Ganz, ganz großes Herrenmenschen-Mimimi von Ballweg bei "Cicero".
Anders gesagt: Wenn einen selbst ein "national-konservatives Blatt" wie der Cicero nicht so ganz für voll nimmt bzw. kritisiert.
Spoiler
Querdenken“-Initiator Ballweg - „Wir wollen auf jeden Fall einen Volksentscheid haben“
INTERVIEW MIT MICHAEL BALLWEG am 4. September 2020
Der Gründer der Initiative „Querdenken 711“, Michael Ballweg, distanziert sich von rechter Einflussnahme. Der Stuttgarter wünscht sich mehr direkte Demokratie – und eine Wirtschaftsordnung, die die Menschen aus ihrem „Hamsterrad“ befreit.
Michael Ballweg ist Betreiber einer Softwarefirma und hat die „Querdenken“-Demonstrationen initiiert.
Herr Ballweg, beginnen wir mit einem Rückblick auf das Wochenende. Es gab viele angemeldete Demos am Samstag, aber auf dem Protestmarsch und auf der Abschlusskundgebung kam es zu einer „Berliner Mélange“: Niemand konnte mehr unterscheiden – wer kommt von der Reichsbürger-Demo, wer gehört zu den Rechtsextremen, wer ist hier Querdenker. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?
Wir machen jetzt unsere nächste Demo Anfang Oktober in Konstanz, und dann sieht man ganz genau, wer wo demonstriert. Aber das hält uns nicht davon ab, wieder nach Berlin zu kommen.
Haben Sie erkannt, dass Berlin nicht Stuttgart ist?
Man steht vor dem Problem, dass viele Gruppen an demselben Tag Versammlungen veranstalten - es gab ja über 100 alleine am Samstag.
Gab es auch einen Unterschied zwischen Berlin und Stuttgart, was das Agieren der Polizei und die Disziplin und Friedfertigkeit der Demonstranten angeht?
Nein. Bei uns ist immer das gleiche Klientel, das ist immer super friedlich. Es war beeindruckend, mit welcher Geduld die Teilnehmer die Aggression der Polizei nachts bei der Räumung des Protestcamps ertragen haben.
Aber es gab auch unter den Demonstranten Gewaltbereite. Ich habe persönlich eine Situation beobachtet, bei der aus dem Demonstrationszug heraus Flaschen auf die Polizei geworfen wurden.
Es könnte ja auch sein, dass das eingeschleuste Provokateure waren.
Wer sollte die einschleusen?
Es waren ja bekanntlich V-Leute im Einsatz, das wurde auf der Bundespressekonferenz bekanntgegeben.
Aber V-Leute sind ja keine agents provocateurs.
Nein. Aber bei so großen Demonstrationen kann es immer Leute geben, die die Versammlung stören wollen. Ob die nun von der Antifa oder von woanders kommen, kann man nur vermuten. Es können auch gewalttätige Einzelpersonen sein.
In einem Video, das Sie vor dem Wochenende auf Telegram veröffentlichten, zeigten Sie, was Sie mitnehmen nach Berlin. Dazu gehörte eine Taucherbrille, „falls mal etwas in der Luft liegen sollte“, wie Sie sagten. Haben Sie sich darauf vorbereitet, dass die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Sie vorgehen wird?
Auf der Demo vom 1.August hat die Polizei Pfefferspray gegen uns eingesetzt. Man muss mit allem rechnen. Auch von der jetzigen Demo liegen inzwischen über 70 Strafanzeigen gegen die Polizei vor.
Wer bezahlt eigentlich das Equipment dieser Demos: Bühne, LKW, Lautsprecher?
Ich selbst habe schon im April meine Rentenversicherungen gekündigt, weil ich lieber mit dem Geld jetzt noch etwas Sinnvolles tue, als in einer unfreien Welt zu leben. Zudem gibt es viele Leute, die uns kostenlos helfen, die etwa Bühnen- und Audiotechnik oder LKW umsonst zur Verfügung stellen. Und wir bekommen viele Spenden – zwischen fünf und 100 Euro. Großspenden spielen bei uns keine Rolle.
Manche waren von Ihrer Aussage auf der Demo irritiert. Sie sagten da: „Deshalb starten wir heute damit, uns eine eigene Verfassung zu geben, die diese Schwächen behebt und die Macht an uns, die Menschen zurückgibt. Wir sind die verfassungsgebende Versammlung. Ich rufe alle Menschen auf, nach Berlin zu kommen, um gemeinsam mit uns an einer neuen Verfassung zu arbeiten.“ Sind Sie wirklich der Meinung, dass dieses Land eine neue Verfassung braucht?
Das Grundgesetz schützt die Menschen derzeit nicht davor, dass die Regierung sich immer weiter selbst ermächtigt. Wir haben praktisch keine Elemente der direkten Demokratie in der Verfassung, sondern Bundesrat und Bundestag. Aber das lässt sich nur alle vier Jahre ändern. Das ist nicht dynamisch genug. Wir wollen auf jeden Fall einen Volksentscheid haben. Die Hürden für die Gründung einer Partei sind zu hoch, um eine Chance bei der Wahl im kommenden Jahr zu haben. Deshalb haben wir uns so abgestimmt, dass wir es über Artikel 146 versuchen, der ja im Grundgesetz steht. Wenn wir eine so kleine Minderheit sind, dann muss es ja niemanden interessieren: Dann setzen wir uns in den Wald und arbeiten Ideen aus. Und wenn es doch mehr gibt, die es interessiert, dann entsteht eben ein breiter Diskurs.
Dieses Berliner Protest-Camp sollte also eine verfassungsgebende Versammlung werden, der sich jeder anschließen kann?
Es sollte die Initialzündung für einen Prozess sein. Wir hätten 60 Bühnen gehabt, auf denen kontroverse Gespräche stattfinden können. Man hätte einen öffentlichen Raum für Debatten geschaffen, was gerade in Corona-Zeiten, wo jeder zu Hause im Home-Office sitzt, wichtig ist. Dann hätte man gesehen, ob das Interesse zunimmt oder abflacht.
Also eine Art Berliner Hyde-Park?
Ja.
Sie berufen sich auf Artikel 146 des GG („Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“) Das ist der Artikel, auf denen der Protest der Reichsbürger gründet – ist Ihnen bewusst gewesen, dass Sie damit eine Brücke zu den Reichsbürgern schlagen?
Der Artikel steht im Grundgesetz, deshalb handeln wir verfassungskonform, wenn wir uns darauf berufen. Wir wollen keine Verfassung von 1871 oder 1919 reaktivieren, denn die sind alle gescheitert. Das Grundgesetz hat lange gehalten und war gut.
Also haben Sie nicht bewusst eine Brücke zu den Reichsbürgern geschlagen?
Nein, natürlich nicht. Wir haben auch nichts zu tun mit dieser schon bestehenden „Verfassungsgebenden Versammlung.”
Sie träumen von einer Verfassung, die auf dem Grundgesetz aufbaut, aber in Schweizer Richtung geht: mehr direkte Demokratie.
Ja. Aber auch Inhalte: Wie muss eine Wirtschaft und ein Geldsystem funktionieren, das den Menschen dient? Dazu gehört auch eine Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Der Mensch soll nicht mehr im Hamsterrad leben müssen.
Sind Sie denn an einer der sich nun aus den Corona-Protesten hervorgehenden Parteien beteiligt?
Nein. Ich halte mich da raus. Ich sehe mich als überparteilich. Das ist nicht der Weg, den ich für sinnvoll erachte.
Aber Sie sind weiter gewillt, Bürgermeister von Stuttgart zu werden?
Ja.
Und wie sehen Sie Ihre Chancen?
Ich lass mich überraschen. Ich habe ja eine relativ große mediale Präsenz, die natürlich nicht optimal ist, weil behauptet wird, ich sei rechtsradikal und so weiter. Aber ich habe ja noch genug Zeit, das richtigzustellen.
Ihr Sprecher Stephan Bergmann wirkt ja auf den ersten Blick wie ein sehr netter Typ. Der Tagesspiegel hat aber Facebook-Posts aus den Jahren 2014 bis 2016 gefunden und dokumentiert, die grenzwertig sind: Bergmann hat da rechtsradikale Aussagen von anderen gepostet, geschmacklose Witze über Moslems. Ziehen Sie daraus Konsequenzen?
Der Tagesspiegel hat uns in der Woche vor der Demo am 1. August von rechts auf rechtsextrem auf identitär geschrieben. Querdenken bedeutet, sich an der Quelle zu informieren. Ich bitte Journalisten deshalb darum, sich direkt an Stephan Bergmann zu wenden. Aber grundsätzlich: Wenn jeden die Vergangenheit einholt, kann man ja gar nicht mehr nach vorne schauen.
Ganz aktuell gibt es ja den neuen Vorwurf, Bergmann sei Gründungsmitglied des Vereins „Primus inter Pares“, den der Verfassungsschutz dem rechtsextremen und Reichsbürger-Milieu zuordnet.
Wir werden diese Dinge klären: Stephan wird einen Brief an den Landesverfassungsschutz schreiben und um Aufklärung bitten. Gegen Diffamierungen werden wir uns ab jetzt presserechtlich wehren.
Wie bewerten Sie den Umgang von Politik und Medien mit der Demonstration vom Wochenende?
Über unsere Demo und unsere Inhalte wurde nicht berichtet, sondern nur über die Reichstags-Geschichte, und die wurde dann noch uns untergeschoben. Oder wissen Sie, welche Redner auf unserer Bühne geredet haben? Ich will das nicht weiter akzeptieren, dass wir immer in die rechte Ecke geschoben werden. Wir werden uns dagegen wehren.