Aprops! Fischer wäre nicht Fischer, wenn nicht in seiner neuesten Kolumne alle ihr Fett abkriegen würde. Insonderheit "eine gewisse Partei". Und natürlich die heuchlerischen Journalisten, die man allerdings nicht wahrheitsgetreu so nennen darf, sonst werden sie böse.
Spoiler
Donnerstag, 29.08.2019 13:41
Kolumne
Die Lage
Wir befinden uns, sehr geehrtes Publikum, weiterhin und einmal wieder in dem nicht endenden 24/7- Quiz "Wer betreibt wessen Geschäft?". Wenn Sie gelernte "Matrix"-Gucker und "GamesCom"-Besucher sind, ist Ihnen das Gefühl nichts Neues. Anderen muss man erst noch erklären, dass es sich um ein von dem berühmten Softwareentwickler Charles R. Darwin aus Shrewsbury konzipiertes Update für das Betriebssystem "Paradies" handelt. Manche Brüder und Schwestern, nicht nur, aber auch an der Elbe, sind noch immer ganz verwirrt, um nicht zu sagen: besorgt.
Für sie gibt es jetzt sogar eine eigene Partei. Die hat ein sogenanntes Programm, das zwar größtenteils aus Unsinn besteht, sich aber für Früh-, Mittel-, Spät- und Neigungsrentner eignet, denen vor 30 Jahren ihre Lehrstellen "weggebrochen", ihre Dreiraumwohnungen zusammengebrochen und ihre Ehre als beste Freunde der Sowjetunion sowie als geniale Schlaumeier abhandengekommen sind, und das alles nur wegen dieses Helmut K. und seiner heimlichen Geliebten, Frau Birgit Br., denen man nie hätte glauben dürfen. Einem Hermann Axen und einer Carmen Nebel wäre nicht passiert, was diesem Helmut Kohl von diesem sogenannten Gorbi! Gorbi! unter die Strickjacke gejubelt wurde. Vereinzelt war auf Facebook schon zu lesen, dass Gorbatschowi eventuell gar kein Deutscher gewesen ist. Es würde mich übrigens gar nicht wundern, wenn das wahr wäre!
Vorbei ist vorbei! Auch wenn es schön war, wie Genosse Egon Krenz grad letzte Woche wieder bei einer großen Feier zum 60. Geburtstag des sozialistischen Sandmännchens gesagt hat. Rückwärts nimmer! Deshalb schreiten wir, Arm in Arm, und Volksgenosse Lutz Bachmann vorneweg, ins neue Deutschland, wo die Ampelmännchen immer grün, die Kohle immer braun, der Vogel immer früh und die Rente immer sicher sind. Die sogenannte BRDäh hat uns und die Bürger im Saarland, in Bremerhaven, im Ruhrgebiet und in Oberhessen bitter enttäuscht. Auch die Eifel kann das Land der Zukunft nicht sein. Andererseits wäre die Heimkehr in die DeDeräh, jedenfalls jeans- und reisetechnisch, auch nicht das Gelbe, außer vielleicht für ein paar Pfarrer, Dichter und Weißer-Hirsch-Bewohner. Außerdem hätte man dann wieder 85.000 Vietnamesen, Mosambikaner und Kubaner (also einen kasernierten Werktätigen aus den russischen Kolonien pro 200 original Deutsche) am Hacken, und aus diesem Schlamassel würde uns das ungarische Brudervolk diesmal vermutlich auch nicht raushelfen.
Da bleibt nur: Entweder Umsatteln und Rübermachen nach Königsberg, oder rein in die Zeitmaschine und zurück auf null, also 1933. Womit wir natürlich nur das Positive meinen - nicht dass wir da wieder missverstanden werden oder uns von der linken Pressemafia böswillig was unterstellt wird! Kein Mensch will doch Juden vergasen oder Helden der Arbeit in Lager sperren! Dahin kommen höchstens ein paar Bonzen, Zecken, Immobilienmakler, Zinswucherer, Kinderschänder, Brunnenvergifter, Schächter oder Raser. Außerdem Rechtsverdreher, Lügenmäuler, Politiker. Das ganze Pack also, das das Volk aussaugt und mit Almosen abspeist und noch auslacht und verachtet dabei. Und das ist ja normal und hat mit einer rechten Ecke nichts zu tun. Sondern es kommt praktisch aus der Natur. Jede Art schützt sich vor ihren Feinden. In einen Ameisenhaufen oder einen Bienenstock können Sie auch nicht einfach rein und alles durcheinanderbringen.
Das Urteil
Damit sind wir in Karl-Marx-Stadt angekommen, oder, wie es früher hieß, Chemnitz. Am 22. August 2019 hat das dortige Landgericht (Schwurgerichtskammer) im Verfahren 1 Ks 210 Js 27835/18 den Angeklagten, der "S." heißt (Persönlichkeitsschutz!), wegen Totschlags (§ 212 StGB) an einem "Deutsch-Kubaner" in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (§§ 53, 54 StGB) von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil wurde von der Verteidigung das zulässige Rechtsmittel der Revision eingelegt. Wenn die Strafkammer die schriftlichen Urteilsgründe verfasst (sie hat dafür neun Wochen Zeit) und den Verfahrensbeteiligten zugestellt hat, hat der Angeklagte einen Monat Zeit, eine Begründung des Rechtsmittels einzureichen, über das der zuständige Strafsenat des BGH entscheidet. Es kann also noch ein bisschen dauern, Rechtsfreunde, aber so isses nun mal.
Für das Todesopfer gibt es einen Gedenkstein. Es sind seit der Tat ungefähr weitere 800 Menschen in Deutschland vorsätzlich getötet worden, für die es keine Gedenksteine gibt. An den meisten hat die öffentliche Trauergemeinde deutlich weniger Anteil genommen als an jeder Katze, die vom Baum gerettet, und jedem Ferkel, das von einer Prinzessin adoptiert wurde. Ich weiß: Es nützt nichts, das zu sagen, ebenso wenig wie die Bitten der Familie des Tatopfers genützt haben, ihn in Ruhe zu lassen. Die Hasen von Chemnitz möchten sich in ihrer wirklich großen Freude an der Trauer nicht stören oder aufhalten lassen. Schon gar nicht vom Opfer.
Was ein Kammervorsitzender bei der Urteilsverkündung zur Begründung sagt, ist unverbindlich und muss nicht seine persönliche Meinung sein. Ich erwähne das, weil auch diesmal wieder allerlei Deutungsakrobatik sich über das Urteil "der Richterin" (gemeint: der Kammervorsitzenden) ergoss und über "ihre Gründe". Insoweit wie immer mein Tipp: Erst mal ruhig bleiben! Jetzt haben Sie schon ein Jahr lang um Gerechtigkeit gefiebert; da kann es auf ein paar Wochen bis zur schriftlichen Urteilsbegründung doch nicht ankommen! Die Landtagswahl des Schicksals werden Sie halt ohne Rechtsgutachten zum Verfahren 1 Ks 210 Js 27835/18 schaffen müssen, Bürger der IFA-Stadt! Aber das kriegen Sie hin! Herr Maaßen war ja bei Ihnen, um Sie mit dem Licht seines Ganz Großen Latinum zu wärmen, und Frau AKK, um Ihnen zu zeigen, dass man auch mit bescheidenen Mitteln viel aus sich machen lassen kann. Und die SPD plant, wie man hörte, demnächst den Sozialismus einführen, und Frau Doktor Giffey soll live vor dem Karl-Marx-Kopf ein neues Kinderhörbuch einspielen. Und Frau Baerbock hat gesagt, das schaffen wir.
Ich muss an dieser Stelle noch mal auf einen Rechtssatz zurückkommen, der Lesern stets am Herzen liegt: den sogenannten Zweifelsatz, auch genannt "In dubio pro reo". Er ist schon 1.500 Jahre alt und stammt aus Konstantinopel, also praktisch von einem Ausländer, steht aber jetzt auch in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention: "Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig." Er sorgt zum Beispiel dafür, dass bei Ihnen daheim nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit die Staatssicherheit nachschauen darf, ob Sie vielleicht gerade etwas tun, was Sie besser lassen sollten; und dafür, dass Sie selbst dann, wenn Sie beim Spazierengehen immer ein schwarz-rot-goldenes Hütchen aufhaben oder "Hase, du bleibst hier!" rufen, nicht erst mal vier Jahre nach Bautzen oder Waldheim gebracht werden, bis ein Organ Zeit hat, Sie zu 20 Jahren Zuchthaus wegen mutmaßlicher Unterstützung einer möglicherweise terroristischen Vereinigung zu verurteilen.
Die berühmte Rechtstaats- und Sorgenpartei "AfD" ist ein großer Freund des Zweifelssatzes, obwohl die Organe Brandner, Maier, Reusch und Co. ja sonst juristischen Spitzfindigkeiten eher kritisch gegenüberstehen. Der Zweifelssatz ist ihnen aber ein echtes Herzensanliegen. Nach dem Zweifelssatz, sagt die AfD, ist es praktisch ausgeschlossen, dass ein knorriger Potsdamer Rentner eine Volksverhetzung oder ein sich androgyn in den Hüften wiegender Geschichtslehrer aus Bornhagen eine Befürwortung von Verbrechen begangen haben kann. Dasselbe gilt natürlich auch für solche Rechts- und Friedensfreunde, die gelegentlich zufällig dabeistehen, wenn in Connewitz oder im Schanzenviertel anderen Spaziergängern Pflastersteine oder Stahlgeschosse aus den Fingern gleiten. Auch sie sind, da ist sich jedenfalls die "taz" ganz sicher, total unschuldig, solange nicht ein "gesetzlicher Beweis" geführt ist.
Der Beweis
Was ist nun ein gesetzlicher Beweis? Wenn man führende Presseorgane des ganzen Deutschland zum Chemnitzer Urteil liest, liegt die Antwort auf der Hand:
"Dass das Gericht die Schwäche (des) Beweises gegen Alaa S. nicht einmal anerkennt, sondern gegen das Offensichtliche sogar noch behauptet, die Beweislage habe 'jegliche Zweifel' an der Schuld ausgeräumt, das ist allein schon gruselig",
schrieb Experte Bangel am 23. August auf "Zeit-Online". Und Expertin Forudastan brachte es in der "SZ" auf folgenden Punkt:
"Es gibt keinen belastbaren Beweis dafür, dass Alaa S. für den Tod von Daniel H. verantwortlich ist. Das Urteil verstößt gegen einen ehernen Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten."
Knapp daneben ist auch vorbei, sagt Karl Marx. In § 261 StPO steht, dass das Gericht sein Urteil "nach freier Überzeugung" gewinnt. Das heißt: Es gibt im deutschen Strafrecht keine "Beweisregeln" (wie sie früher einmal verbreitet waren: "Sieben Zeugen sagen die Wahrheit" und Ähnliches). "Freie Überzeugung" bedeutet natürlich nicht Willkür oder "fester Glaube", der Richter muss rationale, in ihrer Vernünftigkeit überprüfbare Gründe haben. Der Zweifelssatz sagt, dass ein Gericht nicht verurteilen darf, wenn es vernünftig begründete Zweifel hat, und dass es umgekehrt nur verurteilen darf, wenn es keine Zweifel hat. Wenn also ein Gericht verurteilt, weil es keine Zweifel hat, dann kann das zwar aus allen möglichen Gründen falsch sein, ist aber ganz gewiss kein Verstoß gegen den Zweifelssatz. Wer das behauptet, hat einfach keine Ahnung und sollte es unbedingt unterlassen, Leitartikel über Strafprozesse zu schreiben.
Die genannten Rechtsexperten meinen eigentlich auch gar nicht, dass der Zweifelssatz verletzt sei. Sondern sie meinen, das Gericht hätte Zweifel haben müssen. Sie missverstehen also den "Zweifelssatz" und halten ihn für eine Beweisregel, die besagt: Wenn nur ein Zeuge den Angeklagten belastet, muss der Richter Zweifel haben. Oder: Solange ein mutmaßlicher Mittäter flüchtig ist, darf man andere Tatbeteiligte nicht verurteilen, sondern muss Zweifel haben. Beide Regeln sind natürlich Blödsinn und existieren nicht. Kurz gesagt: Zu behaupten, es sei "die Höhe", dass das Gericht verurteilt habe, weil es keine Zweifel an der Schuld hatte, ist schlichter Nonsens. Wenn dieselben Prozessexperten über Urteile in Sexualstrafsachen berichten, bei denen es ja sehr oft nur einen Augenzeugen und eine "Aussage gegen Aussage"-Lage gibt, halten sie gern jede Form von Zweifel für eine Art von Opferverleumdung.
Das ist ärgerlich, denn die zitierten Journalisten machen sich mit angeblichen Rechtsausführungen wichtig, obwohl sie nur wie andere Schlaumeier der Ansicht sind, sie wüssten es "besser". Sie möchten uns sagen, dass sie, wenn sie Richter gewesen wären, anders und deshalb richtiger geurteilt hätten. Ja super, staunt da der Strafrichter, das ist ja ein ganz neues Argument, das habe ich ja noch nie gehört! Dann geht er in sein Zimmerchen und nimmt sich ganz fest vor, es beim nächsten Mal richtig zu machen. Noch ein paar Kostproben:
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Es bestehe 'kein Zweifel an der Schuld', heißt es. Dabei war die Beweislage, soweit bekannt, dünn."
"Hannoversche Allgemeine": "Ein zweifelhafter Zeuge und ein Verdächtiger, der sich abgesetzt hat, lassen trotz der langen Haftstrafe jede Menge Raum für Zweifel."
"Cicero": "Der einzige Hauptbelastungszeuge, ein 30-jähriger Imbisskoch, verwickelte sich während des Prozesses in Widersprüche. Trotzdem stützt die Richterin ihr Urteil auf seine Aussage."
Warme Luft. Journalisten schreiben, wie der Prozess hätte ausgehen müssen, wenn das Gericht so schlau gewesen wäre wie der Reporter. Diese "Herangehensweise" hat zwei Vorteile: Man muss keine Ahnung haben und kann sich außerdem noch wichtig machen. Das gilt als "kritische" Berichterstattung. Es ist das Handwerk der Großen, der Leitartikler, von Menschen, die sich, ohne erkennbaren Widerstand, als "Grande Dame der Gerichtsreportage" bezeichnen lassen. Eine schlichte, schnörkellose, kenntnisreiche Wiedergabe des Geschehens und eine auf Sachkenntnis beruhende Erläuterung von dessen Sinn und Systematik gelten dagegen nichts: Sie zeigen nicht genügend "personality", entfalten nicht genügend Soap-Charme und eignen sich nicht, um später Bücher unter dem Titel "Meine scheußlichsten Morde" oder "Wie ich es wieder einmal besser wusste" zu veröffentlichen.
Das Ungeheuerliche
Damit aber nun zur Sache. Wir müssen da noch mal ein paar Zitate einführen:
"Die Zeit": "(Es) ist am Donnerstag mit unserem Rechtsstaat etwas Ungeheuerliches geschehen. Wie es aussieht, ist an einem deutschen Gericht ein politisch motiviertes Urteil gefällt worden. (...) Die Chemnitzer Bürgermeisterin Barbara Ludwig hatte ja schon vorher die Erwartung formuliert, es möge einen Schuldspruch geben, damit die Familie des Opfers Frieden finde (...) Was wäre, fürchtete man jetzt wohl in Chemnitz, wenn nach einem Freispruch der wütende Mob wieder loszieht, zum Jahrestag der Chemnitzer Hetzjagden, eine Woche vor der Wahl? (...) Der (
...) Justizapparat ist offensichtlich durchdrungen von Pegida-Anhängern."
"Welt" (Friedrichsen): "Wer den Prozess verfolgt hat, gewann den Eindruck, dass die Verteidigung von vornherein auf verlorenem Posten stand. (...) Die Hoffnung (auf Rechtsfrieden) dürfte (...
) so lange nicht in Erfüllung gehen, als man des mutmaßlich tatsächlichen Täters nicht habhaft geworden ist. Denn einen Angeklagten vergleichsweise milde zu verurteilen, weil man ein schlechtes Gewissen und den wirklichen Täter fatalerweise nicht zur Hand hat, die Straße aber nun mal nach einem Schuldigen verlangt: Das stellt dem Rechtsstaat kein gutes Zeugnis aus."
"Frankfurter Rundschau": "Eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen, drei Tage vor dem Jahrestag des gewaltsamen Todes von Daniel H. in Chemnitz findet das Landgericht einen Schuldigen. Die Tat aufzuklären hat es nicht vermocht."
SPIEGEL ONLINE: Der Zeugenbeweis hat vor Gericht traditionell den geringsten Wert, aus gutem Grund. In diesem Fall wollte der Koch als Einziger gesehen haben, wie Alaa S. zustach (...) Der Chemnitzer Kammer (
...) reichte das, um den Bürgern daheim einen Schuldigen für die tödlichen Stiche zu präsentieren."
"Süddeutsche": "Kein Gericht, das auf sich hält, hätte sich mit einer so fragwürdigen Aussage eines so fragwürdigen Zeugen begnügen dürfen. Keine Richter, deren Leitschnur alleine Recht und Gesetz sind, hätten auf einer so brüchigen Grundlage einen Menschen verurteilen dürfen."
So, so! Es ist also "etwas Ungeheuerliches" passiert: Ein Mensch wurde verurteilt, weil man den "tatsächlichen Täter" nicht fand. Ein Gericht verhängte ("milde") neun Jahre Freiheitsstrafe, weil es Zweifel hatte, ob der Angeklagte schuldig sei. Es ist also ohne sachlichen Grund, entgegen der offenkundigen Beweislage, ein Mensch zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Richter, die dieses Schandurteil gefällt haben, haben vorsätzlich und aus vier Gründen gehandelt, die jeder sehen kann: Aus Angst vor einem rechtradikalen Mob; aus politischer Opportunität; aufgrund einer Anweisung der Oberbürgermeisterin von Chemnitz; und aus dem Bestreben, potenziellen Wählern der AfD zu beweisen, dass der "Rechtsstaat" mit Härte gegen Syrer vorgeht, die Deutsch-Kubaner erstechen. Und zwar auch dann, wenn sie es gar nicht getan haben. - Dies ist, komprimiert, der ausdrückliche, konkludente, offenkundig gemeinte Tenor von ungefähr 25 Meldungen großer deutscher Presseorgane, die ich gelesen, gehört und gesehen habe. Zwei hier ausdrücklich zu erwähnende Ausnahmen bildeten übrigens der Deutschlandfunk und die "FAZ".
Hier stellt sich nun die eine, die entscheidende Frage: Welche Schlussfolgerungen zogen und ziehen die Chefredaktionen der genannten Presseorgane aus ihrer Feststellung, dass mitten in Deutschland eine Landgerichtskammer aus drei Berufs- und zwei Laienrichtern öffentlich ein "ungeheuerliches", rechtsbeugerisches, unvertretbares, allein politisch motiviertes Schandurteil fällte und einen Menschen fortdauernd in Haft hält, der nach Ansicht aller Vernünftigen unbedingt hätte freigesprochen werden müssen?
Nochmals: "Keine Richter, deren Leitschnur Recht und Gesetz sind, hätten auf einer so brüchigen Grundlage einen Menschen verurteilen dürfen", schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Die "ZEIT" titelte: "Im Zweifel für den Mob". Und Frau Friedrichsen klagt in der "Welt": Das Landgericht hat neun Jahre verhängt, "weil (!) man den wirklichen Täter nicht zur Hand hat (...
) und die Straße nach einem Schuldigen verlangt".
Alle drei Leuchttürme der angeblich "Vierten Gewalt", die sich sonst gern mit "Investigations"-Dramen und gefühligen Predigten über den Wert des Rechts gefallen, taten anschließend - nichts. Sie riefen nicht zu Demonstrationen gegen die Unrechts- und Willkürjustiz auf. Sie erhoben keine Rücktrittsforderungen gegen Minister und keine Forderungen nach Untersuchungen. Keine Petition, kein Aufruf zum Widerstand und zum Ungehorsam wurde verbreitet; keine Redaktion und keine Druckergewerkschaft trat in den Streik. Und leise muss man sagen: Es hat, liebe Leser, noch nicht einmal eine einzige der genannten Zeitungen auch nur eine Strafanzeige wegen Rechtsbeugung erstattet, also das absolute Mindestmaß dessen getan, was zur Verteidigung des Rechtsstaats geboten gewesen wäre.
Karl-Marx-Stadt
Wahrhaftig, da könnte etwas Ungeheuerliches geschehen sein: Es kam der Moment, der nach Ansicht der meisten großen und wichtigen Pressemedien Deutschlands "offenkundig" ein Wendepunkt in der (Rechts)Geschichte der Bundesrepublik war. Es war der Tag, als vor aller Augen das blanke Unrecht aus Angst vor einem rechtsradikalen Mob über Recht, Gesetz, Gerechtigkeit und menschliche Vernunft siegte, an dem die deutsche Justiz sich als schmählicher Büttel einer von Rechtsstaatsfeinden durchseuchten politischen Exekutive entlarvte. Der Tag, an dem ein Mensch, der in einem Rechtssaat niemals hätte verurteilt werden dürfen, zu neuneinhalb Jahren Knast verurteilt wurde.
An diesem Tag taten die mächtigen Redaktionen der freien Presse: nichts. Sie schrieben, der Rechtsstaat sei auf ungeheuerliche Weise mit Füßen getreten worden. Anschließend berichteten sie ein paar neue Gags eines ♥♥♥en in Washington, kommentierten Herrn Johnsons Fußhaltung auf dem Beistelltisch von Herrn Macron und faselten herum, ob man Frau Schwesigs oder Frau Klattens Häuschen zur Pflege unseres lieben Amazonas mit einer Steuer belegen dürfe. Frau Thunberg, so lasen wir, kotzt auf dem Weg zum Mond durchschnittlich oft. Alles normal also, und in Chemnitz bricht der Rechtsstaat zusammen.
Was lernen wir? Variante eins: Alles dummes Zeug, alles Lüge, alles verantwortungslose Wichtigtuerei. Dafür spricht, dass ein Leitmedium, das ernsthaft das "Ungeheuerliche" konstatiert, nicht einfach nichts dagegen unternehmen könnte, ohne sich vollständig lächerlich zu machen.
Variante zwei: Karl-Marx-Stadt ist überall. Und in den sogenannten "Redaktionsstuben", die Großraumbüros sind und paar Milliardären gehören, sitzen genau dieselben Angsthäschen und Opportunisten, auf die sie so gern herabsehen. An der Lächerlichkeit ändert das nicht wirklich etwas.
bringt er hin wie kaum ein zweiter.
Was aber nur ein Vorspiel seiner eigentlichen Ausführungen ist in Bezug auf das Dummschwätzen der Medien in juristischen Angelegenheiten.