Harz: Rechtsextremisten werben für völkische Siedlungsprojekte
Wird der Harz mit seinen vielen Leerständen zum Rückzugsraum für Rechtsextreme? Die Gruppierung „Nordadler“ hat mit Fotos aus Bad Sachsa für völkische Siedlungsprojekte geworben – scheinbar mit Erfolg.
Bad Sachsa
Im Harz wächst die Sorge, dass sich dort im Gefolge der rechtsextremistischen Gruppe „Nordadler“ mit einem Immobilienobjekt in Mackenrode „völkische Siedlungsprojekte“ etablieren können. Anzeichen dafür sieht Fritz Vokuhl (Grüne). Das Ratsmitglied der Stadt Bad Sachsa weist auf ein „gut abgesichertes“ Wohnhaus im Ortsteil Tettenborn hin. Weil er an dem Gebäude am Ortsausgang in Richtung Mackenrode neben einer schwarz-weiß-roten Reichsflagge auch eine mittlerweile wieder abgehängte Fahne der sogenannten Identitären Bewegung gesichtet hat, habe er den Staatsschutz eingeschaltet. Bereits im vergangenen Jahr habe es ein Treffen Rechtsextremer in einem leerstehenden Hotel am Schmelzteich in Bad Sachsa gegeben.
Tettenborns Nachbarort Mackenrode in Thüringen wird von der Gruppe „Nordadler“ bereits als ländlicher Rückzugsraum genutzt. Dort habe die Gruppe ein Wohnhaus mit Grundstück erworben, das für ein geplantes „Siedlungsprojekt“ genutzt werden solle, heißt es in der Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Linke), die auch dem NSU-Untersuchungsausschuss angehörte. Die Gruppierung wolle über den Ankauf von Grundstücken nach Vorbild der SS eine „autarke Gemeinschaft“ entstehen lassen.
Fließende Grenzen bei rechten Siedlern
Seit Anfang 2018 ermittelt der Generalbundesanwalt gegen die den Nationalsozialismus verherrlichende „Nordadler“-Gruppe wegen des Verdachts auf Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung. Bei einer Razzia im April 2018 durchsuchten Spezialeinsatzkommandos Wohnungen in Niedersachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Bremen. Eine weitere Razzia hat es nach Angaben des Bundesinnenministeriums am 17. November 2018 in Mackenrode gegeben.
Zum aktuellen Stand der Dinge will sich die Pressestelle der Bundesstaatsanwaltschaft unter Verweis auf die noch andauernden Ermittlungen nicht äußern. Der Fall „Nordadler“ zeige, dass die Grenzen zwischen rechten Siedlern und mutmaßlichen Rechtsterroristen fließend seien, sagt die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke).
Stadtrat rät zur Vorsicht bei Verkäufen
Bereits nach den Razzien im April 2018 hatte der Rat der Stadt Bad Sachsa eine Resolution verabschiedet und an die Bürger appelliert, beim Verkauf von Grundstücken und Häusern besonders wachsam zu sein. Auf Facebook hatte die rechtsextreme Gruppierung auch mit Fotos aus Bad Sachsa geworben.
Vokuhl mutmaßt einen Zusammenhang zwischen den Aktivitäten in Mackenrode und dem von ihm benannten Objekt in Tettenborn. Wegen der noch laufenden Fusionsverhandlungen mit Nachbargemeinden ist nach dem Ausscheiden von Axel Hartmann kein neuer Bürgermeister in Bad Sachsa gewählt worden. Hauptamtsleiter Uwe Weick kann zu dem Fall in Tettenborn auf Anhieb nichts sagen, ist aber für jeden Hinweis auf rechtsextreme Aktivitäten oder mögliche Grundstückskäufe dankbar und verweist auf die Resolution des Stadtrates.
„Dem Landeskriminalamt Niedersachsen sind keine Immobilienkäufe von rechtsextremistischen Gruppierungen oder Einzelpersonen in Südniedersachsen bekannt“, sagt LKA-Sprecherin Nevin Ayyildiz. Südniedersachsen stelle auch weiterhin einen Schwerpunkt in der polizeilichen Arbeit gegen die rechte Szene dar.
Rechtsextremisten würden seit einer Reihe von Jahren versuchen, Immobilien für Veranstaltungen und Schulungen, als Treffpunkte oder Anlaufstellen zu erwerben, bestätigt Ayyildiz: „Insbesondere Leerstand-Immobilien in strukturschwachen ländlichen Räumen dürften als günstig zu erwerbende Objekte ihre Aufmerksamkeit erwecken.“
Junge Siedler und rechte Ökos
Die Homepage der „Familien-Landsitzsiedlung Weda Elysia“, die die alte Dorfschänke in Wienrode bei Quedlinburg erworben hat, wirkt wie eine Wachturm-Illustration des Paradieses oder Disney-Werbung für Waldorfschulen, weckt Erinnerungen an Öko-Kommunarden der 1970er-Jahre. Der Verein, dessen Internet-Auftritt harmlos bis allenfalls wirr erscheint und der sich gegen eine „mediale Hetzkampagne“ wehrt, soll Recherchen des ARD-Magazins „Kontraste“ zufolge aber ein völkisches Weltbild und Kontakte zu Rechtsextremen pflegen. Die Einschätzungen darüber, welche und wieviele Immobilien der rechten Szene zuzuordnen sind, gehen auseinander. Die Bundesregierung geht von deutschlandweit etwa 150 Objekten aus – von der NPD über die Identitäre Bewegung bis zu sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern. Im November hat die Journalistin und Publizistin Andrea Röpke in Einbeck ihr neues Buch „Völkische Landnahme – Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos“ vorgestellt, das Strategien und Gefahren durchleuchte
t. ku