Obergericht
Keine Reichsbürger am Obergericht
Staatsverweigerer hatten am Bezirksgericht letztes Jahr für Aufruhr gesorgt. Dem Berufungsprozess blieben sie fern.
«Sie haben mir nichts zu sagen!» hatte der dicke Mann gerufen und gestrampelt, als ihn zwei kräftige Kantonspolizisten aus dem Gerichtssaal schleppten. Die eigentümliche Szene hatte sich im April letzten Jahres am Wintert♥♥♥r Bezirksgericht abgespielt. Zuvor war der Zuschauer immer wieder mit Zwischenrufen und Störaktionen aufgefallen. Ein ganzes Grüppchen Staatsverweigerer, in Deutschland auch als Reichsbürger bekannt, war angereist und hatte einen an sich unspektakulären Fall um eine angebliche Verleumdung zwischen Eheleuten in eine Posse verwandelten, inklusive dem Versuch, eigene Beweise einzureichen.
Inzwischen geschieden
Als der Fall ans Obergericht weitergezogen wurde, war dieses also gewarnt. Und so bewachten am Mittwochnachmittag vier Kantonspolizisten den Eingang. Wer die Verhandlung anschauen wollte, musste durch einen Metalldetektor treten. Die jungen Beamten verbrachten dann einen eher langweiligen Nachmittag. Es kamen nämlich nur drei Zuschauer, die sich alle ruhig und höflich verhielten.
«Ich habe keine Ahnung, wer diese Leute waren, die damals den Prozess in Winterthur gestört haben. Ich kannte sie jedenfalls nicht und war damals genauso verwirrt.»Die Angeklagte, über die Anwesenheit der Reichsbürger
Der Fall selbst war dann eine rasche Sache. Die Beschuldigte war von der Vorinstanz wegen Verleumdung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Sie habe, so der Vorwurf, gegenüber einer Bekannten behauptet, dass ihr damaliger Ehemann ihre Tochter sexuell missbrauche und wegen seines Drogenkonsums «ein anderer Mensch» sei.
Vom Obergericht erhoffte sich die Frau einen Freispruch. Sie habe solches nie behauptet. Und dass ihr Mann die Tochter missbraucht habe, stimme auch nicht. Bei den Drogen ist die Sache komplizierter: Kurz vor der Anzeige wegen Verleumdung hatte sie bei der Polizei eine Anzeige gegen ihren Mann eingereicht wegen Verdachts auf Handel mit verbotenen Substanzen. Ihr Anwalt stellte die Verleumdungsklage darum auch als Retourkutsche des Noch-Gatten dar. Inzwischen ist die Scheidung vollzogen.
Formelle Gründe entscheidend
Der neuerliche Gang vor Gericht war für die Frau ein Erfolg. Das Obergericht stellte das Verfahren ein, weil erhebliche Zweifel bestanden, ob der Privatkläger die Fristen eingehalten habe. Er hatte seine Anzeige fast neun Monate nach dem angeblich verleumderischen Gespräch eingereicht. Die Frau wird für ihre Anwalts- und Gerichtskosten entschädigt.
Draussen vor dem Gericht sagt sie: «Ich habe keine Ahnung, wer diese Leute waren, die damals den Prozess in Winterthur gestört haben. Ich kannte sie jedenfalls nicht und war damals genauso verwirrt.»
Erstellt: 16.12.2019, 12:10 Uhr