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Auf der Piazza Montecitorio vor dem Abgeordnetenhaus in Rom hatten sich am Montagnachmittag tausende Demonstranten versammelt. Viele von ihnen waren glattrasiert; etliche hatten Duce-Porträts oder Keltenkreuze auf Unterarm oder Nacken tätowiert. Die italienische Nationalhymne wurde gespielt, zahlreiche Trikoloren und vereinzelte Hakenkreuzfahnen flatterten. "Das Volk ist souverän!" und "Neuwahlen, Neuwahlen" riefen die Demonstranten. Und immer wieder reckten sie die rechte Hand zu römischen Gruß – auch bekannt als Hitlergruß.
Zur Kundgebung vor dem Parlament hatte Giorgia Meloni aufgerufen, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia. Dem Ruf Melonis waren auch die neofaschistischen Gruppierungen Casa Pound und Forza Nuova gefolgt. Zahlreiche Teilnehmer stellten Livestreams der Kundgebung ins Netz – doch plötzlich konnten ihre Videos nicht mehr aufgerufen werden. Am Abend erklärte ein Sprecher von Facebook, dass dutzende Profile von rechtsextremen Gruppen und ihren Anführern gelöscht worden seien, auch auf dem Tochterportal Instagram. Die Begründung: "Personen und Organisationen, die Hass verbreiten oder andere angreifen auf der Basis ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Ethnie oder ihres Geschlechts, haben keinen Platz auf Facebook und Instagram." Die entsprechenden Seiten seien vor der Sperre monatelang überwacht worden.
Aggressives, rassistisches Auftreten
Im Internet Hass zu verbreiten gehört zur bevorzugten Beschäftigung der "Faschisten des dritten Jahrtausends", wie sich die Aktivisten von Casa Pound auch nennen. Der Anführer von Forza Nuova wiederum, Roberto Fiore, ist ein verurteilter Rechtsterrorist. Bei Casa Pound und Forza Nuova handelt es sich um gewaltbereite, radikale Splitterparteien, die bei den Parlamentswahlen 2018 weniger als ein Prozent der Stimmen erzielt haben, aber für ihr aggressives Auftreten gegen Migranten, linke Aktivisten und unbotmäßige Journalisten bekannt sind. Faschistische Ideen zu verbreiten fällt in Italien nicht unter die Meinungsfreiheit, sondern ist eine gesetzlich verbotene Straftat – doch zu Anzeigen kommt es so gut wie nie. Nun hat Facebook nachgeholt, was die italienische Justiz seit Jahren versäumt.
Anlass für die Demonstration der Ultrarechten waren die Vertrauensabstimmungen über die neue Regierung von Giuseppe Conte, die am Montag im Abgeordnetenhaus und am Dienstag im Senat stattfanden – und die die Regierung letztlich deutlich gewann. Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini, der ebenfalls an der rechtsextremen Demonstration teilnahm, fordert seit dem von ihm selber verursachten Sturz der Regierung Mitte August Neuwahlen. Dass er diese nicht erhielt und sich stattdessen im 2018 gewählten Parlament eine neue Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und dem sozialdemokratischen Partito Democratico gebildet hat, bezeichnet Salvini als Verrat am Volk, das um sein Wahlrecht betrogen worden sei.
Front von "Souveränisten" und Nationalisten
Das politische Eigentor Salvinis, der sich mit dem Misstrauensantrag gegen die eigene Regierung selber in die Opposition katapultiert hat, sowie die Verbannung der Faschisten von Facebook und Instagram mögen ein Dämpfer für Italiens Ultrarechte sein. Aber Salvini, der bei seinem Auftritt auf der Piazza Montecitorio von den rechten "Kameraden" mit begeisterten "Matteo, Matteo"-Rufen gefeiert wurde, ist entschlossen, gegen die neue Regierung eine Front von "Souveränisten" und Nationalisten zu bilden, der sich "Millionen von Italienern" anschließen werden, wie er ankündigte. Conte und sein Kabinett werden sich nicht nur wegen des herannahenden Winters warm anziehen müssen. (Dominik Straub aus Rom, 10.9.2019)