Ich beschränke mich mal auf einen Kommentar zu dem Eintrag auf der KRD-Seite:
Die Unart, in Frage zu stellen, daß jemand das, was er nachdrücklich zum Ausdruck bringt auch wirklich meint, hat sich nun also auch bis in die höchste richterliche Ebene der Bundesrepublik, das Bundesverfassungsgericht, ausgebreitet.
Dass man eine Verfassungsbeschwerde ernst meint, ist für sich genommen kein Zulassungskriterium. Man muss auch schon die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen.
Auf die Einsendung seiner Verfassungsbeschwerde bekam Peter am 16. Oktober 2018 ein Antwort-Schreiben mit zahlreichen Szenarien in der Möglichkeitsform zugesandt:
„ Es bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit Ihrer Verfassungsbeschwerde, weil es an der Beifügung der erforderlichen Unterlagen fehlen dürfte.“
Was ist mit dieser Aussage gemeint? Fehlen die Unterlagen oder fehlen sie nicht? Was sagen „Bedenken“ sachlich aus?
Die Mitarbeiter des BVerfG sind Juristen, aber keine Verfassungsrichter. Über die Zulässigkeit entscheiden aber abschließend die Richter. Ein Mitarbeiter des AR kann deshalb schlicht nicht feststellen, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Gleichwohl ist es gerade seine Aufgabe, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde in Kenntnis der einschlägigen Normen und Rechtsprechung hinzuweisen. Das sollte man daher ernst nehmen.
Tatsächlich sind, wie so oft während des Verfahrens, schon wieder Dokumente angeblich nicht auffindbar. Das berührt zwar die Gültigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht, da der Inhalt des Dokuments im fortlaufenden Text ausreichend berücksichtigt wurde. Dennoch wirft es die Frage auf: Wieso sind schon wieder fristgerecht eingereichte Dokumente verschwunden? Zuletzt war die gesamte Revisionsbegründung von Peter nicht wahrgenommen worden ...
Das hier Dokumente „verschwunden“ sind, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Offenbar wurden sie nicht (vollständig) beigefügt. Beigefügte Dokumente verschwinden typischerweise nämlich nicht.
Das Antwort-Schreiben enthält im folgenden einen längeren Auschnitt des Merkblatts zur Einreichung von Verfassungsbeschwerden, Abschnitt II, das auch unter www.bverfg.de abrufbar ist. Belehrt wird hier, wann eine Verfassungsbeschwerde in welcher Frist einzureichen ist und was dabei alles nicht zulässig ist.
Dann heißt es im Text des Schreibens weiter:
„Im Übrigen dürfte es Ihrem Vorbringen an einem Sachvortrag mangeln, aus dem sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsähnlichen Rechten ergibt.“
Auch hier die Frage: Mangelt es in den Augen des Herrn Regierungsrats oder mangelt es nicht? Wer entscheidet das? Sollte dies nicht intern geklärt und dann konsequent in die eine oder andere Richtung entscheiden werden?
Die drei Fragen sind wie folgt zu beantworten:
„Mangelt es in den Augen des Herrn Regierungsrats oder mangelt es nicht?“ Ja. Es mangelt.
„Wer entscheidet das?“ Abschließend ggf. die Kammer.
„Sollte dies nicht intern geklärt und dann konsequent in die eine oder andere Richtung entscheiden werden?“. Erst mal nicht. Das ist die Funktion eines Vorfilters, der auch dem Interesse des Betroffenen dient, sein Vorbringen ggf. nachzubessern, bevor die Kammer entscheidet. Wer es unbedingt wissen will, kann aber auf Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde durch die Kammer bestehen.
Es folgen wieder längere allgemeine Belehrungen, wozu das BVerfG da ist, und wozu nicht.
Darunter steht:
„Eine Verfassungsbeschwerde scheint jedoch aus den oben angeführten Gründen unzulässig zu sein.“
Wieder das gleiche. Wer entscheidet das denn nun? Das Bundesverfassungsgericht? Oder ist dies eine Aufforderung an Peter, selbst zu entscheiden, ob seine Beschwerde zulässig ist? Sonst hätte er sie ja wohl kaum eingereicht!
Man kann die Chance ergreifen und Bedenken gegen die Zulässigkeit Rechnung tragen. Oder man lässt es. Hier ist das aber ohnehin von vornherein aussichtslos.
Als Abschluß des Briefes ergeht die Aufforderung:
„Es wird gebeten, die Rechtslage zu überprüfen ...“() „ … und gegebenenfalls mitzuteilen, ob die Verfassungsbeschwerde gleichwohl aufrechterhalten wird.
Interessant. Auch hier: Ist es die Aufgabe des Einreichers, zu überprüfen, ob die Verfassungsbeschwerde zulässig ist? Gut, Peter hält die Verfassungsbeschwerde aufrecht. Und er geht weiterhin davon aus, daß die Berechtigung zur Einreichung einer Verfassungsbeschwerde vorliegt. Es bleibt die Verwunderung über die sehr direkte Aufforderung, das Ansinnen nochmals zu überdenken.
Verständlicher wird der Text allerdings mit einem Blick auf die Methoden, mit denen das Einreichen von Verfassungsbeschwerden grundsätzlich erschwert werden soll. Inzwischen gibt es laut Internetauftritt des BVerfG jährlich rund 6.000 eingereichte Verfassungsbeschwerden, also 6.000 Menschen pro Jahr, die sich in ihren Grundrechten so verletzt fühlen, daß sie sich die Mühe machen, dies dem Bundesverfassungsgericht mittels einer Beschwerde mitzuteilen. So sind die 16 Richter des BVerfG wohl mittlerweile bemüht, die Einreichung solcher Beschwerden einzudämmen.
Stimmt. Genau das ist Sinn der Sache. Man hat nämlich keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Richter des BVerfG sich länger mit irgendwelchem Unfug aufhalten.
Zu diesem Zweck wurde bereits 2005 die Anhörungsrüge eingeführt. Während vor 2005 nach dem Urteil der letzten rechtlichen Instanz der Weg des unrechtmäßig Verurteilten direkt zum Verfassungsgericht frei war, muß er seitdem dem Gericht, das ihn verurteilt hat, mit einer Anhörungsrüge zunächst klarmachen:
Im Urteil wurden die Gegebenheiten nicht ausreichend wahrgenommen, so daß es zu einem in meinen Augen unpassenden Urteil gekommen ist. Ich gebe das hiermit fristgerecht bekannt und begründe meine Ansicht.
Das betrifft nur die Frage der Verletzung rechtlichen Gehörs. Und worin genau liegt das Problem, dass ich zunächst beim Fachgericht auf etwa übergangenes Vorbringen hin weisen muss?
Erst wenn daraufhin keine Korrektur des Urteils erfolgt, steht der Weg zum Verfassungsgericht offen.
Bevor der Beschwerdeführer also beim Bundesverfassungsgericht anlangt, muß er durch die 2005 eingeführte Anhörungsrüge zunächst mit weiteren Kosten, Fristen und nervenaufreibenden Warteschleifen rechnen.
Immerhin hemmt die Anhörungsrüge die Rechtskraft.
Manch einer hat dann vielleicht die Nase voll und akzeptiert sein Urteil. Schlecht geht es jedoch dem, der das Rechtsmittel der Anhörungsrüge nicht kennt und sich direkt an das Verfassungsgericht wendet.
Es gibt Leute, die sich mit sowas auskennen. Und es gibt Rechtsbehelfsbelehrungen...
Dann ist die Einreichung der Verfassungsbeschwerde ungültig und bis zu dieser Erkenntnis die kurze Frist für die Anhörungsrüge wohl verstrichen. Damit hat der Verurteilte alle Möglichkeiten auf Berücksichtigung seiner Grundrechte verwirkt. Peters Pflichtverteidiger hatte darauf verzichtet, Peter auf das Rechtsmittel der Anhörungsrüge aufmerksam zu machen – oder hatte er davon nichts gewußt? Glücklicherweise war ein anderer Anwalt so geistesgegenwärtig, Peter auf das Rechtsmittel der Anhörungsrüge hinzuweisen.
Eine weitere Hürde beim endgültigen Einreichen der Beschwerde soll wohl nun die Antwort des BVerfG aus Standard-Satzbausteinen sein, die auf einschüchternde Weise die fehlerhafte Abgabe der Verfassungsbeschwerde suggeriert. Es wird in den Raum gestellt, man habe sich nicht richtig informiert und die Rechtmäßigkeit der Beschwerde nicht ausreichend geprüft. Das mag manch einen zum Rückzug bewegen ...
Das wäre ja auch sinnvoll.
Peter hat in seiner Antwort, die am 24.10.2018 per Fax und am 25.10.2018 per Einschreiben/Rückschein an das BVerfG ging klargestellt, daß er die Verfassungsbeschwerde aufrechterhält. Außerdem hat er dem BVerfG darin mitgeteilt, an welcher Stelle in den drei Ordnern Anlage sich die Dokumente befinden, die angeblich nicht aufzufinden sind, und er hat wiederholt formuliert, zu welchen Grundrechtsverletzungen er mit „hinreichender Deutlichkeit“ seinen Sachvortrag liefert.
Da offenbaren sich grundlegende Fehlvorstellungen über Sinn und Funktionsweise einer Verfassungsbeschwerde. Aber eine begnadete und gottgleiche Persönlichkeit weiss so etwas natürlich besser, als die, die sich hauptberuflich mit so etwas beschäftigen.
Für die Routine des Anschreibens spricht auch dessen Verfasser, ein „Regierungsrat“, also die unterste Ebene der Laufbahn eines Beamten im höheren Dienst. Den Brief selbst und Peters Antwort darauf findet Ihr in der Anlage.
Das ist jedenfalls ein Volljurist, der sich damit auskennt.
Angesichts des Umstands, dass auch die Erwiderung von der gängigen Mischung aus Unverständnis und Arroganz getragen ist (sog. "Zopf-Mischung"), wird es also zu einer Entscheidung durch die Kammer kommen. Ich tenoriere mal vor:
„Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen“.