabei, dass sich der Antragsteller selbst eine Fachkehntnis und Erkenntnisgewissheit zumisst, die ersichtlich so nicht besteht.
Ungeachtet dessen, ob seine Aussagen im Einzelnen dem Anspruch wissenschaftlicher Arbeit genügen, ist die pandemische Lage und der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis gerade nicht von der Eindeutigkeit geprägt, wie sie der Antragsteller fur sich in Anspruch nimmt. Die wissenschaftliche Erforschung des neuartigen Coronavirus ist ein laufender und dynamischer Prozess, der empirisch gesicherte Gewissheiten über den durch ihn begründete Infektionen aktuell nur bedingt zulässt.

Jedenfalls sieht der Senat die Grundannahme der erheblichen Gesundheitsgefahrdung der Bevolkerung und der Notwendigkeit der Infektionsbekampfung nicht in Frage gestellt.

...

"Empirisch gesicherte Gewißheiten" - der war gut. Mußte man doch erst akademisch arbeitende Strömungstechniker bemühen, um die Erforschung der Infektionswege mit Erkenntnissen zu befördern, die Heizungsbauer und Ofensetzer seit Generationen haben.

Und was Deinen Hinweis auf die methodische Arbeitsweise des Amtsrichters anbelangt - wenn sich Politik positive Entwicklungen am Arbeitsmarkt, das Wetter und sonstwas noch zugute hält, dann wird man ja wohl auch verlangen dürfen, daß sie in eine im April erlassene Verordnung Erkenntnisse einfließen lassen, die die Wissenschaftler aus purer Hinterlist vier Monate später  veröffentlicht haben.

Der Mann sollte in die Staaten auswandern. Auch wenn man ihn nicht die GOP kapern läßt, zum texanischen Gouverneur wird es allemal reichen.

« Letzte Änderung: 24. Januar 2021, 07:19:37 von dtx »
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #25 am: 24. Januar 2021, 12:01:16 »
@dtx Da wir grundsätzlich nicht wirklich auseinanderliegen nur ein Satz zu meinem Schluß (effektive Epidemiebekämpfung): Mit der Ausnahme SARS gab es in den letzten 30-40 Jahren keine (Human-)Erkrankung, die sich derart wahllos und ungehemmt ausgebreitet hat. HIV hat man ja auch nicht ernstgenommen, weils erstmal "nur die Homos" erwischt hat. Alles andere, insbesondere tropische Erkrankungen, lassen sich durch die "alte" Version gut erfassen.

Was die Vorwarnzeit angeht: Ja, man hätte schon vor Jahren Vorbereitungen treffen können. Hinterher ist man immer schlauer. Fakt ist, dass die gesamte Krisen- und Katastrophenvorsorge in D mangelhaft bis schlecht ist. Ist auch klar, mit "Katastrophismus" gewinnt man nicht so viele Wählerstimmen wie mit Kita-Plätzen. Gefahrenabwehr ist unsexy und macht nur Arbeit ohne politischen Gewinn. Siehe auch Pflichtfeuerwehren.... oder die Stellenstreichungen bei der Polizei. Während der akuten Bedrohung im Kalten Krieg sah das anders aus, da gabs ganz andere Bevorratungen auch von medizinischem Gerät. Hat man alles gestrichen. Jetzt wacht man auf, reibt sich die Augen und wundert sich.
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #26 am: 24. Januar 2021, 12:16:53 »
Wenn ich mich richtig erinnere wurde damals (2013) eine Vorlage aus 2012 behandelt, in denen es sich um diverse Krisenszenarien handelte; bis hin zu einem Vulkanausbruch in der Eifel. Nach dessen Behandlung im Parlament sprach man noch von der Risikobewertung, die bei allen Szenarien eher gering war. Dann schlief die Diskussion und Bearbeitung wieder ein.
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dtx

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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #27 am: 24. Januar 2021, 13:02:00 »
@dtx Da wir grundsätzlich nicht wirklich auseinanderliegen, nur ein Satz zu meinem Schluß (effektive Epidemiebekämpfung): Mit der Ausnahme SARS gab es in den letzten 30-40 Jahren keine (Human-)Erkrankung, die sich derart wahllos und ungehemmt ausgebreitet hat. HIV hat man ja auch nicht ernstgenommen, weils erstmal "nur die Homos" erwischt hat. Alles andere, insbesondere tropische Erkrankungen, lassen sich durch die "alte" Version gut erfassen.

...

Zugegebenermaßen habe ich mich mit dem IfSG nur ansatzweise befaßt. Aber abgesehen von der Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG, die man auch nur in Bezug auf den Anlaß, nicht aber auf die daraus gezogenen Schlußfolgerungen als solche bezeichnen kann, machen die §§ 28 bis 32 den Eindruck, als hätte man noch nie Szenarien, die sich in anderen Ländern zugetragen haben, auf die Verhältnisse in Mitteleuropa projizieren wollen, sondern jeder Krankheit einen eigenen Absatz gewidmet, nachdem sie zugeschlagen hat ...

Und so ist das auch jetzt wieder. Das Virus brauchte nur soweit zu mutieren, daß die Wissenschaft der Mutante zur korrekten Unterscheidung einen anderen Namen geben möchte, dann läuft der mit so großem Pomp ins Gesetz gebrachte § 28a ins Leere und man fängt wieder mit Geschäftlemachern vom Schlage Ballweg an zu diskutieren, ob der Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung Verfassungsrang habe.

Was die Vorwarnzeit angeht: Ja, man hätte schon vor Jahren Vorbereitungen treffen können. Hinterher ist man immer schlauer.

...

Da habe ich so meine Zweifel. Ob es das Oderhochwasser war, bei dem man  im Grunde genau wußte, wieviel Tage eine Welle von Warschau bis Eisenhüttenstadt braucht oder eine respiratorische Erkrankung an der Werkbank der Welt, von der man sich fragen muß, wieso sie in Anbetracht globaler Vernetzung die Endkunden verschonen soll ...

Fakt ist, dass die gesamte Krisen- und Katastrophenvorsorge in D mangelhaft bis schlecht ist. Ist auch klar, mit "Katastrophismus" gewinnt man nicht so viele Wählerstimmen wie mit Kita-Plätzen.

...

Wer von den oberen Zehntausend hat schon Kinder. Wenn Vater Staat wirklich auf Nachwuchs Wert legen würde, hätte sich der Ludwig mit dem Einklagen von Kinderbetreuungsplätzen keine Existenz aufbauen können.

Zu den Länderpolizeien: Bei irgendeiner Wahl gab es in Wiesbaden ein großes Brimborium um 500 "neue" Stellen, nachdem Kochs Patachon im Jahr zuvor 1.500 gestrichen hatte.

Oder die Fusion und kurz darauf folgende Privatisierung der Unikliniken Gießen und Marburg, bei der knapp 10.000 Leute aus dem Landesdienst gekickt werden sollten. Bis das BVerfG darüber den Daumen senkte, hatten die Neueigentümer mit ihren Kündigungen längst Tatsachen geschaffen. In Spahn wollten einige sogar den nächsten Bundeskanzler sehen, obwohl der die Kliniken genauso ausbluten läßt wie Bobbele, dafür sogar noch eingangs einer Pandemie trommelt und die ungeplante und unkontrollierte "Marktbereinigung" bar jeden Blickes für die örtliche Versorgungssituation auch danach weiter durchzieht.

Das Wahlvolk schläft weiter, ...

... reibt sich die Augen und wundert sich.



Wenn ich mich richtig erinnere, wurde damals (2013) eine Vorlage aus 2012 behandelt,

...

Kannst Du hier nachlesen: Beitrag von gestern, 18:14

« Letzte Änderung: 24. Januar 2021, 13:04:37 von dtx »
 
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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #28 am: 24. Januar 2021, 14:11:37 »
Es hätte genau umgekehrt kommen können. Die Vorbereitung auf mögliche Pandemien hätten Milliarden verschlungen und die Viren hätten sich 120 Jahre Zeit gelassen. Auf Teil 2 dieser Variante haben viele gesetzt und daher Teil 1 abgeblasen. Der kalte Krieg hat Milliarden gekostet und außer ein paar Berufshitzköpfen wollte man die Gefahr endlich los sein. Als es dann endlich ruhiger wurde, sahen viele die Milliarden als verschwendet. Jetzt kam es genau andersrum, die Verschwendung in Medizinbereichen wurde eingedämmt und Pandemievorsorge links liegen gelassen und die Natur macht halt, was die Natur macht. Die redet nur und hört nie zu.
« Letzte Änderung: 24. Januar 2021, 14:15:33 von Anmaron »
Wer sich politisch nicht engagiert, hilft im Grunde jenen, die das Gegenteil von dem wollen, was man selber für wichtig und richtig hält. (Alain Berset)
Die Demokratie ist so viel wert wie diejenigen, die in ihrem Namen sprechen. (Robert Schuman)

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Re: AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20
« Antwort #29 am: 24. Januar 2021, 14:42:45 »
Es hätte genau umgekehrt kommen können. Die Vorbereitung auf mögliche Pandemien hätten Milliarden verschlungen und die Viren hätten sich 120 Jahre Zeit gelassen.

...

Gut, man kann jetzt den Pandemietreibern der Menschheit ihre bisherige Erfolglosigkeit vorhalten. Schließlich sind die letzten Heimsuchungen alle Zoonosen gewesen.

https://www.deutschlandfunk.de/kampf-gegen-zoonosen-wenn-tiere-den-menschen-anstecken.724.de.html
06.04.2018

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Auf Teil 2 dieser Variante haben viele gesetzt und daher Teil 1 abgeblasen. Der kalte Krieg hat Milliarden gekostet und außer ein paar Berufshitzköpfen wollte man die Gefahr endlich los sein. Als es dann endlich ruhiger wurde, sahen viele die Milliarden als verschwendet. Jetzt kam es genau andersrum, die Verschwendung in Medizinbereichen wurde eingedämmt

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Genau. Spahn rühmte sich ja auch im Frühjahr für die (derzeit noch) bessere Ausstattung des deutschen Gesundheitswesens mit Intensivbetten, dabei vergaß er aber zu erwähnen, daß er die acht Wochen zuvor bei einer Wahlveranstaltung in Wilhelmsburg noch zutiefst bedauert hatte. Also wenn es nach ihm ginge, hätten wir genauso wie die Italiener knapp soviel Betten, wie permanent zu belegen sind, dann gehe es auch keinem Klinikbetreiber schlecht.

...

und die Natur macht halt, was die Natur macht. Die redet nur und hört nie zu.

Die Natur macht, wozu wir sie nötigen. Fledermäuse und anderes Getier wollen nur ihre Ruhe, ihren Platz und ihr Futter haben. Und alles das machen wir ihnen streitig.

« Letzte Änderung: 24. Januar 2021, 14:53:21 von dtx »
 
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