Post-Brexit: Die Beziehungen zwischen EU und UK

[califix]

Man muss vermutlich nicht Volkswirtschaft studiert haben, um sich vorzustellen, dass ein Heer von Staatsbediensteten, die zusätzliche Verdichtungen im Paragraphendschungel bearbeiten nicht zur wirtschaftlichen Produktivität beitragen, sondern lediglich auf der Kostenseite eine nachhaltige Wirkung erzielen.
Das verteuert die Importe und macht gleichzeitig die eigenen Produkte im Ausland schwerer verkäuflich. Darüber freuen sich allenfalls große Exportnationen, allen voran China.
Und das ist in der Realität dann ja auch so rausgekommen. Jetzt braucht es noch einen Schuldigen, der aber selbstverständlich kein Brite sein darf.

[Sandmännchen]

Es ist noch schlimmer, als Du Dir das vorstellst.

Das UK hat nun seine eigenen Standards. Für diese ist schonmal ein Heer von Staatsbediensteten zuständig, wobei das früher größtenteils die EU gemacht hat. Daneben muss man aber für alles, was in die EU exportiert werden soll, nochmal die Standards der EU einhalten und braucht dafür Zertifizierungsverfahren. Das ist dann das zweite Heer. Der Export in die EU geht zwar zurück, aber die Verfahren dazu braucht man trotzdem.

Zusätzlich merken die Firmen, dass es gescheiter ist, ein Warenlager und Versandzentrale innerhalb der EU aufzubauen. Das verlagert dann noch Steueraufkommen und Arbeitsplätze in die EU, wenn nicht das Unternehmen gleich komplett umzieht, wenn die Unternehmer eine EU-Staatsbürgerschaft (irisch soll recht verbreitet sein) haben.

Dann haben sich früher gerne kleine Firmen, die erst mal nur das UK bedienen, darüber vergrößert, dass sie ohne weitere Komplikationen EU-weit handeln. Das erforderte keinen großen Aufwand, man musste vielleicht mal ein paar Übersetzungen anfertigen und hatte den Währungsumtausch. Inwzischen geht das nicht mehr (die Zollformalitäten sind nicht ohne, lange Lieferzeit, andere Standards, die weitere Zertifikationen erfordern).

Naja. Sie wollten das ja so.

[BlueOcean]

Die Standards sind bisher nur nominal britisch, weil bisher fast uberall weiter die Regeln gelten, die zu EU-Zeiten von der EU in britisches Recht überführt worden sind. Die Tories und insbesondere Johnson und Rees-Mogg haben zwar etliche Nebelkerzen geworfen und unsinnige eigene Zertifikate angekündet (wie etwa ein britisches Pedant zum CE). Aber nichts davon ist umgesetzt worden, weil die Wirtschaft den Entscheidern im Hinterzimmer längst gesagt hat, dass Britannien sich das überhaupt nicht leisten kann.

Das Politiker tösen aber trotzdem weiter und bringen dann großartige Gesetze durch, nach denen Biergläser in Pint-Größe produziert werden dürfen und eine royale Krone die Markierung zieren darf. Wie bei der ominösen Farbe des Passes bleibt unerwähnt, dass man das als EU-Mitglied genau so hätte entscheiden können. Während alle großen Brauereien und Glashersteller längst abgewunken haben, weil sie keinerlei Vorteil in einem schrägen Sondermaß für einen überschaubaren Markt sehen.

Und das mit dem Warenlager und der Versandzentrale in der EU wurde tatsächlich sogar als Empfehlung der britischen Regierung an betroffene Unternehmen ausgegeben. Da sind bei etlichen Firmen ganze Bereiche nach Polen, Irland oder in andere EU-Länder gegangen.

[kairo]

Die Standards sind bisher nur nominal britisch, weil bisher fast uberall weiter die Regeln gelten, die zu EU-Zeiten von der EU in britisches Recht überführt worden sind.

Normen sind keine Gesetze. Und eine zu EU-Zeiten von CEN gemachte Norm wird nicht automatisch ungültig, weil GB kein Mitglied der EU mehr ist.

CEN ist eine private Organisation, die allerdings eng mit der EU verbunden sind. So erstellt CEN die EN. Aber CEN hat 34 Mitglieder, also nicht nur die EU-Staaten. GB ist bisher immer noch drin. Allerdings kann ich nicht sagen, ob die britischen Experten immer noch in den Arbeitsgruppen mitmachen. Ich habe früher viel Zeit mit so etwas verbracht, aber inzwischen nicht mehr. Jedoch halte ich die Annahme für vernünftig, dass eine von CEN gemachte Norm dann auch in den Mitgliedsländern von CEN gilt.

[Sandmännchen]

Na dann  guck Dir mal so ein paar Meldungen an: 

Die britische Regierung informiert über die Einführung der neuen UKCA Kennzeichnung (UK Conformity Assessed), welches zum 1. Januar 2021 eingeführt wurde und das CE-Zeichen im Vereinigten Königreich ersetzen wird.

https://www.ihk.de/karlsruhe/fachthemen/international/brexit/produktstandards-und-normen-5011276

[Neubuerger]

Na dann  guck Dir mal so ein paar Meldungen an: 

Die britische Regierung informiert über die Einführung der neuen UKCA Kennzeichnung (UK Conformity Assessed), welches zum 1. Januar 2021 eingeführt wurde und das CE-Zeichen im Vereinigten Königreich ersetzen wird.

Das hilft ihnen aber nur etwas, wenn sie ausschliesslich für den britischen Markt produzieren wollen. Sollen die Artikel auch in der EU in Verkehr gebracht werden, brauchen sie trotzdem ein CE Kennzeichen.

[SchlafSchaf]

Ein sehr launiger Artikel über den selbstzerstörerischen Kurs der Torries

Johnson, Truss, Sunak: Tory-Elend ohne Ende

Für einen kurzen Moment schien es so, als ob die Vernunft und der Pragmatismus, für die die Welt Großbritannien immer so bewundert hatte, nach London zurückgekehrt seien. Als Rishi Sunak, der dritte Premierminister in diesem chaotischen Jahr, am 25. Oktober in seiner Antrittsrede vor der Downing Street versicherte, mit ihm werde nun ernsthafte Arbeit und moralische Integrität wieder ganz oben auf der politischen Agenda stehen, ging ein Seufzer der Erleichterung durch das gebeutelte Land. Doch es blieb ein kurzer Moment.

https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/januar/johnson-truss-sunak-tory-elend-ohne-ende

[Sandmännchen]

Das hilft ihnen aber nur etwas, wenn sie ausschliesslich für den britischen Markt produzieren wollen. Sollen die Artikel auch in der EU in Verkehr gebracht werden, brauchen sie trotzdem ein CE Kennzeichen.

Und wenn es nicht nur für den Export ist, brauchen sie beide. Heureka! Welche Verbesserung gegenüber der EU!

Meine Antwort war aber in erster Linie eine Reaktion auf den Beitrag von @kairo, der schrieb, Normen seien keine Gesetze und mit dem Brexit wären die Briten ja nicht aus den Normungsgremien ausgeschieden. Das ist richtig - aber entscheidend sind ja nun, welche Normen gesetzlich verlangt werden, und wer die Übereinstimmung zertifiziert. Und diese Vorschriften werden mit ziemlicher Sicherheit auseinanderlaufen, schon weil das UK ja mit anderen Ländern Handelsverträge abschließen will, und die werden es verstehen, ihre Normen maßgeblich zu machen.

[califix]

Genau darauf läuft es raus, man muss die im Zielland gültigen Normen erfüllen, wenn man dahin liefern will. Aber selbst große Wirtschaftsnationen wie die USA gleichen ihre Normen zunehmend an internationale Standards an, so dass man als Hersteller die UL-Normen meist in einem Zug gleich mit bestätigen lässt, wenn man sein Prodult zertifizieren lässt.
CE ist übrigens kein Sicherheitszeichen, dahinter steht eine Erklärung des Herstellers oder Importeurs, dass der entsprechende Gegenstand den gültigen Normen entspricht. Diese Erklärung gibt der Hersteller in eigener Verantwortung ab. Seriöse Firmen lassen ihre Produkte prüfen, was man dann an Sicherheitszeichen wie VDE, TÜV etc. erkennt. Für ein CE-Zeichen ist aber (mit Ausnahmen wie Medizinprodukte) eine Prüfung nicht verpflichtend vorgeschrieben.
Hinter dem CE-Kennzeichen sollte eigentlich eine "Lieferantenerklärung" stehen, in der die EU-Normen aufgeführt sind, denen das Produkt entspricht. Macht man sich mit entsprechendem Hintergrundwissen mal die Mühe und überprüft diese Erklärungen, dann erlebt man einiges an Überraschungen, speziell mit Fernost-Importen am unteren Ende der Preisskala.

[Sandmännchen]

Und dann war da noch der Auditor vom TÜV zwecks ISO-9001-Zeritifikation, der der Meinung war, alle PCs müssten irgendein Störtnix-Zertifikat haben, sonst fiele das Audit negativ aus. Wobei das QM-Handbuch dazu keine Aussage traf. Dafür überhörte er später völlig, dass der eine GF im Brustton der Überzeugung den Vertriebsworkflow völlig anders beschrieb als im Handbuch.

Hach! Zertifikate!

Schön auch, wenn der Kunde eine statische Codeanalyse für den Linux-Kernel verlangt, weil irgendein Standard das verlange.

Es gibt so viele verrückte Ideen ... und die Briten sind bekannt für spleenige Ideen

[lobotomized.monkey]

Na dann  guck Dir mal so ein paar Meldungen an: 

Die britische Regierung informiert über die Einführung der neuen UKCA Kennzeichnung (UK Conformity Assessed), welches zum 1. Januar 2021 eingeführt wurde und das CE-Zeichen im Vereinigten Königreich ersetzen wird.

https://www.ihk.de/karlsruhe/fachthemen/international/brexit/produktstandards-und-normen-5011276

Habe da mal rüber geschaut. Auf den ersten Blick ist die Ausfuhr von Geräten jetzt ähnlich kompliziert wie in die USA. Das wird Waren nicht günstiger machen.

[Grashalm]

Ein paar Eindrücke zu den Folgen des Brexit:

Ist wirklich nur ein kurzer Informationsschnipsel.

[R. Kimble]

wenigsten haben die Briten eine kostengünstige Lösung für die medizinische Versorgung gefunden.
Boris hatte versprochen 350 Mio. Pfund jede Woche in das britische Gesundsheitssystem zu stecken.

Man muss sich auf heimische Werte und Experten besinnen. Wieviel Geld davon an Pastor Chris gegangen ist?
Die Ankündigung habe ich letzten Sommer an meinem Hotel in Belfast gesehen.

[SchlafSchaf]

War er nicht einer der Hauptvorantreiber des Brexit?

Der britische Vizepremierminister und Justizminister Dominic Raab ist am Freitag nach einer unabhängigen Untersuchung von formellen Beschwerden über sein Verhalten zurückgetreten.

Damit scheidet nach dem Rücktritt von Minister Gavin Williamson nun das nächste Mitglied der Regierung wegen Mobbingvorwürfen aus. Raab stand wie Williams wegen seines Umgangs mit Mitarbeitern in der Kritik.

In einem Brief an Premierminister Rishi Sunak, der auf Twitter veröffentlicht wurde, sagte Raab, dass die Untersuchung einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen habe, dass er die Regierung aber weiterhin unterstützen werde.

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/wegen-mobbing-vorw%C3%BCrfen-britischer-vize-premier-dominic-raab-tritt-zur%C3%BCck/ar-AA1a8NBr?ocid=msedgntp&cvid=a86a9226ef3f4d44aaccca009bf51aa5&ei=11

[BlueOcean]

War er nicht einer der Hauptvorantreiber des Brexit?

JA, der Dominic vom Marketing. Erfinder des üblen aber erfolgreichen Slogans "Vote Change!" Der Kerl, der entgegen der Gesetze zig Millionen von Lobbygruppen zugesteckt bekam, um damit den Kampf für den Brexit zu führen.

Ein erfolgsgetriebener Machiavelli, der Politiker verachtet und im Grunde alles nur als ein Spiel sieht. Ein feinsinniger Zyniker, der sich vermutlich jetzt noch daran freut, dass all die Schafe, die wegen ihm "Change" gewählt haben, jetzt wirklich "Change" zu spüren bekommen.